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Dienstag, 12. August 2014

Wo der Kaufmann zum Lumpen wird

Worin liegt das Unethische des Kapitalismus (schon gar, wo er mit "Markt von Freien" gleichgesetzt wird, das er nämlich nicht ist)? Es liegt darin, daß er davon ausgeht, daß jeder soviel herauszuholen vermag, wie er nur kann. Das heißt nichts anderes, als daß jeder ein Lump sein muß, der seinen Preis, seinen Lohn verhandelt. Weil er die Notlage des anderen abschätzen können muß, um so das maximal Mögliche zu erkennen.

Deshalb übrigens galt der Beruf des Kaufmanns, des Händlers, bis in die Renaissance als unehrenhaft, und als für einen Christen unwürdig. Denn ihn haben nur jene ergriffen, die sich dem ethischen Codex des Christentums nicht gefügt haben. Der verbietet, die Notlage eines anderen auszunützen. Darin gründet auch das berühmte Zinsverbot der katholischen Kirche, denn wer Geld braucht, war in Not, und daraus durfte man nicht Nutzen ziehen, der über eigenen Aufwand (das übrigens begründet gleichzeitig wiederum die Rechtfertigung von Zinsen) hinausging.

Die ersten Kaufleute (und Geldleiher) Europas waren deshalb Außenseiter, Fremde, nicht hier Zugehörige und zugehörig sein Wollende - Ausgestoßene, nicht Gebrauchte (etwa Kinder, die am elterlichen Hof nicht mehr gebraucht wurden, keinen Platz hatten), Menschen die auf Ehre und Stellung im Rahmen der europäischen Gesellschaft keinen Wert legten (wie ... die Juden).

Nachdem der expansive Islam vom 7. bis zum 10. Jahrhundert den natürlichen Wirtschaftsraum Mittelmeer zerschlagen hatte, wo jahrtausendelang sich alles aufeinander abgestimmt hatte, entstanden im 10./11. Jahrhundert die ersten Kaufleute, die genau diese (immer regionalen) Notlagen ausnützten. Und das waren vor allem die Juden, denen auch unter dem Islam noch Handelswege (etwa über Spanien) offenstanden, die Christen versperrt waren. So übrigens kam auch erstmals wieder Geld nach Europa (auf dem südlichen Weg; der nördliche war mehr und mehr der Weg der Vikinger, aus ihrem Byzanz- und Asienhandel, über die belgischen Häfen und Handelsplätze), das in diesen Jahrhunderten auf eine regional beschränkte Naturalbinnenwirtschaft mit Tauschhandel zurückgesunken war.

Hierin liegt das Problem einer Diskussion von Marktpreisen, soweit sie bloß von einer Vereinbarung aus Nachfrage und Angebot ausgehen (sollen). Hierin liegt vor allem nämlich das Problem einer seriösen Kalkulation, die ja die Basis bieten muß um zu ermitteln, was ein Ding kosten "muß", und zwar im Sinne einer fairen Abgleichung von Kosten, Aufwand und gerechtfertigtem, ja notwendigem Ertrag, den der Kunde zahlen muß, will ER nicht zum Ausnützenden einer Notlage (eines unter Verkaufsdruck stehenden Betriebes etwa) werden.*

Wo aber Kapitalismus zum "catch as catch can" degeneriert, wird er zum brutalen Raubsystem.




*Woran sich erkennen läßt, daß viele, ja die entscheidenden, und von staatlicher Autorität noch dazu geförderte Entwicklungen der letzten Jahrzehnte - auch zu Anfang des Kapitalismus in Europa waren es die Zentralmächte, die diese (unethischen) Entwicklungen begrüßten, weil sie die Einhebung von Steuern und Zöllen, und damit erst Machtausübung ermöglichten - prinzipiell abzulehnen sind. So manche "große, erfolgreiche Unternehmer" sind in Wahrheit Halunken, und sonst nichts. Das gehörte längst einmal gesagt, und dringendst öffentlich rekognosziert. Speziell auch dort, wo sich etwa Diskonter um regionale Leistungsgefüge nicht kümmern, und diese brutal aushebeln. Fast die gesamte "Wirtschaftspolitik" der letzten Jahrzehnte, die das ignoriert hat, war deshalb ein Verbrechen, und die Verantwortlichen gehörten längst und schärfstens zur Verantwortung gezogen. Zumal sich heute längst bewiesen hat, worauf diese "Wirtschaftsbereiche" abzielten: die nie auf Nachhaltigkeit ausgerichtet waren, pure Schmarotzer waren (die häufig noch rasch ihre Schäflein aufs Trockene brachten), und GAR NICHT aus sich heraus, das heißt in einer gesunden, natürlichen Wirtschaft (weil nicht "als" solche) ÜBERLEBENSFÄHIG sind.




*120814*