Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 26. November 2013

Sinn geht Erfahrung voraus

Das zellulare Geschehen in einem Menschen, im Gehirn, ist kein einfacher physikalisch-chemischer Prozeß, sondern diese Prozesse selbst sind das Ergebnis persönlicher, personaler Vorgänge. Was immer sich in den Zellen, in den körperlichen Vorgängen, im Immunsystem, wo auch immer abspielt, wird komponiert von persönlichen Haltungen, von seelisch-geistigen Akten die sich zu Haltungen verfestigen (oder solche auflösen). Mit diesem Tenor beginnt dieses Video, dessen Link Leser R sandte. Wir sind ein Universum, das sich im Leib darstellt.

Selbst wenn man berücksichtigt, daß wir als Menschen pausenlos mit der Umwelt interagieren, so hängt es wesentlich davon ab, wie wir Informationen klassifizieren. Das bestimmt auch den physischen Niederschlag (etwa bei Synapsen im Gehirn). Diese Haltungen den sinnlichen Wahrnehmungen und Erlebnissen gegenüber werden zuallererst ... vermittelt: "was" ein Geschehen ist wird damit in immer komplexeren Vorgängen beurteilt. Es gibt keinen physischen Wertmechanismus, der aus sich heraus Haltungen generieren könnte. Es sind die Beziehungskoordinaten, die wir in geistigen Vorgängen den Dingen zuordnen. Diese Grundstrukturen, auf denen unser ganzes weiteres Rezipieren, im Älterwerden, aufbaut werden in der frühesten Kindheit gefestigt.

Mit zahlreichen Einschränkungen, die aus der physizistisch-mechanistischen Grundhaltung zahlreicher Wortmeldungen stammen, deren Ansatzebene nur weiter hinausgeschoben wird, ohne aber wirklich zum "Geist" zu gelangen, ist das Video in seiner hinweisenden Qualität aber durchaus anregend. Wenn auch die Tendenz abzulehnen ist, aus der Erkenntnis, daß es darum geht, Vertrauen in die Wirklichkeit zu gewinnen, abzuleiten, daß es darauf ankäme, eine quasi "innere Gestimmtheit der Seligkeit" aufzubauen, und das sei auch methodisch zu erreichen. Die "harmonische" Hintergrundmusik des Filmchens selbst (1:20 Stunden) wird damit zur Abscheulichkeit. Als käme es darauf an, nur die richtigen Manipulationsmethoden, auch in der Erziehung, zu finden. Das reduziert den Menschen erst recht zur Maschine. 

Den Menschen (oder: das Kind) also in einen "Modus" des Vertrauens" durch Verhaltenstraining zu bringen, geht genau an seiner wirklichen Verfaßtheit vorbei, und macht ihn zu einer bloßen "surviving-machine", die vor allem vermeiden muß, die tiefsten Fragen seiner Existenz zu stellen. Selbst Religion wird damit nur noch zum Tranquilizer, einer Art Überlebensstrategie.

Entscheidend wäre zu sehen, daß es die Geistigkeit des Menschen ist, die eine "Prädestination" überwindet, die Freiheit erst möglich und denkbar macht. Klammert man diesen Geist aus, bleibt freilich nur noch unfreier Mechanismus. Der Mensch geht auf Sinn, nicht (wie die Tierwelt) auf simples "surviving", und auch nicht auf "wellbeing", Wohlgefühl. Der Mensch konstituiert sich aus dem Wort.

Insofern muß Freiheit vom Heranwachsenden "gelernt" werden*. Muß auch gelernt werden, den Leib zu gebrauchen. Andernfalls sind wir den unbewußten, automatisierten, mechanisierten leiblichen Vorgängen (über Gewohnheiten) ausgeliefert, sonst bleibt dieses Verhalten irrational und Quelle von Angst. Die Haltung der Welt gegenüber bleibt so in einem in sich verklammerten "Schutzmodus", mit weitreichenden Auswirkungen, etwa auf das Immunsystem, das nicht mehr mit der Welt fertig wird.  Wird das Immunsystem auf zu niedrigem Aktivitätsniveau gehalten, etwa durch "Fernhalten", wird seine Fähigkeit, der Welt überhaupt zu begegnen, nicht überwältigt zu werden, immer geringer, der mögliche Aktionsradius in der Welt verengt sich. Über falsche Gewohnheiten, die eigentlich immer auf Teilmechanismen und -effekte abzielen (das Wesen der Neurose), kann der Leib sehr wohl zum kontraproduktiven Feind des eigenen Wollens aufgebaut werden.

