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Sonntag, 30. März 2014

Heilige Regierung der Väter

Man denkt heute viel zu kurz, Zwecke hinter allen Dingen zu sehen, man denkt falsch, Wirkungen mit Ursachen und Motiven zu verwechseln. Ein Denkfehler, der sich auch in den Wissenschaften dramatisch ausdrückt, darüber wird hier noch zu lesen sein.

Die Gründe, mit denen wir damit aber die Dinge in ihrem Daseinsrecht und -sinn verankern, greifen viel zu kurz. So geschieht es mit dem Recht und der Rechtsordnung eines sozialen Gebildes, eines Staates zumalen. Denn daß eine Rechtsordnung das Wohlergehen aller bedeutet, ist nicht der Zweck, sondern die Folge des Gehorsams den kosmischen Kreisläuften und Gesetzen gegenüber. Rechtsordnung drückt also kosmische Strukturen aus, und diese werden durch die Staatsspitze repräsentiert. Und das kann nur in personam geschenen - in der Person eines Königs. Den demokratisch gewählte Einrichtungen ja nur imitieren. Im Wesen hat sich nichts geändert. Jede Rechtsordnung gründet in der Religion. Es gibt keine Gerechtigkeit "aus sich heraus", es gibt keine Moral die aus den irdischen Gegebenheiten selbst erflösse. Sie sind immer göttlich verankert und nur von dort her legitimierbar.

Im König verkörpert sich die Achse der Welt, damit ihr Bestand. In der personalen Spitze eines Volkes begegnet sich kosmischer Kreislauf und menschliche Gesellschaft, werden anschaulich und gegenwärtig. Der König hat sich deshalb zu allen Zeiten persönlich verantwortlich zu fühlen, und auch so gefühlt, daß sein Volk diesen Gesetzen gemäß lebt. Tut es das nicht, so fällt es aus der Ordnung des Kosmos, und damit zerfällt es in seinem Bestand.

Deshalb gilt für den König auch nachweislich im uralten Recht der höchste moralische Anspruch. Noch im Mittelalter lebte das uralte indogermanische Rechtsgut, daß der König nur legitim ist, wenn er nach göttlichen Geboten lebt und regiert. Tut er das nicht, hat das Volk das Recht, ja die Pflicht, sich gegen ihn zu erheben. Gegen die Person - niemals gegen das Königtum selbst. Nur wenn der Segen Gottes auf ihm ruht, kann er das Volk dieser kosmischen Ordnung, und damit dem Gemeinwohl zuführen. Mißernten, Kriege, Unwetter, Krankheiten und Seuchen - sie waren stets als Folge der Sünde verstanden, in die sich ein Volk begeben hatte: Wer gegen die kosmische Ordnung verstößt, fällt auch aus ihr heraus, fällt ins Chaos.

Der König ist ein Symbol, in dem sich das kosmische Prinzip von Stirb und Werde darstellt. An dessen (!) heiligende, heilende, wohltuende Wirkung anzuschließen verlangt Gehorsam, Respekt. Sein Leben wird zum reinen sakralen Dienst, fern aller Alltäglichkeit, deren innerste Prinzipien er aber auf die Erde trägt und auf die Menschen überträgt. Wenn er stirbt, wenn er geopfert wird, wird er nicht selten zum Stern, eingegangen in die geistig-mystische Wirklichkeit, und von dort her weiterhin wirksam und da.

Daraus ergibt sich auch stets das Spannungsfeld zwischen Königtum und sakraler Stellung, die vielfach bis zur Vergöttlichung des Königs selbst ging, in manchen afrikanischen (aber auch asiatischen) Königtümern sogar noch bis heute. Nicht als usurpierter Anspruch eines Machtwahnsinnigen (so sehr es das in Spätzeiten eines Reichs oder einer Dynastie manchmal auch wurde), sondern aus der Logik der Ordnung heraus, in der alle leben wollten und in der alleine sie leben konnten, sollte nicht alles in Chaos zerfallen.

Daß die Welt selbst ein Opfer Gottes ist, das dieser sich selbst bringt, daß in der Hingabe (im rechten, im Heiligen Geist) erst der Grund des Lebens als schöpferischer, innergöttlich gar zeugender Akt geschieht -  ist tief katholische, wenn auch heute weithin vergessene, verdrängte Sicht, im übrigen.

