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Sonntag, 21. Juli 2013

Von der Menge des Lebens (1)

Wie weit man denn die hierorts gemachte Aussage treiben solle, schreibt Leser G dem Verfasser dieser Zeilen: "Was hier genommen wird, wird dort genommen."

Weit, lieber G, weit. Denn das Spiel Gottes, das die Schöpfung ist, ist nicht auf den Schein gerichtet, sondern auf seine Bedeutung, auf den Sinn. Dieser Sinn ist es, den man als "energeia" Gottes betrachten könnte. Und er ist es, der die Dinge in einer gewissermaßen Harmonie hält, denn Gott ist immer derselbe. Aber er ist auch unendlich. Das ist mehr als ein Glaubenssatz, das dürfen wir auch als Ergebnis unseres Nachdenkens sehen.

Sodaß wir uns über Quanitäten oft gehörig täuschen, ja immer täuschen müssen. Ja, werter G, Sie haben recht, daß man sich fragen könnte, warum es heute 8 Milliarden Menschen gibt, während es vor 100 Jahren noch keine 2, vor 500 Jahren vielleicht 200 Millionen waren. Ist damit das Leben auf der Erde, die Vielfalt aus dem Einen "mehr" geworden?

Bei aller Vorsicht (!), die beim Thema Mensch und Leben angebracht ist, werter G, wagt der Verfasser eine Aussage. Indem er sagt, daß das Leben sich nicht in Mengen abführen läßt, sondern in der Intensität, in der Präsenz verankert liegt. Und diese Intensität ist eine Frucht - ja, richtig: des Blutes, des Opfers. Denn im Opfer erst wird die Liebe wirklich, und in ihr das Leben präsent. Beides ist nicht zu trennen.

Eine Welt also, die sich der Vermeidung des Opfers gewidmet hat und immer mehr widmet, findet ihr Gleichgewicht in einer Erhöhung der Quantität. Wenn es heißt, daß jedes menschliche Leben gleich viel wert ist, und das ist es, dann bezieht sich das auf die Potentialität zum Opfer, in dem sich die Schöpfung in Gott zurückbiegt. Auf dieses Denkergebnis kann man durchaus aus gewissen Linien kommen.

Wir leben nicht mehr, nicht mehr intensiv. Deshalb erhöht sich etwa auch das Lebensalter. Nicht aus "medizinischen" Gründen. Gleichzeitig erhöht sich der Stand der Sinnleere, den wir durch Scheinaktivität zu füllen versuchen, die Selbsttäuschung ist. In gewisser Hinsicht bleibt also die Lebensflamme aufs Ganze gesehen ... gleich? Weil sich die Erde - das zeigt sie in ihrer physikalischen Eigenschaft recht deutlich, und daraus dürfen wir durchaus Rückschlüsse auf Grundstrukturen ziehen - in einem Gleichgewicht der "energeia" befindet, bei aller Vorsicht, mit der unterschiedliche Erkenntnisgebiete, die unterschiedliche Ebenen und Methodiken und Erkenntnisarten liefern, aufeinander nur übertragen werden dürfen. Eine Rückprüfung kann nur durch die Frage nach der Widerspruchsfreiheit erfolgen, mit der sie sich auf erste Erkenntnisse fügen, und dann können sie immer noch keine Endgültigkeit beanspruchen.

Auch wenn sich das Leben nicht messen oder definitiv aussagen, zählen und wägen läßt, so spricht doch viel dafür wenn man sagt, daß die Gesamtheit des auf der Erde befindlichen, das heißt Gestalt suchenden und findenden Lebens immer gleich war. Der Volksmund kennt ja durchaus den Ausspruch, daß jemand intensiv - oder weniger intensiv lebt. Und bei manchem frühen Tod findet sich dies als Trost in den Traueranzeigen. Wie oft kann man hören, daß die Lebensflamme des einen heller brennt, als die des anderen. Und daß sie sich darin verzehrt. Der Mensch ahnt also durchaus Zusammenhänge, wo sich Intensität in Mengenverhältnissen wiederspiegelt.

Sie kennen gewiß auch die Begriffe "lebenssatt" - und "lebenshungrig". Und letzteres ist keine Sache der Quanität, sondern der Intensität, der Bewegungsmacht, mit der uns etwas erfaßt. Darf man sich nicht die Frage stellen, wo heute Menschen wären, die lebenssatt sind? Mangelt es nicht daran ein wenig? Klammern wir uns nicht deshalb so gerne an eine rein - quantitative - Verlängerung des Lebens? Und wollen nicht viele deshalb dann sogar aus dem leben scheiden, weil ihr bloßes längeres Dasein die "Lebensqualität" des Lebens nicht (mehr) hat, an der sie satt werden könnten?

Ohne der Frage nachzugehen, ob sie sich dieses Leben nicht selbst vorenthalten, in einem Zirkelschluß nämlich, wo exakt diese Haltung, das Leben hätte etwas mit Lieferdatum zu tun,  dieses Leben verhindert, als Verweigerung. Es gibt aber doch keine Gestalt, die Leben verhindern würde, die Gestalt birgt sogar das eigentliche Geheimnis, wie dieses Leben sich wirklicht - das gerade im Transzendieren des Faktischen liegt, denn dort liegt seine Quelle: das Blut! Das Leben ist kein konsumables Gut, es ist die Frucht einer Antwort, und dieser korrelativ, ohne unserer Handhabung zu unterliegen. Wir HABEN nur Leben, wenn und in dem Maß wie wir es vom Leben selbst erhalten, wir sind es nicht.

Teil 2 morgen) Und schleichen mit ihren Funzeln durch Fegefeuer



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