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Samstag, 29. März 2014

Zurücksinken ins Vorbewußte

Es wird kaum gesehen, schreibt Konrad Zucker in "Vom Wandel des Erlebens", daß die heutige Zeit sich auffallend an die vorbewußten Zeiten VOR dem Auftreten von Hochkulturen anähnelt. Denn das Entstehen von Kultur hat direkt mit der Verwirklichung, Verleiblichung göttlichen, kosmischen Anspruchs zu tun. Kultur ist Gestaltwerdung des anfänglich nur geahnten Numinosen, das in den Schritten über den Mythos erste Personifizierung des Göttlichen findet. Erst auf dieser Ebene beginnt der eigentliche Kulturprozeß. Eine Geisteshaltung wie der Skeptizismus, der das Dasein des Göttlichen vom subjektiven Bewußtsein abhängig macht, Gott also nur durch den Glauben Existenz hat, läßt das Göttliche ins Vorbewußte absinken. Historisch keineswegs neu, aber immer am Ende einer Kultur zu beobachten, wo das Mögliche nicht mehr wirklich wird, und in die Gestaltlosigkeit zurücksinkt.

Dasselbe gilt für den Synkretismus, der "alles" als gültig zu sein einzuschließen behauptet - und damit nichts weil keine verbindliche Gestalt hat. Auch hier kann man von Religion nicht mehr sprechen, weil das Wesentliche der Religion fehlt: ihre schöpferische, erlösende Qualität. Synkretismus ist in Wahrheit Nihilismus.

Im Mythos aber wird das Seelenbild einer Kultur zum Ausdruck, und damit zum schöpferischen Bewegungsbild, das Denken wie Handeln bestimmt weil trägt. Und es ist das Ahnen der Erlösererwartung, das im Kult seinen Ausdruck findet, und die Welt zu gestalten - was heißt: zu ordnen - aufruft wie ermächtigt. Denn das Schöpferische braucht den Mut der Gewalt, in der alleine die Dinge ins Nichts gestellt werden, und so Welt schaffen. Aber dazu braucht es das Wissen um die Wesensgesetze. Verflachen diese zu bloßen "Funktionen", die isolierte Teilaspekte eines Zueinander von Gestalten sind, geht das Wesentliche an den Dingen verloren, und die Welt wird zum Ort einer Ersatzmagie - der Technik, selbst in "geistigen" Dingen -, die aber das Ganze der Ordnung zwangsläufig verfehlt. 

Die Welt wird zu einer Welt ohne Geschichte, die in einem Abebben mehr und mehr erst nur noch erinnert wird, und schließlich entschwindet. Eine Entwicklung, die auch den Verstand umschließt, der seinen Anschluß an die ewigen, Ideen verliert, zum bloß technischen Werkzeug absteigt. Und zwar in dem Maß, in dem sie sich von den ewigen lebenspendenden Ideen losreißt, diese mangels Gestalt im Mythos, im Kult, ins Vorbewußte zurücksinken. (Eine Kultur, um es mit V. v. Weizsäcker zu sagen, verliert ihre gestalthafte Bewegungsdynamik in den Menschen.) Zwangsläufig sinkt der Mensch in die Masse, die sein Bewegen antreibt und trägt, das Numinose verliert seinen Namen.
Götterbildungen, und damit Kult, symbolisieren wo sie sich zu Persönlichkeiten verdichten, Teilbedeutungen des "Ganz Anderen", Teilbedeutungen auch des Kosmos, der selbst als Ganzes Schöpfung, aber doch nicht Schöpfer ist.



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