Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 11. März 2014

Wider die Neugierigen

Natürlich gilt auch auf geistigem Gebiet, und vor allem dort, was über die Natur des Zweifels und seine Folgen für eine Kultur an dieser Stelle bereits gesagt wurde. Namentlich bei einer Erscheinung, die mittlerweile sehr häufig anzutreffen ist - die Indifferenz in geistigen Haltungen und weltanschaulichen Fragen, das Fehlen jedweder Bindung als Fehlen jeder Eingliederung in ein organizistisches System.

Unter dem Deckmantel höherer Freiheit wird die entscheidende Freiheit des Menschen dabei schlicht vergessen, nämlich die, das Leben konstruktiv und schöpferisch zu gestalten.

So trifft man nicht selten auf Menschen, die viel und oft von Religion und Religiosität sprechen, aber nur eines nie können: sie definieren. Und die vor allem in keinem Belang ernsthafte Konsequenzen zu ziehen sich genötigt fühlen. Kult, Übungen findet man dann zwar vor, aber in so weitem Sinne gepflegt, daß man Zweifel haben muß, wieweit sie seine Notwendigkeit überhaupt begreifen. Von bloß rationalem "Einsehen" ist hier gar nicht die Rede.

Sie zeichnet sämtlich hohe "Neugierde" aus, besonders was alle Gebiete des Gehimnisvollen oder Okkulten anbelangt, das mit "mystisch" verbrämt wird. Mit der seltsam erscheinenden Bereitschaft, jederzeit ihr "Gesamtbild" (so es eines gäbe) umzustoßen. Solcherart, nicht wissend, was sie überhaupt wollen, wollen sie was ihnen zufällig als Wissen erscheint, um es im nächsten Moment wieder aufgeben zu wollen, um ein anders zu ergreifen. Denn sie gehen dem auf dem Leim, was sie als "Empirismus" als besonders opferbereite Wahrheitssuche bezeichnen, der in Wahrheit aber (weil er an der Natur des Menschen als auch geistigem Wesen vorbeigeht) die Auslieferung an das zufällig Bewegende bedeutet, weil sie sich des verbindlichen Urteils stets enthalten.

Diese Neugierde ist keine Suche nach Erkenntnis, so oft es mit dieser Suche gleichgesetzt wird, und im letzten von der Sehnsucht nach Wahrheit getragen ist, keine Frage, als gewissermaßen strukturelle Gegebenheit. Doch wird die Wahrheit eben nie ergriffen. Sie bleibt amorph, neblicht.

Und sie sind leicht zu durchschauen, viel leichter, als sie selbst meinen. Weshalb nicht wenig Energie dafür verwendet wird, sich unangreifbar zu halten - indem sie nichts ergreifen, "haben" sie alles. Darin fühlen sie sich, genau wie der pubertierende Jugendliche, dem Erwachsenen überlegen. Weil sie meinen, dadurch Fehler nicht zu machen, die sie am anderen (vielleicht sogar mit Recht) sehen. Wer nichts tut, sich nie festlegt, kann natürlich nie Fehler machen, das stimmt, zumindest für die positive Tat (für die Unterlassung hingegen schon nicht mehr, aber die kann es ja nur geben, wenn man sich festlegt, einem Ganzen verbindet, verbindlich entscheidet.) Deshalb besetzen sie meist auch viele Begriffe, Worte, verwenden sie um dem Gegenüber zu zeigen, daß es sinnlos ist, sie anzugreifen, weil ein Begriff fehlte. 

Sie gründen gerne neue Religionen, so wenig sich die jemals fassen lassen, und deshalb als "übergreifende" Religiosität bezeichnet werden, als "katholisch" im eigentlichsten Sinn, weil sie "alles enthalten", und in Wahrheit eben nichts enthalten. Gestützt von einem zugeschnittenen Wertesystem, dem allem voran scheinbare "Toleranz" steht. Kühlerfigur einer Haltung, die in Wahrheit simpler Narzißmus ist, Eitelkeit und daraus folgend Hochmut und Überlegenheitsgestus. In dem sie behaupten, alles geistig integriert zu haben, und in Wahrheit verschweigen, daß sie sich aus allen Teilströmungen (und Religionen) nur herausgepickt haben, was ihre Haltung stützt.

Indem sie behaupten, ihr Berufen auf "Empirizität" wäre eine ehrlichere Form von Wahrheitssuche, weil "wirklichkeitsorientierter", weil sie nicht erkennen wollen, daß die Wirklichkeit der Dinge und der Welt - geistig, logosförmig ist, deshalb die Empirie aus sich heraus nie Wahrheit, "Beweis" liefern kann, sondern nur eine geistige Wahrheit bestätigen oder widerlegen, oder auf sie verweisen kann, weil sie ihnen zugrundeliegt. Aber der Geistbegriff ist nicht der einzige Begriff, den sie zu klären verweigern. 

