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Samstag, 23. August 2014

Die Aufgabe, Realitäten hinzubiegen (1)

Auch wenn es die FAZ als Schwächezeichen darstellt - die nunmehr publik gewordenen offiziellen Zahlen über Rußlands Wirtschaft sind keineswegs so am Boden, wie man es sich vorstellen würde, folgt man hiesigen Medien. Zwar ist das BIP im letzten Quartal nur um 0,8 % gewachsen, nach 1,1 % im Vorjahresvergleich, aber das ist nicht weniger als Frankreich, evtl. noch Spanien derzeit gelingt, von Irland, den Niederlanden, Italien, Finnland, Griechenland, Kroatien und gar Cypern (mit Rezession) aber nicht zu sprechen, deren Volkswirtschaften stagnieren. Was man auch für Österreich sagen muß, dessen ausgewiesene 0,2 % im 2. Quartal 2014 auch nicht gerade höchste Lebensfreude anzeigen.

Daran wird sich auch nicht viel ändern, wenn, wie nun passieren wird, bislang nicht berücksichtigte weil Wirtschaftsleistungen m. o. w. illegaler oder im Schatten liegender "Einkommen" manche Volkswirtschaften (wie die deutsche) einmalig um 2,6 % (nach Schätzungen) statistisch wachsen lassen wird - weil man Prostitution (ca. 13,5 Mrd. Euro), Drogenhandel und Zigarettenschmuggel und vor allem die Forschungsausgaben (die bisher als Kosten galten) in die Statistik einbeziehen wird. Erstmals wird man auch Waffenkäufe als Aktiva, als Investition betrachten. Bislang galten diese Ausgaben, die doch der Zerstörung dienten, als reine Ausgaben. Nun sind sie Sicherheitsinvestitionen. Den Schwarzmarkt generell hat man wie in Griechenland ohnehin bereits eingepreist. Der dort vor einigen Jahren das BIP um fast 10 % - statistisch - erhöht hat, was die Sanierung der Landesfinanzen gleich einmal gelungener aussehen ließ. Damit wird - statistisch - die Schuldenquote aber auch bei uns um 2,3 % sinken. Dieser Art, Erfolg zu haben, will man sich auch im Rest Europas nun stärker bedienen.* Sind wir nun auch dort, wo Keyserling die USA schon 1930 sah - bei einem enorm breiten Verlust der Vitalität? Wo aber Vitalität erlischt, ist Freiheit ihr erstes Opfer. Denn die gibt es nur als Vollzug (in Bindungen), nicht als von selbst zufallende Eigenschaft.

Vielleicht zerbricht sich also in Zukunft der Finanzminister den Kopf darüber, wie man den Kokainabsatz steigern könnte, um noch ein paar Milliardchen mehr Schulden möglich zu machen, weil das Haushaltsloch nicht und nicht zu schließen ist, und so nebenbei noch einige Kichersalven auf laafen Hausbällen auszulösen. Das riecht förmlich nach einem ICTT - International Cocain Trade Treaty. Während im Nebensaal über die Bewertung von militärischen Humanitätsaktionen im Irak gestritten wird. Dient nicht der Wiederaufbau von devastierten Siedlungsräumen ganz klar der Förderung des BIP?

Aber zurück zu Rußland. Der international ermittelte DAX der russischen Aktienwerte hat sich nämlich in den letzten fünf Jahren um 400 % erhöht, während der deutsche DAX gerade mal auf 190 % kam. Und im zweiten Quartal 2014, das bereits tief im Zeichen der Ukraine-Krise stand, sah es noch deutlicher aus: 3 % für Rußland, -5 % für Deutschland. Da haben wohl manche Investoren schon hellhörig vorhergesehen, wer sich aus welchen Märkten wegsanktionieren und wer sich welche neu aufschließen wird.

Denn Rußland war keineswegs naiv und untätig. Ja, man hat nun Entwicklungen befördert, die man als schlafende Hunde vielleicht lieber nicht geweckt hätte. So hat Rußland flugs dafür gesorgt, daß zukünftig mehr Rinderbraten aus Brasilien (dem weltweit größten Rindfleischexporteur) und Karotten aus Argentinien auf Wochenmärkten in Kazan oder Moskau (anstatt polnischer, österreichischer oder deutscher Ware) zu finden sein werden, wohin auch die Türkei flugs und unter tausenderlei Verbeugungen Gemüse anliefert. Brasilien jubelt überhaupt. Endlich kann es nicht nur Soja liefern, sondern hurtig seine fleischverarbeitende Industrie ausbauen. Schon im Juli stieg der Rindfleischexport von 29.000 auf 41.000 Tonnen, nur nach Rußland. Und auch die zu erwartenden 150.000 Tonnen Geflügel, jährlich, wollen für Tiefkühltruhen in Novosibirsk und Petersburg verarbeitet sein. Und Milch wird aus Argentinien kommen, weil sich Rußland damit kaum zur Hälfte selbst versorgen kann, sich auf Europa verlassen hat.