Im König verschmilzt das Prinzip des Kosmos mit dem Irdischen. Urbild aller Autorität - Vater wie Sohn, und in der Vaterschaft, in der Sohneserfahrung Urbestandteil jeder menschlichen Erfahrung über die schöpferischen Prinzipien der Welt - und damit Urbild jeder Gestalt, aller Dinge überhaupt, die nur sind, weil sie von einem Zentrum ausgehen das sie im Wort zeugt, das ihnen Ordnung gibt - und Selbstsein heißt: nach der eigenen väterlichen Idee geordnet, von ihr regiert, ihr im Gehorsam ergeben sein. Was nicht von seinem innersten (ortslosen) Zentrum aus regiert wird, und damit in der Zeugung einen Ort erhält wie behält, zerfällt. Kirche und Reich sind damit Synonyme.

Das Ungeheure 1793, das auch die Bevölkerung Frankreichs (und Europas) weithin empfand, war nicht die Ermordung von Ludwig XVI., sondern die Ermordnung DES KÖNIGS. Denn es war (gerade in Frankreich, das über ein Jahrtausend lang eine quasireligiöse Beziehung zwischen Volk und König gepflegt und aufgebaut hatte) ein Sakrileg, dieses Heiligkeit von Volk und König anzurühren. Es brauchte noch viel Brutalität, um dieses Ahnen in den Menschen um die Heiligkeit des Herrschertums zu überrennen. Die spätere Stellung Napoleons - als Heiligen der Nation, der ihr härteste Opfer auferlegte - ist nur aus der schuldbewußten Reaktion darauf zu erklären. Und in den späteren Restaurationen des 19. Jhds. lebte der alte Königsbrauch wieder auf, daß der König auch (die Skrofeln, eine verbreitete Aussatzform) heilen könne.

Noch bis ins hohe Mittelalter hinein war aber auch die Stellung des Königs und Kaisers bei uns eine Frage der Sakramentalität. Bis ins 11. Jhd. hinein war der König auch Kleriker, wenn auch nicht Priester, und sein Amt, wie sich in den Krönungszeremonien bis dorthin ausdrückte, ein Quasi-Sakrament, das auch innerkirchliche Gewalten hatte.

Umgekehrt war, was dem König widerfuhr, auch für sein Volk maßgeblich. Darin gründet das Königsopfer, das sich in so vielen Kulturen zu allen Zeiten fand. Wo der König sich freiwillig für sein Volk opferte und sein Leben hingab. Nicht als schreukliche Mordstat der Zwecke!* Sondern weil alles Leben aus dem Tod erwächst, weil sich in dieser Totalhingabe die Gnade Gottes am vollkommensten wirklichen kann, war sein Opfertod Quell des Lebens seines Volkes.**





*Im germanischen Kult lebte das Selbstopfer noch bis ins Mittelalter. Es galt den Wikingern als besondere Auszeichnung, für solche Hingabe ausgewählt zu werden, und ein Stamm, der solche Helden hervorbrachte, war ausgezeichnet - gegenüber jenen Stämmen, die mangels Hingabeopfer ihre Fruchtbarkeit(en) verloren. Die dazu Bestimmten legten sich zu den entsprechenden Opferfesten auf einen der Altäre, und die Priester durchschritten die Reihen der sich Opfernden, und durchtrennten ihnen die Halsschlagader.

**Die Verquickung mit dem Sühneopfer, dem Sündenbock, ist religionsgeschichtlich eine späte Entwicklung, die in gewisser Hinsicht mit der (gleichfalls späten) magischen Phase der Religionen einsetzt. Noch später ist das Widerstandsrecht des Königs. Zweckdenken kommt überall sehr spät, und ist ein Lösen aus dem ursprünglich mystischen, ja kosmischen Darstellungsvollzug als Selbstzweck, ist je stärker es wird, immer eine Degenerationserscheinung. Man opferte ursprünglich nie "um zu" - sondern das Opfer war einfach Teil der kosmischen Rhythmen, unlösbarer Teil, so wie das Königtum. Es wurde in ihm der Rhythmus der Welt nach- und mitvollzogen, einerseits, anderseits dieser Rhythmus selbst ausgelöst: das Volk wurde in den kosmischen Rhythmus und damit in den Willen Gottes (der sich in der Ordnung ausdrückt) gestellt.




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