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Sonntag, 15. September 2013

Ein bisserl mehr Rousseau, wenn gestatten?

Was uns zunehmend als Alternative zum derzeitigen Bildungssystem aufgeschwatzt wird, ist nichts als der nächste Unsinn. Es käme auf die Begabungen an, und damit sich diese frei entfalten könnten, wäre es angebracht, alle Hindernisse aus dem WEg zu räumen, die ihrer Entfaltung im Wege stünden.

Nur: Genau das sind die Kriterien, AN DENEN sich Begabung entfalten kann, ja NUR daran kann sie sich entfalten.  Und damit sie sich entfalten kann, braucht es keine Nabelschau, kein Starren auf sich selbst, sondern die Selbstüberschreitung in der Hingabe an das GERADE BEGEGNENDE. In allen seinen Ambivalenzen und Ungerechtigkeiten und Gerechtheiten. So wird jeder Mensch in seinen Platz hinein geformt. 

Seine Erfüllung aber liegt nicht ein einem quasi-paradiesischen Zustand, wo jeder seinen Begabungen nachgeht, wie er sie eben erhalten hat. Solcherart GIBT es gar keine Begabungen, denn eine Begabung ohne konkrete Kulturgestalt, in die hinein ein Mensch geboren wurde, aus der heraus er seine Aufgabe erhält - und die in seiner Art erfüllt, worin sich seine Begabungen entfalten, denen er ohnehin nicht "entkommen" kann - wird der Mensch ins Nichts geworfen.

Also wird die derzeitige Bildungsdiskussion auf eine Weise geführt, die schaudern macht. Weil sie zuallererst eine anthropologische Diskussion erforderte. So aber ist sie nicht mehr als die Frage nach ein wenig mehr Rousseau'scher Ideologie. Eine Verlängerung genau des falschen Weges, den die Pädagogik ohnehin seit Jahrzehnten so konsequent geht, und GENAU DAMIT alles verspielt hat: Wenn man nun also die Menschen als Krüppel bezeichnet, der nach einer völligen Veränderung des Schul- und Ausbildungssystems verlangte (wenngleich auch der Verfasser dieser Meinung ist, aber aus ganz anderen Gründen, mit ganz anderen Konsequenzen: nämlich GEGEN den Rousseau'schen Unsinn), so sind das längst die Früchte dieser Invertiertheit, zu der heute jedes Kind erzogen wird.

Schöpferisches Wirken des Menschen kann nicht ohne konkrete und vorhandene Kultur gesehen werden. Nur in sie hinein, aus ihr heraus kann es sich überhaupt entfalten. Abstrakt, "für sich" gibt es kein "schöpferisches Tun", und gibt es keine Begabungen. Denn es geht um das Hineinwirklichen in die Welt. Und das ist eine Frage der sittlichen Haltung, die wir seit Jahrzehnten ausgedünnt und schließlich in ihr Gegenteil verkehrt haben. So gut wie alle Vorschläge, das Bildungssystem zu reformieren, wollen genau diesen Weg noch radikaler gehen. 

Und zeigen darin exakt jenen engstirnigen Monismus, der sich zum in sich selbst verkrallten Fanatismus auswächst, den diese Haltung selbst bewirkt. Die alle persönliche Verantwortung - das einzige, aus dem schöpferische Kraft erwachsen kann - auf eine Systemschuld umwälzt, die den Auftrag sich gegen alle Widerstände hindurch zu sich beauftragt zu sehen, zu einer Bringschuld der anderen macht, und damit genau jene Haltung gar nicht erst entstehen läßt, die eine Entfaltung der Begabungen erst ermöglichen würde.

Somit ist die derzeitige Diskussion um unser Bildungssystem sinnloses, ahnungs- und vor allem geistloses Geschwafel. Nicht mehr.




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