Heilungsprozesse sind also mit Erkenntnisprozessen vergleichbar: Der Mensch abstrahiert das Fremdelement - der Höhepunkt des Heilungsprozesses ist die möglichste, ja man könnte sagen abstrahierte Reinform des Begegnenden - um es ihm gemäß, in der Erkenntnis, zu integrieren, und das heißt, diese (ursprünglich neue) Form zu aktivieren. Weil grundsätzlich gesehen uns die Welt nicht "Feind" ist, sondern alles was es gibt sich als "Form" in uns findet. Immunsystem und Erkenntniskraft als Kraft zurückzuführen sind also zwei Seiten derselben Medaille.

Durchaus brauchbar sind also einige Aussagen über den Menschen als harmonisches Gesamtsystem, als Metapher verstanden. Fehlt diese innere Gefestigtheit, wird er partiell von begegnender Welt überwältigt. Diese Überwältigung zu bewältigen, sie auf humane Ebene (!) zu heben und zu integrieren, ist Wesen und Aufgabe der Erkenntnis.

Der entscheidende Faktor ist also Wahrheit. Von diesem nur in ihr möglichen einen Punkt aus läßt sich die enorme Fülle an Information und Welt, mit der wir zu tun haben, ordnen und bewältigen, den Stress gewissermaßen aufzulösen. Wobei Dystress dort entsteht, wo das Begegnende nicht erkannt wird (auf simples Niveau gebrochen: man vom Unbekannten geängstigt wird), Stress selbst aber lediglich das höhere Aktivitätsniveau eines Bewältigungsprozesses selbst anzeigt. Nur von diesem Punkt aus also läßt sich Freiheit überhaupt leben. Aus der Einzelerfahrung selbst heraus, aus der Vielfalt der Welt heraus läßt sich Sinn aber nicht konstruieren. Es braucht die (abstraktive) Zusammenführung des Vielen ins Eine. Erst auf dieser Ebene kann man überhaupt von "vernünftiger Lebensweise" sprechen. 

Zu meinen, der Leib wäre einfach durch "bio" oder '"spirituelle Methoden" zu harmonisieren ist gefährlicher und erst recht uns verfehlender Quatsch. Wahrheit und Lebenskraft ist kein "skill". Und da, ab Minute 28 etwa, wird der Film teilweise zum lächerlichen Dreck, wo er relevant bleibt zum "alten Hut" und banal. 

Trotz pointierter Aussagen, wie: Haupttodesursache in den USA ist die medizinische, medikamentöse Behandlung selbst. Oder gewiß richtigen Feststellungen: daß die Medizin als "Verschreibungsmedizin" viel zu kurz greift, mehr Schaden anrichtet als positiv bewirkt. Ja noch weiter: alles medikamentöse Wirken ist ein einziger Placebo-Effekt. Weil es die Nebenwirkungen der Medikamente sind, die uns "einen physisch-sinnlich merkbaren Effekt spüren" lassen, sodaß wir umso fester an seine Wirksamkeit glauben. Damit wird schlicht unser Rezeptionsvermögen verändert. Und Medikamente überwältigen einfach oft interne, umfassende, ganzheitliche Harmonisierungsbewegungen, um kontrollierte Teilbedingungen zu erzielen. Was natürlich besonders für Psychopharmaka zutrifft, die langfristig das Rezeptionsvermögen dramatisch destabilisieren können.