Wenn solche also dasitzen und auf die sinnlich faßbare Erscheinung von Engeln warten, die sie im Handumdrehen wieder als Geistwesen bezeichnen, soll sich der Leser dieser Zeilen nicht wundern. Ihr Selbsturteil, das so gut wie immer "hohe Intelligenz" lautet, baut auf der simplen Erfahrung der Täuschbarkeit der anderen auf, auf der Schlechtigkeit des Charakters. Wie er vor allem in einem Umfeld auswächst, das selbst bereits entwirklicht weil mit einer Schicht zweitwirklicher Logizität verhüllt ist, man denke nur an Muttersöhnchen. (Denen die "selbstbewußte Frau von heute" entspricht, deren "Selbstbewußtsein", auf der Basis derselben Entwirklichung, zweitwirkliche, rationalistische Konstruktion ist.)

Und wir haben es heute fast nur noch mit Muttersöhnchen zu tun, die die Welt als "ihnen mundgercht vorgekaut" erfahren haben, nicht als GEGENständlich, widerspenstig und apodiktisch. Die deshalb auch die Welt biegen wollen, Techniker im Grundgeist geworden, etwa um "sie" zu retten. Technisch deshalb auch ihr Zugang zum Geist, umgebrochen auf Moral und moralisierendes Verhalten. In derselben Bewegung, nur eine dialektische Gedankenstufe weiter, legen sie Hand an sich, züchten sich Eßstörungen wie Veganismus an, reißen selbst den appetitus naturalis aus seinem Boden.

Deshalb das Hochtreiben in "Erlebnisse", in "geistige Erfahrungen" (!), in Bewegendes - um sich wenigstens noch bewegen zu lassen, weil sie zu Gefühlen, gar zu Liebe nicht mehr fähig, innerlich erkaltet sind. Denn Liebe gibt es nur im Distinkten, nie im Indifferenten, weshalb das Muttersöhnchen auch die Mutter haßt, was ihn schreckt (wie alles Wahre, Konkrete), sodaß er diesen Mangle an Liebe durch Sentimentalität zu verbergen versucht, die eine "begründete Liebe"- in einem nachgestellten "Fühlen wie man fühlt wenn man liebt" vorschreibt.

Was alle diese jene dabei nämlich nicht wissen ist, weil es ihnen eben an der elementaren Denkarbeit fehlt, in welchem Ausmaß und bis zu welcher Weite sich die Begriffe aber durchdenken und in ihrer Logizität aufweisen bzw. klären lassen. In welchem Ausmaß sich aus Grundwahrheiten die Wahrheitsstrukturen selbst kleinster (oder größer) Teilphänomene zumindest prinzipiell durchschauen lassen, so schwierig oder gar unmöglich eine positive Fassung auch sein mag. Aber das ist eben der Weg zur Wahrheit, der nur im Einen endet, im Sein, im Logos, dem näherzukommen der Weg des Menschen ist, der er aber eben nie ist, an dem er also nur mehr oder weniger teilhaben kann. 

Der Skeptizismus, schon gar in seiner Ausgestaltung als Esoterik und Obskurantismus, ist ja nachgerade der Versuch, die Klarheit der Begriffe zu verweigern. Ihr Erkenntnisstreben ist nichts als ein Versuch, die Unredlichkeit und Unaufrichtigkeit ihres Charakters zu verschleiern, schizoid umzudeuten, was dem anderen in der Wahrnehmung so offen liegt, so der denn den Mut hat, sich zu seinem Wahrgenommenen zu bekennen.

Deshalb kann sich solch eine Charakterfärbung, und um die handelt es sich, auch nur in einer Zeit der allgemeinen Verunsicherung aufkommen und so breite Massen erfassen. In einer Zeit groß werden, wo die Selbstverständlichkeiten wegfallen, und der Einzelne gezwungen ist, sich die Welt geistig zu rekonstruieren. Womit der Großteil der Menschen - zumal in diesem Umfeld der ungeklärten Begriffe und mißbrauchten Worte wie heute - einfach überfordert ist. Entwurzelt, ihres sozialen Rückhalts durch Zerbrechen der Vertrauensbasis natürlichster und erster Umfelder (von der Familie beginnend) beraubt, werden sie so leichte Beute der Lügner und Täuscher. Die in Wahrheit Nihilisten sind, und die in Wahrheit der Wille zum Bösen treibt, weil sich ihnen in ihrer Indifferenz die Wahrheit und damit die Welt entzieht. Jeder (tragisch fehlgegangene) Hare-Krishna-Jünger ist noch aufrichtiger als sie. Sie sagen Religion - und meinen Selbstvergottung.





***