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Dienstag, 12. November 2013

Kontiniuität ohne Zukunft

Kein Seiendes hat seine Zukunft bereits in sich. Alles was "ist" (als Welt) hat sein Sein nur in diesem einen Augenblick. Alles menschliche Planen und Wollen hat also nur Sinn in Hinblick auf zahllose Aspekte "unter der Voraussetzung von". Die Gegenwart HAT das Sein im nächsten Augenblick NICHT in sich, kann es nicht bewirken und mitteilen. Das in einem Augenblick entstehende Sein kann also nicht vom vorhergehenden Augenblick her entstehen, von ihm herkommen.

Kein Augenblick kann also von seinem vorhergehenden stammen! Kein zeitlich Seiendes, schreibt Heinrich Beck in "Der Gott der Weisen und Denker", kann aus sich bewirken, daß es im nächsten Augenblick noch ist; man existiert im nächsten Augenblick niemals einfach schon aus dem Grund, weil man jetzt existiert (hat). Man kann sich höchstens durch eine entsprechende Lebensweise für das Morgen oder überhaupt für ein langes Leben günstig disponieren, aber nie dieses selbst ins Überhauptsein heben.

Die Welt, so könnte man sagen, besteht also nicht kausal-linear, wo eines notwendig aus dem anderen folgt, sondern in einer Aufeinanderfolge unendlich kleiner und vieler Seinsakte - an ihrer Berührungsachse mit dem Unendlichen, nicht der Zeit unterworfenen. 

Jede Zukunftsvorhersage ist also bestenfalls eine Ableitung und damit Artikulation des Wahrscheinlichen, das sich unter gewissen Voraussetzungen und möglichster Wesenskenntnis der Faktoren so und so entwickeln könnte*. Alles Seiende kann nur innerhalb seiner Wesensgrenzen, seiner Möglichkeiten wirklich werden, aber es kann nicht bestimmen, OB etwas wirklich wird. Denn die Welt geht in jedem Augenblick neu aus dem zeitlosen Sein des Seins selbst - Gottes - hervor.

Dennoch treibt sich das Seiende aus sich selbst in gewisser Weise hervor - aber nur, insofern es das Überhaupt-sein und das Sosein empfängt und abbildet. So, wie ein Kind aus seinem Wesensbild heraus auf dieses zu heranwächst. So, wie ein Luftstrom in einem Kanal an dieser oder jener Stelle geformt wird, aber nur unter der Voraussetzung, daß überhaupt Luft strömt.

Oder - der Mensch als zur Freiheit begabt ist er selbst nur im Maß seiner Freiheit: denn erst im Ursachesein nimmt er an der absoluten Freiheit teil; wer aber nicht frei ist, ist keine Ursache, bestenfalls Grund - beim Maler, der dieses Bild rot oder grün malt, im Rahmen seiner schöpferischen Freiheit, unter der Voraussetzung, daß es zuvor Farben und Pinsel, die Leinwand, das Atelier und ihn überhaupt gibt.**

Das Selbstwirken der Dinge setzt also ein Mitwirken und -wollen Gottes voraus. Das Überhauptsein verdankt alles Gott, aber das So-Sein der historischen Bedingung (mit der Ergänzung, daß es nur "So-Sein" gibt, wenn es zuvor "Überhauptsein" hat.)




*Das eigentliche und schwerwiegende weil prinzipielle Problem der Wahrsagerei ist, daß sie durch ihre Aussagen in den Moment hineinwirkt, und damit genau das - weil als Disposition der Gegenwart - verändert, was vorherzusagen oder abzuleiten sie sich anschickt. Keine Prophetie sagt deshalb unveränderliche Zukunft vorher - sie verlängert nur die momentane Disposition, und stellt sie so vor seine letzte, absolute Konsequenz, die es möglicherweise aber genau in dem Moment abändert, in dem die Prophezeiung getroffen wird. Die Geschichte Jonas etwa zeigt das sehr illustrativ. Hierin liegt übrigens auch die prinzipielle Unterscheidung von Gottes Wirken - und der Magie.

**Hier ist vielleicht der Ort um über das Vorhandensein von "Bösem" zu sprechen. Das nicht aus Gott hervorgeht - was aus Gott hervorgeht ist das, worauf sich das Böse bezieht - das Messer des Mörders, der Leib des Opfers, das Dasein des Willens als bewegende Kraft. Gott spendet also nur das "gleichzeitige Sein" des bösen Menschen und ihrer Handlungen. Er bewirkt damit also zwar, daß das Böse überhaupt ist und sein kann, aber nicht, daß es böse ist. Die Bösheit des bösen Menschen liegt nicht in seinem Überhauptsein, sondern in seiner falschen Willensrichtung, die er selbst bewirkt hat. Der Umstand der bösen Tat ist ja nur möglich, weil er sich auf positives Sein bezieht, den der Mensch aber nicht in angemessener Weise aufnimmt. Die böse Tat ist also keine "positive Tat" die sich eben schlecht auswirkt, sondern der Charakter des Bösen ist die mangelhafte Verwendung des Seins, das zerstört wird. Böse zu sein ist also ein schwerer Seinsmangel am Menschen, ein Mangel an Seinsbejahung. - Im obigen Beispiel: Wenn man in einem Luftkanal die Luft absperrt, ist der Luftmangel keine Folge der Luftquelle, sondern meiner Handlung. Das Böse liegt nicht einmal in der Existenz der die Luft absperrenden Platte, sondern in ihrer Verwendung durch den freien Menschen. Darin, in diesem Seinsgehalt, liegt ja die verführerische, auch täuschende Kraft des Bösen: die Lüge lügt immer durch Wahrheiten.




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