Oder, daß wir ein "Glaubenssystem" aufgebaut haben, in dem wir meinen, "die Medizin wüßte" die Dinge generell besser (als wir selbst). Ohne Weisheit, die von einem allgemeinen Sinnstandpunkt ausgeht, ist auch der Arztberuf eine einzige Hybris und Verfehlung. Jeder Heilungsprozeß ist primär immer ein Prozeß der Öffnung des Herzens, drückt es einer aus. Heilung hat deshalb immer mit Vertrauen in die Welt zu tun. Versteht man diverse Aussage, die "Mitgefühl" (compassion) als essentiell beschreiben, unter diesem Aspekt der "Harmonisierung mit Vernunft", die der Welt geistig zugrundeliegt, ja vorausliegt, kann man sie akzeptieren. Das heißt aber gleichzeitig, daß der Mensch nicht durch "Konzentration auf sich selbst" geheilt oder heil wird, sondern durch das Gegenteil: Durch Selbsttranszendierung AUF DIE VERNUNFT HIN. Durch Wahrheit also. 

Es ist ein Irrtum zu meinen, Gene (DNA) würden selbst aktivierende Kraft besitzen. Das haben sie nicht, denkt man sich den Leib als puren Mechanismus, darin haben einige der Ausagen im Film recht. Sie sind nur Analogien zu geistigen Verfaßtheiten, Ausdruck, nicht Mechanik. Ja. Dennoch sind sie als Fleischwerdung des "ich" (im Selbst) auch Auslöser, haben auch Wirklichkeit und damit Wirkung. Wer sich also verändern will, kann das nicht durch Umlegen eines Schalters machen. Er muß sich in seinen Gewohnheiten ändern, und über seine vom Geist untrennbare leib-(geist)seelische Verfaßtheit als Ganzes. Das eine hat keinen Sinn ohne das andere.

In der Radikalität aber wird in dem Film nicht mehr verkündet als viel strapazierte und häufig genug manichäische (leibfeindliche) Paradiesesversprechen. Wir "hätten ein Paradies, wenn" ... Und das geht nicht nur an der Realität der Welt und des Lebens ganz einfach vorbei, provoziert lediglich nächste Totalitarismen. Die Welt wird nicht schlagartig besser, wenn nun alle "richtig denken" - wie es jemand in dem Film so schauderlich ausdrückt: "We have to learn to adjust cognitial programming".  Einer meint gar, es würde tatsächlich helfen, alle Menschen der Welt zum Psychologen zu schicken. Und natürlich mit den Kernworten, die uns so gut bekannt sind, den Fundamenten allen Totalitarismus: "Man muß nur ..."

Es führt zur Auflösung der Welt als reales und nur real mögliches GESCHICHTLICHES Kulturgefüge (mit real präsenter Vergangenheit), in aller Ambivalenz, und nur in einem solchen kann der Mensch zu sich selbst werden. Kultur aber geht dem Einzelnen VORAUS. Der Mensch wird in solchen mythologischen Gedankengebäuden in eine leiblose (weil kulturlose) "neutrale" Idealität überhöht, die seiner tatsächlichen Verfaßtheit - in der Geneigtheit zum Fehler, vor allem aber in seiner Hingewiesenheit auf das Konkrete, und das ist die umgebende Kultur - gar nicht entspricht.  Den "idealen Menschen" gibt es gar nicht, er ist buchstäblich "nichts".**

Der nächste Mythos also, der die reale Verfaßtheit des Menschen durch verantwortungslose Simplifizierung leugnet, indem er Geist auf "Gefühl", auf Physik drückt: "Physical healing grows up from emotional healing".*** Eine Reaktion auf das Unbehagen und Leiden an der Zeit, ein Gefühl also, gewiß, aber eben nicht mehr als eine nächste "Aussteigebewegung". Heiligkeit bedeutet eben nicht "irdische Perfektion". Im Gegenteil. Die einzige Grundhaltung, die dem Zueinander der Welt wirklich entspricht, ihr inneres Wesen, ist eben das Opfer, die Selbstüberschreitung auf den Sinn hin, nicht die Perfektion irdischen Weltgefüges. Gefühl hat nur dort Sinn, wo es auf Wahrheit aufbaut, aus ihr fließt. Gefühle "verändern" zu wollen ist ein Verbrechen am Selbst des Menschen, das auf Sinn zielt. Auf Geist.

