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Montag, 15. Juli 2013

Angst macht arm

Eine Bestätigung, und damit weiter Zuspitzung der Aussage, brachte eine jüngste Untersuchung über die Vermögen der Haushalte in Europa. Waren die ersten Meldungen im Frühjahr dieses Jahres noch kritisiert, ihre Bewertungsgrundlagen bezweifelt worden, so ergab eine neuerliche Untersuchung, die diese Faktoren zu korrigieren versuchte, zu einem exakt selben Ergebnis: Die Bewohner südlicher Länder Europas besitzen deutlich mehr Vermögen als Deutsche und Österreicher. Vor allem besitzen sie mehr Immobilien: 80 bis 90 % der Anwohner des Mittelmeeres logieren in Eigentum, gegenüber knapp 50 % in hiesigen Gefilden. 

Deren Bewertung war einer der Hauptkritikpunkte. Aber auch, wenn man die Preise für die Immobilien gegenwärtigen Marktpreisen angleicht. Auch, wenn man die Pensionssysteme - vor allem sie wurden ja als DER Wohlstandsfaktor des Nordens im Spiel gehalten - vergleicht, wo sich herausstellt, daß die der südlichen Länder um nichts weniger großzügig und ausgebaut sind: Die Aussage bleibt gleich, die Menschen des Südens Europas besitzen deutlich mehr Privatvermögen.

Also sind die Autoren der Studie, die die FAZ vorstellt, der Frage nachgegangen, WARUM denn die nördlichen Länder über nur halb so viel Privatvermögen verfügen wie der Süden Europas. Und das Ergebnis klingt zumindest einleuchtend.

Man hat nämlich die Finanzbewegungen untersucht. Und dabei hat sich herausgestellt, daß der Nordländer sein Geld in Finanzanlagen, Anleihen und Lebensversicherungen steckt. Besonders viel Geld liegt auf Tagesgeldkonten, wo den mickrigen Zinsertrag schon die Inflation auffrißt, das Vermögen sich schleichend verringert. Besonderer Wert wird dabei auf Sicherheit gelegt, und Sicherheit heißt immer - geringere Rendite. Denn die Deutschen sind trotz allem Sparmeister, kein Volk der Welt spart so viel. Und das TROTZ der Rentenversprechen, und das ist eigentlich seltsam: sie verlassen sich nicht auf ihre Rentenansprüche. Sie könnten und würden nämlich sonst mit ihrem Geld ganz andere Dinge tun. Aber sie wollen sich lieber doppelt und dreifach in Geld absichern. Sie vertrauen also viel zu sehr dem Geld, und vertrauen ihm dann aber doch nicht. Zumindest aber noch weniger, als sie dem Besitz von realen Gütern mißtrauen.

Über diese Anlagen baut sich aber Vermögen weit langsamer auf oder schmälert sich gar. Selbst wenn die Verluste aus der Finanzkrise 2008 mittlerweile wieder ausgeglichen sind. 

Vor allem aber ketten sich diese Menschen deutlich mehr an das aktuelle Wirtschaftsgeschehen. Denn der Witz dabei ist, daß sie diese erhoffte Sicherheit - selbst erarbeiten müssen. Läßt ihre Bereitschaft dazu nach, verlieren sie ihre Sicherheit, auf diese einfache Formel läßt es sich bringen. Wer Geld anlegt und davon Rendite erwartet, muß sich diese Rendite also letztlich selbst erarbeiten. Das gilt schon für den einfachsten Kreditkreislauf, denn der Kreditnehmer muß die Zinsen, die er bezahlt, einnehmen. Und er tut es - vom Kreditgeber, wie sonst.

Anders, als würde man es wie der Südländer in Immobilien, Häuser* und sonstige Dinge stecken. Und einfach ... leben.



*Natürlich muß man dabei etwas sehr Spezifisches mit berücksichtigen: Das Klima. Ein Haus nördlich der Alpen zu bauen ist schon von der Errichtung her unvergleichlich kosten- und technikintensiver, als es das im Süden ist. Teils notgedrungen, teils aus Willen und vor allem Komfort, es trotz des Klimas "bequem" zu haben. So bequem, wie der Südländer im Grunde, der aber dafür weniger Geld braucht, und vielleicht etwas weniger anspruchsvoll ist - dabei um nichts weniger, ja sogar mehr Wert auf ästhetische Kriterien legt, nur Schönheit oft anders sieht. Dazu kommt, daß ebenfalls aus klimatischen Gründen ein Haus hierzulande einen Unterhaltungs-, Renovierungs- und laufenden Pflegeaufwand braucht, der so hoch ist, daß ein Immobilie überhaupt kein "festes Kapital" darstellt, sondern man laufend so hohen Aufwand treiben muß, um es überhaupt zu erhalten, daß er einer Miete gleichkommt, also nichts "erspart". Das Bestehende wird zur Sparbüchse, wie jeder Hausbesitzer weiß, sonst verfällt es. Während die Errichtung eines Eigenheimes praktisch immer die existentielle Lage seines Erbauers bis ans Äußerste anspannt. Und dennoch baut man ein Haus hierzulande alle 30 Jahre neu. Oder man verliert es. Mit dem Grundsatz: Je mehr Technik, je mehr das Moment von Maschinen in einem Haus steckt, umso höher wird der laufende Erhaltungsaufwand, der immer in einem recht fest auszumachenden Verhältnis zu Art und Größe der Investition steht.

