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Freitag, 20. Dezember 2013

Sucht nach Transparenz

Das Gespräch mit Manfred Schneider, Autor des Buches "Transparenztraum", das auf ZDF nachzusehen ist (30 min), ist nicht uninteressant, reißt aber die Dinge nur an.

Worauf Schneider, der die historischen Linien des Transparenzwunsches bis ins 15. Jhd. nachverfolgt, nicht eingeht ist der Zusammenhang zwischen dem Wunsch nach Transparenz und dem menschlichen Erkenntnisstreben als "Initiatoren, Katalysatoren des Schöpferischen", die (H. Andre!) als Bild wirksam werden. (Darüber bald noch mehr.) Damit wird auch Schneiders "Analyse" des Transparenzgedankens höchst mangelhaft und bleibt ohne eigentliche Ausdeutung bzw. Würdigung.

Tatsache bleibt sicher, daß die Gier nach Transparenz direkte Folge des Verlusts des Gesamtsinns der Welt ist. Damit verliert die Welt ihre Deutbarkeit, und weil diese aber (auf eine Weise und untrennbar) mit den (konkreten, fleischlichen) Dingen zusammenhängt, fällt der Betrachter, der die Forderung nach Transparenz erhebt, "über die aufgelöste Oberfläche der Ding ein ihre Bestandteile selbst hinein."

Aus dem Grundstreben nach "Transzendenz", die auf Bilder hinter allem geht, Bilder die das eigentlich Zeugende sind, wird "Transzendenz", der Blick fällt also in sich selbst hinein.

Der pure Wille zur Transparenz liefert damit keineswegs "Erkenntnis", schon gar nicht Aussagen über "richtig oder falsch", er bleibt leer, ja vergrößert die Leere der Deutung mit seiner Betätigung, weil ihm die Möglichkeit zur Sinnausdeutung fehlt, und dieser Mangel immer größer wird, je mehr "Details" auftreten. Die begegnenden "Dinge" (die in der Öffnung sichtbar werden) werden ziellos ausgewählt, denn sie bleiben immer fragmentarisch und ungeordnet.

Fehlt aber dem Betrachter die Verankerung im Sinn, wird die Welt als Welt der Gestalten in jedem Fall "bedrohlich". Der Wunsch nach Transparenz versucht also lediglich, das Begegnende selbst aufzulösen. Als Gestalt, der immer ein Geheimnis anhaftet, das sich dem menschlichen Begrifflichmachen entzieht, nur als Ganzes erfaßbar bleibt. Genau aber in diesem Geheimnis liegt das Wesen der Gestalten, der Dinge - weil nur Gestalten Beziehungen halten können. Sich so untereinander ihre "Wesensbilder" austauschen, um so schöpferisch werden zu können.

Abschließend aber noch ein guter Satz von Schneider. Als der Interviewer ihn fragt, was er von den Piraten halte, sagt Schneider: "Nichts." Sie würden nämlich meinen, daß die Welt und das Netz dasselbe wären. Aber die Welt ist viel mehr als das Netz.




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