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Dienstag, 25. März 2014

Geist im Fleisch

Die Kirche ist nicht zuerst "im Inneren" da, um dann nach außen zu werden, den Menschen in die vollkommene Ordnung des Seins hineinzunehmen, sondern sie ist zuerst außen - und formt von dort her das Fleisch in diese Ordnung hinein. Was J. A. Möhler in seiner "Symbolik" auf den Punkt bringt (und damit den wesentlichen Unterschied zwischen Protestantismus und Katholizismus aufzeigt, die sich diametral gegenüberstehen), ist in der Anthopologie gleichermaßen verankert. Denn es hat mit der Art menschlichen Erkennens zu tun. 

Denn der Mensch erkennt über das Außen, die Sinne, und das was mit dem Sein (und seiner Ordnung als Zueinandergefügtheit alles Seienden) übereinstimmen läßt, die Wahrheit, ist fleischlich. Deshalb ist auch die Gnade (in den Sakramenten) fleischlich - Fleisch geworden in Jesus Christus. Historisch, und konkret, formt sie das Äußere der Menschen der Wahrheit gemäß, und bereitet damit die Bereitschaft auf, über die (fleischlichgewordene) Wahrheit jenen Geist aufzunehmen, aus dem heraus das Sein selbst, als Geist, erkennbar wird. (Sodaß Gott nur aus Gottes Geist, der Gott ist, selbst erkennbar wird, im  Menschen: als Analogie, indirekt, nicht einfachhin direkt.) Des Menschen Geist schwebt damit gleichfalls nicht abstrakt über seiner leiblichen Präsenz, sondern beide sind ein Menschsein, und hängen in Polarität voneinander ab. (Das ist der kleine wahre Kern des empiristisch-materialistischen Menschenbildes, aber es ist die Reduktion auf einen Pol.)

Aus diesem Außen heraus bildet sich dann auch das von Wahrheit durchdrungene Bewußtsein, der gewissermaßen geistige Teil der Kirche, der sich darin der vollkommenen (geistigen) Idee in Gott annähert. Denn der Mensch erkennt aus "Ideomorphen", die die Substanz seines Erkennens sind - vereinfacht: Gedanken sind der geistige Ausdruck der Bewegungsenergie des Einzelnen, deren Geistigkeit hinwiederum zurückwirkt auf das, wonach sich Bewegung formt. Sodaß sich (der Verweis etwa auf die Arbeiten von Cassirer oder Voegelin sei hier gestattet) die fleischliche Wirklichkeit der Begegung der geschaffenen Dinge in seinem Grund als Wirklichkeit von Grundsymbolen (man denke etwa an das Dreieck, man denke an das Kreuz, jedes auf anderer Ebene) begreifen läßt, die aber nur in der konkreten historischen Gestalt Fleisch wird (nicht, wie vielfach versucht, reduziert sich also die fleischliche Welt auf Dreiecke oder direkte Symbolik, sondern die Idee ist nur als Grundstruktur, als Grundimpuls und Energiebezug gewissermaßen zu verstehen. Man betrachte, bitte, dieses Herunterbrechen auf Bilder lediglich als Verweis, in der Flucht in leibliche Bilder - eben, weil diese die Träger menschlichen Erkennens sind, doch im abstrakt Geistigen das konkret Bildliche übersteigen.)

Und diese Fleischlichkeit ist der Weg zur Wirklichung des Menschen selbst (die damit ohne Kult als göttlicher Stiftung in Gestalt, nicht subjektiver Willkür, undenkbar ist*). Niemand sagt, daß er sich verwirklicht habe, und meint damit nur das Innere, während sein Äußeres, seine fleischliche Präsenz, dem gar nicht entspricht. Vielmehr meint jeder, daß er sich dann verwirklicht habe, wenn seine leibliche Existenz auch den inneren Ordnungen entspricht. Und nur insofern ist es auch wahr, als die äußere, nur formalisierte Kirche alleine natürlich nicht genügt - weil, wie Möhler sehr schön schreibt, das Objektive durch die äußere Kirche subjektiv und wirklich ergriffen werden muß. Erst dann kann man von Kirche sprechen, und dann kann (und muß) man natürlich von der geistige Wirklichkeit der Kirche (als Gemeinschaft der Heiligen) sprechen (wie Luther es tat, worauf er es aber einseitig reduzierte.) Erst dann ist sie lebendige Gestalt.

Deshalb ist auch der Weg zur Teilhabe am Sein (dessen vollkommener Ausdruck zu sein Wesensbild der Kirche bedeutet) ein Weg der Sittlichkeit, in der die Wahrheit mehr und mehr Gestalt in und an einem annimmt. Ohnabhängig von der Tatsache, daß die leiblichen Repräsentanzen der Kirche dieses (geistige) Wesensbild stets selbst als Anspruch zu verwirklichen haben, um so die Menschen in diese vollkommene Gesellschaft hineinnehmen zu können. Möhler spricht von der Kirche in diesem Sinne als "Erziehungsanstalt".

Die Heiligkeit als Selbstanspruch darf nie erlöschen, nur aus ihr kann die Welt in die Erlösung hineingenommen werden. Denn nur dort, wo diese Heiligkeit real, Fleisch wird, ist auch Kirche fleischlich präsent. Und nur dort kann sie deshalb wirken. Wo der Mensch real falsch, böse lebt, in Seinsverfehlung und Irrtum lebt, ist auch Kirche nicht mehr präsent weil Fleisch.



*Religionsgeschichtlich (und -vergleichend) gibt es keinen Kult, egal welcher Religion, der nicht darum ringt, diese unbedingte Autorität weil (möglichst direkte) göttliche Herkunft zu wahren. Subjektivistische, nutzorientierte Veränderungen sind immer Zeichen des Verfalls als Verfall dieser Autorität als Quellpunkt der Heiligung. Mit der Verwillkürung des Kultes verdrängt unweigerlich ein andere Heiligkeitsbild das der wirklichen Gottanähnlichung, als Ursprung aller Religion und damit aller Selbstwirklichung des Menschen, deren Vollkommenheit mit Heiligkeit einhergeht. KULTur ist direkt abhängig vom religiösen KULT; sie trägt immer dessen Form als Quellpunkt ihrer Gestalt.



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