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Sonntag, 14. Juli 2013

Man gönnt sich ja sonst nichts (2)

Teil 2) Eine Politik der Ästhetik folgt der Ästhetik der Politik




Weil aber dieser ganze Wirtschaftszweig in rein markttechnischer Hinsicht nicht überlebensfähig ist, also nicht vom vorhandenen Wirtschaftsgefüge auf- und angenommen wird, heißt das nichts anderes, als daß sich enorme Steuerlasten für die Zukunft daraus ergeben: Mit nur wenig Überspitzung wird sich Deutschland für die nächsten fünfzig Jahre einen Spielplatz der Elektrotechnik leisten, und leisten müssen. Nicht aus Energienotwendigkeit, sondern einfach "weil es ihm so gefällt", um eine schöne Szene aus Lawrence of Arabia zu bemühen. Auch Sonnenkönige haben Himmelsschlösser gebaut, weil es ihnen so gefiel, prinzipiell ist dieses Vorgehen also nicht neu. Ja, es hat sogar etwas prinzipiell Sympathisches: Zweckfreiheit ist die höchste Form allen Heiligen Spiels. Hier wird also Liturgie zelebriert, und wir sollten versuchen, dieser Liturgie rasch etwas Schönes abzugewinnen. Denn diese Art der Politik ist eine Entscheidung reiner Ästhetik!

Seht, wie sachte dieser Wagen gleitet, er sich dem sanften Auf und Ab der Autobahn einschmiegt, als würde die Fingerkuppe über den Venushügel der holden Berenice streichen! Seht, wie elegant sich die Räder des Windrads in der Sonne spiegeln und mit den Baumwipfeln flüsternde Gespräche der Liebe führen! Seht, wie kristallgleich die Solarpaneele am Dach funkeln, es gibt sie nun auch mit Diamanteinsätzen! 

Das kann man sich schon etwas kosten lassen. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Irgendwann wird man das dann freilich wieder einstellen, wenn die Folgen dieser politischen Entscheidung vom Rest der (marktorientierten) Wirtschaft verdaut und ausgeglichen wurden. Leider. Schnöde, banale Welt des Zwecks!*

Nun stelle man sich vor, um ein Bonmot aus einer Broschüre aus dem Bundesumweltamt aufzugreifen, nun stelle man sich vor welchen Gesichtsverlust die Politik, die Konzerne, die Ökologiebeflissenen und der ganze Stand der Gebrauchsakademiker erleidet, wenn dieses Bedrohungsszenario (sagen wir es vorsichtig) ÜBEREILT an die Wand gemalt wurde. Nun stelle man sich vor, mit welcher Vehemenz sich alle diese gegen eine Aufklärung dieses Irrtums zur Wehr setzen würden. Nun stelle man sich dazu vor, wie viele Menschen sich in dieses Bedrohungsszenario bereits eingefügt haben, davon leben, sich auf es eingerichtet haben. Da geht es tatsächlich und sehr ernsthaft um Millionen und Abermillionen von Existenzen, und um das Überleben vieler Politiker.

Wenn es "keinen Klimawandel" gibt, dann werden wir ihn also längst schon erschaffen müssen. Denn das Paradigma ist mittlerweile system- und überlebensnotwendig geworden.

Das deutsche Bundesumweltamt hat also in gewisser Weise recht: Die Diskussion ist abgeschlossen. Weil die Konsequenzen der darauf bezogenen Politik nicht mehr zu ignorieren und rückgängig zu machen sind.

Lustigerweise ist vielleicht gerade das die Chance, daß sich die Debatte darüber allmählich wieder versachlicht. Und das wird sie, weil die Folgen - als Leid - für Deutschland sehr real zu verspüren sein werden. Schon aus diesem Grund läßt sich eine Parallele zu gewissen Persönlichkeitsbildern herstellen: Das Verhalten gelangweilter Wohlstandskinder, die keine Schwierigkeiten zu beseitigen, sich zu erproben hatten, zeigt aus der Notwendigkeit zur Freiheit, die der Mensch nicht wegdrücken kann, die Neigung, sich Schwierigkeiten künstlich selbst zu schaffen. Und sei es, indem er sinnlose Hürden errichtet, sinnlose Gebilde baut, sinnlose Ziele schafft. Die politische Grüne läßt sich auf diese Weise exzellent verstehen. Eine nicht als gebraucht erfahrene, paradiesisch versorgte Generation wird IMMER "ästhetisch" und verspielt.

