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Montag, 8. Dezember 2014

Ganz zur Verfügung

Spätgotisches Friedhofskreuz Sopron/HU - Photo: Klausjürgen Bauer
Bei einem meiner Spaziergänge am Soproner Friedhof fielen mir die feinen Unterschiede bei Grabstätten von Klerikern und Nonnen auf.

Jede Pfarre hat ihr Sammelgrab, und wenn auch die eigentliche Gruft alle unterschiedslos vereint, so ist doch jeder Priester, jeder Pfarrer, auf einer Inschrift mit Name, Rang und Titeln vermerkt. Die größte Pfarre hat ihr Grab direkt zwischen den Treppen, die auf das kleine Plateau führen, auf dem ein spätgotisches, riesiges, in umfassender Symbolik aufgehendes Steinkreuz steht. Am Haupt des Friedhofs, in Sichtweite aller Gräber, blicken die Toten auf den Ort, von dem her ihr Trost, und ihre Auferstehung am Jüngsten Tag kommen wird. Auffällig dabei: Die Grabstätten für die Kleriker befinden sich rund um das Haupt des Friedhofes, das Kreuz. Sie sind die Spender der Gnaden, deshalb "alter Christus", sie repräsentieren ihn, ja sie sind sakramental er, und wirken in der Welt für die Welt. Deren am Heil immer wieder erneuerte Ordnung - und damit jede wirkliche Kultur - aus dem Sakrament selbst stammt.

Die Frauenorden kennen nur zum Teil Tafeln mit Namen, namentlich bei Lehrern, wie sich durch einige akademische Titel ausdrückt. Dabei bemerkenswert: nur bis etwa 1940, 1950 sind die Toten namentlich verzeichnet. Ab da sind sämtliche Nonnen - aller Soproner Frauenkongregationen - generell nur noch mit kleinen Kreuzen, oder gar nicht, bezeichnet, die auf den zum Teil großen, schweren Steinplatten angebracht sind, die ihre Leiber bedecken. Umgekehrt fiel mir auf diesen alten Tafeln auf, was immer so alltäglich war, daß es mir nie deutlich vor Augen stand: Jede Nonne ist eine Variation von Maria, ein Aspekt, dem sie sich besonders widmete, unter dem ihr Leben stand. Ein Variantenspiel, das sich zur ganzen Menschheit ausweitet, denn letztlich ist jeder Name, jeder Mensch, jede Person, ein Aspekt von Maria, und ihr Wesen, ihre Haltung ist das entscheidende Prinzip jedes Menschen, nicht nur der Frau.

Der durch Namensgebung - Form neigt sich in der Zeugung zur Materia ("mater") - zum Menschen in der Welt wird. Aber in ihrer jeweiligen Individualisierung unterscheiden sich eben die Geschlechter, und das drückt sich in den Grabstätten bemerkenswert aus. Während der Mann die Individualität stiftet, damit in der Welt, der sich zuzuwenden sein Auftrag ist, selbst individueller Mensch bleiben muß, bleibt die Frau allgemeine Verfügung. Die erst durch diese Ehe - im Falle der Nonnen: mit Jesus Christus, im Leben der Welt durch Verheiratung zu einem Mann - zu einer Besonderung im Namen wird. Im Zivilleben auf jene Form bezogen, die die weltliche Ordnung begründet und ausmacht, im nur Gott und direkt geweihten Leben aber unsichtbar. Außerhalb der Welt, dieser auch durch Verhüllung und weitgehender Abschließung im Kloster entzogen, in der einzigen Individualisierung als Braut Christi für die Neue Schöpfung.

Nur empfahender Schooß, in Jungfräulichkeit - VOR und außerhalb der weltlichen Ehe versiegelt - stehen Sie Gott zur Verfügung, sind ihm angetraut. Und doch, ja gerade damit: Frau in ihrer reinsten, vollkommensten Gestalt, nur dem Gehorsam eingeschrieben. Einfach nur da, einfach nur bereit, das Wort zu empfangen und auszutragen.




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