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Mittwoch, 4. September 2013

Wer alles weiß, will nichts mehr wissen

Es soll etwas angerissen werden, das aus der persönlichen Erfahrung des Verfassers dieser Zeilen heraus so vieles stützt und gar belegt, was an dieser Stelle ausgebreitet wird - und es geht um eine Erfahrung mit den nachfolgenden Generationen. 

Es soll nicht mehr als ein Anriß sein, die Probleme sind vielfältig und komplex. Nehme man das hier Vorgetragene als bloße ungeschiedene Beschwerde, die auf bloßen Phänomenen hängenbleibt. Es geht um die Unbelehrbarkeit, die heute den jungen Menschen eingepflanzt hat.

Als vermeintlich kritisches Bewußtsein - und wie marxistisch ist dieser Gedanke! - erzieht man die jungen Menschen heute dazu, sich ihre Lerninhalte selbst auszusuchen. Selbst zu wählen, was sie annehmen wollen, und was nicht. Deshalb wird Unterricht gerne auf "Nutzen" zugespitzt. Selbst das Wissen des Lehrenden, als viel Erfahreneren, daß die Nutzensaspekte eigentlich immer jene Dinge sind, die man binnen Minuten (wörtlich) an der Praxis lernt zu berücksichtigen, zählt da wenig. Die Unterrichteten wollen es messen, wollen selbst bewerten, ob das was sie da vorgetragen erhalten auch wollen oder "brauchen" (!).

Als der Verfasser dieser Zeilen gar nicht vielen Jahren angesprochen wurde, ob er nicht an einer Filmschule unterrichten wolle, sagte er zu. Er hat einen unverzeihlichen Faible für junge Menschen, und gar erst jedes werdende, jedes junge Leben entlockt ihm Verzückensschreie. Eine Schwäche, wenn man so mag.

Aber die Erfahrung hat gezeigt, daß diese jungen Menschen, mit denen der Verfasser es als Studenten zu tun hatte, unbelehrbar sind. Im übrigen auch aus einem eigentümlichen Zustand wirtschaftlicher "Unabhängigkeit", durch Staats- Vaters- oder sonstig zugeführte Gelder.

Alles, was man ihnen darbietet, ist für sie eine Auswahlschale, aus der sie sich herauspicken, was ihnen brauchbar scheint. Sie sind nicht in der Lage und nicht bereit, eine Gesamthaltung anzunehmen, als Anzug anzuziehen, den man dann schrittweise zurechtrückt, im Gleichklang mit einer Gestaltungsmacht, die nur aus dem Besitz des Vorhandenen kommt. Stattdessen kritisieren sie alles Vorgetragene. Und das auf einer - wie sollte es anders sein! - Ebene, die von Ahnungslosigkeit und Unreife bestimmt ist.

Deshalb hat er die Lehrtätigkeit bald wieder quittiert. In der Erkenntnis, daß nur eine Gesamtsituation, in der der Lehrende auch Autorität zugesprochen erhalten hat, als Lehrsituation überhaupt Sinn hat. Die derzeitige Situation an Schulen gleicht immer mehr jener, wo der Lehrende als Schiff ausgeliefert wird, das zur Plünderung nach Belieben freigeschrieben ist.

Und es hat ihn eigentümlich bitter gemacht, daß die Studenten es so ausdrücklich bedauerten. Denn es war wie das Bedauern, hohen Unterhaltungswert, den sein Unterricht angeblich hatte, nun vermissen zu müssen. Gelernt haben sie nichts.

Heutige Kinder, Schüler und Studenten wissen bereits alles. Sie wissen vor allem alles besser. Wozu sie noch unterrichten?

Wenn Lehren überhaupt Sinn hat dann nur in einer Situation, in der die zu Belehrenden bereit sind, das Vorgetragene zuerst einmal vorbehaltlos aufzunehmen, zu imitieren, vorgetragene Wege und vor allem vorgetragene Identitäten, Gesamtwesen nachzugehen. Um daran dann, später, aus der eigenen Lebenserfahrung heraus, nach und nach den einmal angemessenen, übernommenen Anzug zu erweitern, zu dehnen, neue Löcher zu schneiden.

Heute hat man es mit einer umgekehrten Situation zu tun. Schüler in jungen Jahren sind bereits unbelehrbar zu vorgeblichen Zentren der Welt erzogen. Mit logischen Konsequenzen. Studenten an Universitäten, vermeintlich reif gesprochen, fressen vorbehaltlos das Dargebotene, weil es mit aus ihrem banalen Bewußtsein definierten Nutzen - dem Versprechen auf Elite kraft "objektiver" Zeugniswirtschaft - verquickt ist.




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