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Dienstag, 30. September 2014

Europa muß sich schaffen (1)

Man muß nicht lange suchen, um die eigentliche Ursache der Probleme, die die Ukraine als "Staat" hat, in der Zerschlagung der Habsburger-Monarchie im zentraleuropäischen Raum zu sehen. Es zeigt sich gerade heute, und wie oft eigentlich schon, der realpolitische Wert, den dieser den anderen europäischen Mächten gleichrangige Staat hatte. Und den er heute hätte. Es wäre zu einer derart zugeschärften Krise mit Rußland gar nie gekommen. Die Ukraine wird dabei nicht nur in zwei, es wird in mehr Teile zerfallen, das wagt der VdZ heute, am 30. August 2014, wo er diese Zeilen schreibt, zu prognostizieren, bzw. werden sich die Linien West-Ost anders ziehen, als man heute meint. Teile, die allesamt eines brauchen: Anschluß an größere Räume und Machtgebilde in Europa, weil sie ihre eigene Souveränität so gar nicht behaupten können, von Staat zu sprechen damit aber zur höflichen Farce wird.

In einer Art Zwischenstufe aber - der dann nur noch, wenn man schon will, eine EU übergeordnet wäre, die als Reichsidee aufgefaßt werden müßte, deshalb auch Rußland einbinden müßte - stünden sich in den EU-Gremien etwa gleichrangige Positionen gegenüber. Selbst eine Willensbildung wäre vereinfacht, an der eine in derartig viele Kleinstaaten aufgespaltene EU nicht nur krankt, sondern an der sie eigentlich zerschellt. Denn die EU vermag den eigentlichen europäischen Gedanken, als wiederum gleichstarker Player im globalen Konzert, nicht zu verwirklichen, ja tendiert genau deshalb dazu, sich auf die Seite der USA zu schlagen, was im Klartext heißt: dorthinein aufzugehen. (In der NATO ist das ja längst der Fall.)

Für diesen Teil Europas würde sich dann neben einer Donauraummonarchie (oder, meinetwegen, -republik) ein Raum Baltikum-Skandinavien-Polen, oder - immerhin ist Polen auf dem besten Weg zu einer europäischen Mittelmacht - nur Baltikum-Skandinavien, neben Polen. Vielleicht wäre das sogar ein Ausweg für Weißrußland, das sich in seiner Angewiesenheit an Rußland, folgt man den Einschätzungen von Peter Scholl-Latour, so gar nicht wohlfühlt. Aber dann stünde Rußland auch nicht mehr die NATO an der Grenze gegenüber, sondern ein etwa gleichrangiger Partner, den man nicht fürchten müßte, weil er sich nicht fürchtet, sodaß ein Neben- und Miteinander in ruhiger Vernunft möglich wird.

Hier wäre die Aufgabe der Außenpolitik der betroffenen "Nachfolgeländer", und das heißt: ganz Mitteleuropas, auf Jahre intensiv beschäftigt. Ein Prozeß würde in Gang kommen, der Herzen und Gehirne der Bevölkerungen ganz neu inspirieren und ihren Willen zur Lebensgestaltung neu entfachen würde. Und sei es durch Überzeugungsarbeit. Denn die meisten dieser Nachfolgestaaten haben genau das getan, was ihnen mit der Monarchie, die viele - kurzsichtig und falsch - selbst nicht mehr wollten: Sie mußten sich sofort einen Anschlußpartner suchen, einen größeren politischen Raum, in den sie eingehen konnten, weil ihr außenpolitisches Gewicht viel zu gering war. Ihre Souveränität - Hauptmerkmal eines Staates - also nicht gegeben bzw. zumindest permanent gefährdet war. Über deren Sinnhaftigkeit man sehr berechtigt streiten kann. Wenn etwa die Tschechen und Polen die USA suchten, oder die Ungarn die EU (was es wohl vielfach bereits bereut). Manche würden gewiß nach wie vor Abneigungen zeigen. Aber so erst entsteht ein Argumente- und Sinngebäude, an dem gearbeitet werden kann.

Darf man träumen? Darf man sich vorstellen, wie alle diese kleinen Länder ihre Spezialisierungen, die auch mit ihren begrenzten und spezifischen geographischen Räumen zu tun hat, in einem größeren Organismus - als Organe - nicht nur beibehalten, sondern zur wahren Stärke entwickeln könnten? Dann muß Ungarn nicht zwanghaft versuchen, ausländische Industrie ins Land zu holen, die Tschechei Lebensmittelachsen aufbauen, Österreich könnte endlich das einzige was es kann, verwalten, müßte nicht seine kleinstrukturierte Wirtschaft ersatzlos auflösen, Slowenien und Kroatien könnten die Seeanbindung bedeuten, die Westukraine (die eine Nähe zu Polen bzw. einem baltisch-polnisch-ukrainischen Gebilde aus historischen Gründen nicht akzeptieren wird) die Kornkammer sein, usw. usf. In einem Dreieck Alpen - Karpaten - Balkan.

Das hat auch die EU versprochen? Ja, aber es ist nicht eingetreten. Denn es gibt Adäquanzen auch und nicht zuletzt in der Größe. Das ist in der freien Natur nicht anders. Es ist auch ein Gesetz menschlicher Kultur, die sich im Staat ihre größte politische Gestalt gefunden hat, die freilich im überstaatlichen Rahmen der Reichsidee bedarf. (Was ist eine UN denn anderes als ein Reichstag?)

Man nehme nur Österreich, das mit dem EU-Beitritt alles, was seine Stärken waren, mit dem man auch die Menschen bei der Abstimmung lockte, ins Nichts aufgelöst bekam. Heute ist das Land so sehr wie noch nie ein lächerlicher Appendix deutscher Politik, und seine Souveränität ist bis zur Unerträglichkeit aufgelöst.




Morgen Teil 2) Wer keine Visionen hat, stirbt




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