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Freitag, 14. Juni 2013

Vom Wollen und Sollen

Aus 2010) Armes Wort "Revolution" - während die Menschen noch rätseln, was das Wesen der 1. Revolution durch das Internet überhaupt gewesen sein soll, spricht man bereits von der 4. Revolution. Denn die Industrie entiwickelt sich überall hin zu den "embedded systems". Das heißt, daß die Dinge selbst Zustände, Inhalte, Wirkungen bekanntgeben, die die Schaltstelle Mensch, den iPod in der Hand oder die Google-Glass-Brille vor den Augen, verarbeiten kann und soll, und wohl bald auch muß, denn damit geht ja Verantwortung einher. Von der Produktseite her aber verspricht man sich noch mehr kundengerechtheit, noch mehr Anpassungsmöglichkeit an Kundenwünsche.

Wo liegt aber das Problem der Kundenwünsche? Es liegt zum einen in der Art, wie sie ermittelt werden. Das ist nur aus zwei Komponenten erfaßbar: Dem, was ein Mensch tatsächlich tut, und dem, was er darüber hinaus will. Am einfachsten erfaßbar ist was er tut, denn das hinterläßt Spuren. Und ebenfalls aus Spuren muß auf seinen weiteren Willen geschlossen werden.

Nun hat aber das menschliche Wollen ein Merkmal - es ist gerade dort, wo es am ausgeprägtesten ist, am schwersten überhaupt faßbar. Aus dieser Unfähigkeit, das Gewollte direkt zu artikulieren läßt sich also keineswegs folgern, daß ein Mensch nicht wüßte, was er wollte. Denn die wesentlichste Willensartikulation erfolgt aus dem, was ein Mensch NICHT will. Das ergibt sich vor allem aus dem Einzelfall. Es ist aber genau deshalb in jedem Einzelfall unendlich, damit aus konkretem Verhalten heraus gar nicht abgrenzbar. Wenn es nicht abstrahiert wird, auf Grundlinien eingedampft.

Daraus zeigt sich, daß die solcherart philosophische Anthropologie selbst im konkreten Wirtschaftsleben eine entscheidende Bedeutung hat.

Computer sind damit bereits anthropologische Vorentscheidungen. Denn sie können diese Handlungshorizonte nicht einbauen, oder nur sehr begrenzt. Denn sie können nur mit Konkretem arbeiten, denn nur Konkretes läßt sich verarbeiten. Ohne am Konkreten je zu wissen, wann es ausreichend wäre, aus den Spuren auf das Ganze des Gewollten, das - noch einmal - nicht artikuliert ist, zu schließen. Das Wesentliche des menschlichen Wollens also bleibt dem Computer prinzipiell unbekannt, es wird zufällig.

Nun hat der Mensch eine Eigentümlichkeit - er kann sich verfehlen. Das, was er faktisch tut, ist in so gut wie keinem Fall rein das, was er eigentlich wollte, ja nicht einmal was er nicht wollte läßt sich mit Sicherheit daraus schließen. Denn die Menschen tun eben viel, was sie gar nicht wollen, manchmal wird es ihnen bewußt, in gar nicht abgrenzbaren Fällen aber nicht einmal das. Tendentiell läßt sich sogar folgern, daß der Mensch in den allermeisten Fällen zwar etwas tut, mit dem er im Innersten nicht einverstanden ist. Er neigt nämlich zur Schwäche, er neigt zur Bequemlichkeit. Der eine mehr, der andere weniger, aber prinzipiell jeder, und zumindest ist jeder dazu verführbar.

Diesem eigentlichen Wollen stellen sich also Hürden in den Weg. Die Welt selbst ist diese Hürde, die dem Menschen permanent begegnet, die ihn umhüllt wie den Fisch das Wasser. Was ein Mensch will läßt sich also einerseits daran ablesen, was er als Hürde empfindet - als Mühe. Produkte sind nun "Mühebewältiger". Sie sollen helfen, ein Ziel zu erreichen.

Auf das wirkliche Wollen eines Menschen läßt sich also nur rückfolgernd, interpretierend schließen.

Aber kaum eine Lösung, die sich im täglichen Handeln anbietet, trägt ein Schild, auf dem seine innersten Ziele und Wirkungen ablesbar wären. In den allermeisten Fällen ist dies den Produktherstellern selber nicht bewußt. Weil aber das innerste Gewissen kaum gänzlich auszuschalten ist, der Mensch diese Kluft zwischen dem, was er innerlich eigentlich will - und als "wollen sollen", als "sollen" erlebt - und dem was er tut immer besteht, kann eine vorderhand engegenkommende Lösung das Gegenteil von dem bewirken, was ein Produktanbieter möchte - er meint, Zufriedenheit auszulösen, weil er eine Mühe überwunden half, denn Mühe ist das Kriterium, an dem sich "Bedarf", in dem sich der Konflikt zwischen Angestrebtem und Gegenwart ausdrückt.

Weil aber Computer nur auf das vorhandene Faktische, die Spuren, zurückgreifen können, können sie sich nur auf eingeschränkte Mühekreise beziehen. Es fehlt ihnen die Möglichkeit zur Phantasie, der Ahnung. Sie können nur Konkretes verarbeiten, Ahnung, die niemandem sichtbar ist, auch nicht dem Ahnenden, muß also konkret gemacht werden.

Nun hat eine solche Präsenz der Computer vor Ort - wie in den "embedded systems" -  eine kaum zu überschätzende Wirkung: Sie kann, und wird es auch tun, in die Informationen, die ein Kunde von einer Ware erhält, auch einbeziehen, was als konkretes Wollen (und Sollen) des speziellen Kunden eine Rolle spielt. Das heißt, sie wird mit einem Ahnen arbeiten, das sie aus dem Zusammenfluß von Produktdaten und persönlichen Daten des Kunden zusammenfließt - und wie es gedeutet wird.

Nun hat aber Zufriedenheit ein seltsames Merkmal: Sie ist unbegrenzt. Zwar empfindet ein Mensch Zufriedenheit, aber diese bleibt nur konkret, sie ist nicht per se allgemein und auf alles ausdehnbar. Das heißt, daß sich aus Zufriedenheit wiederum nur ein konkretes "Passen" ablesen läßt. Nichts an der Zufriedenheit, dem Zum-Stehen-Kommen eines Bedürfens, sein Ruhen in sich, zeigt, worin die nächste Zufriedenheit liegen könnte. 





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