Das ist auch bei Investitionen in die Infrastruktur wie Straßen gleich. Der Unterbau einer Straße nördlich der Alpen muß deutlich aufwendiger ausgeführt werden. Es ist ein seltsamer Irrtum, der Besucher dazu verleitet, aufgrund des Augenscheins heute die Lebensbedingungen hierzulande als besonders "günstig" anzusehen. Der Verfasser dieser Zeilen hatte dazu ein amüsantes Erlebnis mit einer indischen UNO-Angestellten, die tatsächlich meinte, der hiesige Mensch sei zum Wohlstand gekommen wie Sternthaler zu seinem Gold, es sei ihm in den Schoß gefallen. Und sie wies auf die fruchtbaren Äcker und gepflegten Ortschaften, die am Fenster des Zuges vorbeiflogen. 

Nein, es war schwer erarbeitet. Günstig waren die Lebensbedingungen hier nämlich nie, im Gegenteil. Alles mußte dem Land in schwerer Arbeit abgerungen werden. Warum wohl hat es die Nordländer tendenziell immer nach Süden gezogen? Daß es heute anders aussieht zeigt lediglich, welch hohe Leistung unsere Vorfahren erbracht haben. Der Verfasser dieser Zeilen behauptet sogar, daß das den heutigen Generationen, wären sie vor die Notwendigkeit gestellt, nicht mehr möglich wäre. Und: es kann schneller verspielt sein, als man glauben möchte. Wenn man aufhört, diesen Kultursockel, auf dem wir stehen, im Wert schätzen zu können.

Das zeigt ein Blick in ehemalige Ostblockländer, die meisten ja nördlich der Alpen. Hier wurde eben 30 Jahre oft überhaupt  nichts in die Erhaltung investiert, hier wurde nur abgewohnt und benützt, was vorhanden war. Die Gründe sind hier nebensächlich, wenn auch aussagekräftig. Aber das Ergebnis ist erschreckend. Man sieht es deutlich, wenn man in einem dieser Länder wohnt. Hier ist mehr als nur mit ein wenig Farbe und Putz zu "sanieren" - hier muß alles neu aufgebaut werden. Eine Grundsanierung einer Immobilie kostet dabei nicht weniger, als ein Neubau, das betrifft auch und gerade die billig errichteten Neubauen in dieser Ära. Die substanteillen Schäden gerade bei Immobilien sind gewaltig.

Das ist im Süden deutlich anders, und es ist von einer anderen, ja, in gewisser Weise anspruchsloseren Lebenshaltung durchformt. Schon das gestaltet das Verhältnis zu einem Haus als "Vermögen" hierzulande deutlich distanzierter und rational betonter.

Aber das Gesagte unterfüllt eine andere Aussage, die hier immer wieder zu finden war: Es GIBT keine irdische Sicherheit, sie ist nur Schein. Und sie ist gebunden an den Aufwand, sie sich selbst zu "geben". Alles Leben also hängt, betrachtet man es solcherart, an unserer momentanen Aktualität der Selbstwirklichung, und zwar weit realer und praktischer, als wir es wahrhaben wollen. Analog zur gesamten Schöpfung, allem Sein, das in der Aktualität Gottes steht. Die Technik hat uns vorgegaukelt, daß es anders sein könnte. Sie verlagert aber diesen Aufwand nur, bringt ihn meist nur aus unseren Augen. Das ist der Grundirrtum einer Gesellschaft die meint, durch ein Mehr an Technik endlich weniger Aufwand treiben zu müssen. Alles, was wir errichten wollen, muß ständig von uns selbst gehalten werden. Das ist in der Natur nicht anders, als in menschlichen Kulturen, die gesamte Schöpfung ist von derselben Struktur durchzogen. Sodaß selbst, wenn etwas wie "fortune", wie glückhaft aussieht, etwas wie "in den Schoß fällt", gilt: das Sein bilanziert immer ausgeglichen. Es verlangt immer seinen Blutzoll des Opfers, denn nur daraus erquillt es zur Welt, in der alles im Sein zusammenhängt. Was hier gegeben wird, wird dort genommen, in die Gestalt getrieben von der Kraft des Blutes.




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