Der Sinn des individuellen Lebens aber erschließt sich nicht aus dem Einzelnen selbst heraus. Man empfängt Sinn als Antwort und Aufruf, man trägt ihn nicht per se in sich. Ohne Sinnfrage also, ohne Meta-Physik also, hängt jede der Aussagen in diesem Film in der Luft. Sinn umgreift die Welt als Ganzes. Und dieses Ganze wiederum bedeutet auch nicht, "global" zu denken, also den Maßstab des Vereinzelten in größeren Umfang zu bringen****, sondern dieser Gesamtsinn steht zu allem Einzelnen "vertikal", er druchdringt alles Einzelne gewissermaßen von innen heraus. Aber auch Heilige sterben an Krebs.








*Man könnte diesen Reifungsprozeß in gewisser Weise so beschreiben, daß der Mensch lernen muß, sich von den bloßen reaktiven Prozessen zu lösen, um die Dinge der Welt auf ihre strenge (erste) Logik zurückzuführen. Diese Logik ist aber kein simples "wissenschaftliches Ergebnis", sondern baut auf der Grunderfahrung des "ich" mit der Welt auf - was als "Satz der Identität" der Dinge bezeichnet wird, als Satz des "Widerspruchs" (daß ein Ding nicht ein anderes sein kann", sowie auf dem Satz vom "hinreichenden Grund". Sie baut damit auf einer realen Grunderfahrung auf, nicht auf mathematischer "ratio". Reife in der Erkenntnis heißt also, diese Grunderfahrung je neu aufstehen zu lassen.

**Jesus Christus, der menschgewordene Gott, ist deshalb ohne Historizität, ohne konkrete geschichtliche Situation, in die hinein er Mensch wurde, undenkbar und sinnlos. Das ist der Grund, warum er heute meist auf die Ebene eines "Lehrers" herabgedrückt wird. Hier fehlt es an Grundverständnis der Welt, nicht am "Glauben".

***Übrigens ist der Verfasser dieser Zeilen der klaren Auffassung, daß diese Hysterie (die es nämlich ist), zu meinen, über "spirituelle Veränderung" wäre auch direkt die Welt zu verändern, Ausfluß einer tiefsitzenden geistigen Trägheit (Acedia) ist. Meist sogar noch durch besondere Aktivität kaschiert. Die meint, sich die Mühe des realen, einem zur Aufgabe gestellten historischen Lebens ersparen zu können. Sie ist damit selbst bereits Persönlichkeitsdefekt und -schwäche.

****Das ist der fundamentale Fehler der Katastrophentheorien der Gegenwart, wie etwa des "Klimawandels". Der keinesfalls "ganzheitlich" denkt, sondern extrem "vereinzelt", aber meint, durch Vergrößerung des quantitativen Umfangs das Ganze zu erreichen. Der Verfasser dieser Zeilen dachte sich das erst jüngst, als er im Flugzeug saß und die Erde unter ihm so "überschaubar" und "klein" erschien. Die Auswirkungen dieses verführerischen Kurzschlusses sind vermutlich weit dramatischer und an den meisten Irrtümern mitbeteiligt, als man meinen könnte, denn viele Menschen haben diese sinnliche Erfahrung bereits gemacht. Goethe wußte, warum er den Blick in ein Mikroskop oder ein Teleskop immer verweigerte: man verliert den Blick für das Ganze, das eben NICHT sinnlich als "Ganzes" erfaßbar weil geistig ist. Wahrscheinlich hätte er auch nie ein Flugzeug bestiegen. Im Größten wie im Kleinsten (Quantenphysik), das sich ja in seinen Grenzlagen wieder ineinander schiebt, wird Physis (und Physik) zur Frage der Erkenntnis, zur puren Metaphysik.




***