Und das weist als wunderschönes Gleichnis auf die Kirche, der societas perfecta, Urbild aller Utopien, als Land ohne Schuld und Sorge. Wenn die Pflanze reif ist, in ihrer Vollkraft steht, abstrahiert sie sich selbst in die pure und zweckfreie Schönheit der Blüte. Und aus dieser Zweckfreiheit heraus entsteht in der Zueinanderneigung die Einheit in der Idee des Schönen im, Spiel der Liebenden - das Neue.



Der Herr hat mich geschaffen im Anfang seiner Wege, vor seinen Werken in der Urzeit;
in frühester Zeit wurde ich gebildet, am Anfang, beim Ursprung der Erde.
Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren, als es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen.
Ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln wurde ich geboren.
Noch hatte er die Erde nicht gemacht und die Fluren und alle Schollen des Festlands.
Als er den Himmel baute, war ich dabei, als er den Erdkreis abmaß über den Wassern,
als er droben die Wolken befestigte und Quellen strömen ließ aus dem Urmeer,
als er dem Meer seine Satzung gab und die Wasser nicht seinen Befehl übertreten durften,
als er die Fundamente der Erde abmaß, da war ich als geliebtes Kind bei ihm. Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit.
Ich spielte auf seinem Erdenrund, und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein. 

(Sprüche 8,22-31)



*Zumal ein anderer Zweck, der der (schlagwörtlichen) Umwelt"freundlichkeit", ja ebenfalls weit verfehlt zu werden scheint. Und diese Nachricht aus jüngster Zeit paßt wie die Faust aufs Auge, scheint zu bestätigen, was hier immer wieder und wieder darzulegen versucht wird: daß die "nachhaltige Technik" im Gesamthaushalt auf "irrationale" Weise reagiert. Die in Wahrheit nicht irrational ist, sondern das Verhalten kritischer Systeme, zu denen technische Systeme ab einer bestimmten Komplexität werden, die im einzelnen sehr wohl nachvollziehbar und rational reagieren. Wie sich nun herausgestellt hat, ist das reale Verhalten gerade von Audi- und BMW-Fahrzeugen dergestalt, daß sich in ihrer Gesamtheit deutlich mehr CO2-Ausstoß ergibt, als rein rechnerisch sein dürfte. 

Und das gilt in vermutlich sogar verschärfter Weise für die Elektronik und die Steuerung technischer Prozesse mit Computervorgängen: JEDER technische Schritt, jedes Einschalten von Maschinen (auch: in Maschinen), erhöht den Gesamtverbrauch an Energie, egal welcher Art. Wir täuschen uns dabei deshalb so gerne, weil wir Menge der Energie aus sinnlichem Eindruck mit Größe in Verbindung bringen. Aber der Einsatz immer kleinerer, immer "perfekter" durch Computerabläufe gesteuerter Maschinen, erhöht den Gesamtverbrauch an Energie, der sich nur auf andere Bereiche verlagert. Gesamtvolkswirtschaftlich und mittlerweile global betrachtet, steigert sich also mit der eingesetzten Elektronik, die Teilprozesse ablaufoptimieren soll, der Energieverbrauch, vermutlich sogar progressiv-proportional. 

Man wird also den "Gesamtverbrauch" eines Systems niemals dadurch verringern können, indem man Technik HINZUFÜGT, was meist "Effizienzsteigerung" genannt wird, sondern indem man Technik HERAUSNIMMT. Nur so verlagert man auch die Auswirkungen der Technik, den Energieverbrauch, aus ihr wieder heraus. Was man irrtümlich (oder schalkhaft?, wer weiß) gerne als Verringerung ansieht. Um diesen übergreifenderen Blickwinkel zu verstehen, muß man freilich in der Lage sein, den technik-spezifischen Blickwinkel zu verlassen. Denn Innerhalb des Technikjargons (zum Begriff "Jargon" siehe: T. W. Adorno) wird man hier zu keiner Auflösung kommen, ein System hält einen in sich bzw. innerhalb seiner Prämissen gefangen. Der Sinn eines Systems läßt sich nur transzendent erfassen, niemals aus sich selbst heraus. Der sittliche Aspekt ergibt sich nur aus der Wahl der Sinnebene, nicht aus dem Systemimmanenten.

Verbrauch ist ja ein Umwandlungsprozeß, das wird auch oft vergessen, denn das Gesamtenergiepotential eines geschlossenen Systems ist immer konstant - und das ist jede Wesenheit, jede "Seinsheit", also auch die Erde, auch innerhalb des Kosmos: das bezieht sich auf die Art des Seins und damit Wirkens, die Bedeutungsebenen. Dabei ist ein "Umschichten" von Bewegungs- auf Wärmeenergie, um im Jargon zu bleiben, nicht möglich, betrachtet man das Gesamtsystem.) Aber auch das soll nur ergänzen, kehren wir zum Hauptstrang des Erzählten zurück. 





*140713*