Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 2. März 2014

Oh doch, sie haben es gewußt

Nun könnte man fragen: Wenn sich also der Kulturbruch im 15./16. Jhd. bereits in solcher Schwere abspielte - hat es denn niemand gewußt oder wenigstens geahnt?

Oh welch Irrtum! Auf seiner Reise stößt der Verfasser dieser Zeilen zunehmend auf offenbar völlig vergessene Autoren und Werke, die genau aus dieser Zeit stammen, und mit einer Klarheit des Verstands und einer Umfassendheit des Wissens punktgenau auf das hinwiesen, was sich da vor aller Augen abspielte. 

Aber umsonst - der Umbruch, der in sich ein Akt der Zerstörung war, siegte! Und die darauffolgenden Entwicklungen, so vielfach rein persönlich motiviert, ließ ringsum alles ins Vergessen absinken, und stieß dorthin durch Verleumdung, was vor dem, was da aufstand, warnte, und es widerlegte.*

Noch einmal, und mit elementarer Wucht, sammelte sich dieser Geist zur Warnung, im 19. Jhd., um zu einem regelrechten Kulturkampf aufzustehen. Selbst Goethe muß man dazurechnen. Aber er wurde neuerlich von all jenen mit verschlossenen Augen hinweggefegt, die sich vom Blendwerk der Zivilisationsversprechen nicht mehr trennen wollten.

Seither brennt diese Funzel nur noch in wenigen, darunter in gar nicht geringem Anteil Künstler, die den Eckstein der Wahrheit im unruhigen Gewissen nicht auslöschen können. Denn ihr Handwerk verlangt seine Beachtung, und baut auf der ihnen zugesprochenen Gnade auf. Ihr Seelenprozeß verlangt es, mit Diktat, daß sie auf sie hören. Wo sie ihre Ohren verschließen, scheitern sie an sich, und wissen darum. Und ihr Werk wird zur lärmenden Flucht vor dieser Stimme.



*Ein kleines Beispiel: Die Grundsätzlichkeit des Konflikts um Galileo Galilei ist dem Menschen von heute nicht nur zunehmend völlig verschwiegen worden, sodaß dieser geistige Kampf in der heutigen Volksmeinung auf die plumpe Ebene der Frage von "Scheibe oder Kugel" (der Erde) reduziert wird (darum ist es gar nie in einer Form gegangen, als würde um die Kenntnisnahme von Tatsachen gestritten werden), sondern die philosophische, erkenntnistheoretische Problematik der von Galilei aufgeworfenen Fragen und Herangehensweisen an die Wissenschaft ist dem Menschen von heute gar nicht mehr verstehbar. Weil er in ein Glaubenssystem eingebunden ist, das ihm den Zugang zu diesen Fragen durch Glaubenssätze versperrt, von denen zu lassen ihm einen fundamentalen persönlichen Schritt abverlangte, vor dem er zurückschreckt, weil sie eine persönliche Entscheidung größter Tragweite - in der Identität - verlangte.




***