Dumm gelaufen für die EU, würde der VdZ sagen. Die sich nun, wie man liest, mehr auf den Export nach Ostasien konzentrieren möchte. Das hätte sie freilich längst können, zusätzlich, und - leichter. (Auch anstatt. Anstatt etwa die stark preisgestützte Ware nach Afrika zu verhökern, und die dort ansässige Lebensmittelproduktion in Schutt und Asche zu legen.) Stell Dir vor, es ist Sanktion, und die einzigen, die substantiell leiden - sind masochistische Sanktionierer.

Denn Rußland hat einen weiteren bedeutsamen Schritt gesetzt: Es hat mit China ein Währungsabkommen geschlossen, in dem beide Länder vereinbart haben, den Warenaustausch zunehmend über ihre Landeswährungen abzugleichen. Dazu gehören natürlich auch Energielieferungen. Erstmals wird also Erdöl auch in Rubel notieren, mit je eigenen Wechselparitäten, auch zu Euro, Forint, Yen und Dollar.

Und da wird's heikel. Denn seit fast 100 Jahren wird Öl weltweit nur in Dollar abgerechnet. Die USA kamen auf diese Weise zu einem gigantischen Zusatzkredit, denn jedes Land der Welt MUSZTE regelrecht Dollars kaufen, deren Gegenwert in Leistung und Ware die USA (noch) nicht erbringen mußte. Würde nun etwa Erdöl aber in Euro  - oder in Rubel und Renminbi oder Kaurimuscheln - abgerechnet, würden Dollars in die USA zurückfließen. Und dort gehörig im Bäuchlein des Währungslaufs rumoren. Also haben die USA bisher äußerst empfindlich reagiert, wenn sich so etwas abzeichnen hätte können. Manche munkeln sogar, daß die erste Irak-Intervention von entsprechenden Drohungen Husseins zumindest stark mit motiviert gewesen sein soll. Aber das ist sicher wieder nur eine dieser Verschwörungstheorien.

Doch hat sich etwa im Ölhandel einmal eine andere Währung etabliert, gibt es plötzlich weitere Bezugsgrößen, und damit neue wirtschaftliche, finanztechnische Möglichkeiten und Anreize. Dieser Schritt könnte also größte Auswirkungen haben, einen Umbruch einleiten, der die USA viel tiefer trifft, als man noch meinen könnte - in ihrem Selbstanspruch auf Weltordnungsmacht, der eng mit ihrer militärischen Kraft verbunden ist.




Nächsten Samstag Teil 2) Zusammenhänge mit Militärstrategien - Warum die USA ihre Wirtschaft viel mehr brauchen, als ihre Feinde




*Warum überhaupt Wachstum? Weil der status quo in einer (noch dazu weltweit verschränkten) Schulden- und Inflationswirtschaft, die dazu in höchstem Maß von Mathematik abhängt, in der also in Automatismen Kosten steigen und Risken finanztechnisch eine hohe Rolle spieolen, nicht anders erhalten werden kann. Statistisch, und real.

Aber es gibt noch ein anderes, und viel grundlegenderes, aber meist völlig vergessenes Argument für die Bedeutung von Wachstum - als Indikator. Menschliches Leben heißt, sich schöpferisch der Welt zuwenden. Das ist der eigentliche Grund, warum sich in einer Kultur ständig alles ändert und weiterentwickelt, WENN und SOWEIT sie noch lebendig ist. Wobei das mit technischen Erfindungen oder Entwicklungen nur indirekt, aber doch auch zu tun hat. Vitalität heißt, daß der Mensch seine Lebenskreise erweitert und erhöht. Insofern bringt eine vitale Kultur auch Wachstum. Das ist der Grund, warum die Bettler- und Mystizismusbewegungen ab dem 12. Jhd. als eine sehr reale Gefahr und Indikator für Fehlentwicklungen begriffen worden waren. Aus denen sich dann definitiv der Subjektivismus als Sprengbombe Europas entwickelt hat.





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