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Sonntag, 4. Januar 2015

Atome sind keine Dinge

"Atome sind keine Dinge. Bedeutung gewinnt ein Elementarteilchen immer nur in Verbindung mit dem Ganzen." Ein wunderschönes Portrait von Werner Heisenberg, dessen hinterlassene Bücher der VdZ nur empfehlen kann. Sie zeigen den Zusammenfluß von Physik, von Wissenschaft, mit Philosophie. Wie Eddington es ausdrückte: In ihren eigentlichen Fragen wird Physik zur Erkenntniskritik.

Dabei wäre Heisenberg bei seiner Promotion durchgefallen, kam nur durch Intervention eines Professors "gerade durch", der seine Genialität erkannte. Die Prüfungsinhalte haben ihn nämlich nicht interessiert. Vielmehr erkannte er, daß der Prozeß in einer mathematischen Operation das Ergebnis beeinflußt, daß in jeder mathematischen Operation Prozesse im Gange sind, die sich auf das Ergebnis auswirken: a mal b ergibt nicht dasselbe wie b mal a.

Was ein Teilchen unter Beobachtung macht hängt von der Beobachtung ab. Anstelle der Zahlen muß man den Prozeß nehmen. Das Urelement ist ein Prozeß! Natur hat keine statisch attestierbare physikalischen Eigenschaften. DieArt der Messung bestimmt bereits, was ich überhaupt beobachte. Das beobachtete System hatte die beobachteten Eigenschaften nicht bereits VOR der Beobachtung. Solange Atome nicht gemessen werden, existieren sie nur in einem gewissen Schwebezustand. Die Wirklichkeit ist ein Meer von Möglichkeiten, mit gewissen Wahrscheinlichkeiten der Realisierung. Sicherheit gibt es nur für das Tote.

Einstein wollte diese Folgerungen nicht nachvollziehen, auch wenn er Heisenberg nicht widerlegen konnte. Er wollte die "Realität außerhalb der Beobachtung" retten. Und gilt darin heute als widerlegt.

Man kann nicht gleichzeitig wissen, wo ein Teilchen ist, und wie schnell es unterwegs ist. Es gibt keine von uns getrennte Realität (wie es der Rationalismus voraussetzt.) "Der Weg aus dem natürlichen Leben heraus, in die abstrakte Erkenntnis hinein, kann zum Teufel führen."

Heisenberg, von den Nazis als "jüdischer Physiker" verunglimpft, bleibt in Deutschland, sieht die Verantwortung "vor der Haustüre". Es käme auf das Bilden von Inseln an, aus denen später wieder Gutes erwachsen könne. Auch in der dunkelsten Phase soll das Licht eines "Neuen Deutschland" nicht erlöschen.

Erst als seine Erkenntnisse die Spaltung eines Atoms mit unabsehbaren Kettenreaktionen postuliert, wird er interessant. Heisenberg (und andere) versuchten daraufhin, die Erkenntnisse zu verschleppen. Sie alle hofften, daß das Nazi-Regime VOR dem wissenschaftlichen Durchbruch zusammenbrechen würde. Denn Heisenberg war, anders als Bohr, bereits sicher, daß eine Atomzertrümmerung möglich wäre. Mit großer Erleichterung meldete er Speer, daß die Entwicklung viele Jahre dauern, und viele Milliarden verschlingen würde.

"Durch uns Menschen können Teilordnungen verwirklicht werden, die mit der zentralen Ordnung der Welt nicht zusammenpassen, und dadurch zum Chaos führen." Seine späte Forschung geht nach dem Urfeld. Alles Einzelne, meint Heisenberg, ist eine Differenzierung aus einem Ganzen. Er sucht nach der Weltformel, der alles Einzelne heraustreibenden Urkraft. Aber der Mainstream der Forschung verläßt seinen Weg, und geht auf das Einzelne.

"Die meisten haben geglaubt, daß die technsichen Konsequenzen der größte Nutzen aus der Atomphysik sei. Ich habe das immer anders gesehen: Für mich waren die philosophischen Konsequenzen von weit größerer Bedeutung."

Die Welt ist ein Gefüge von interaktiven Beziehungen. Teilchen - Wellen - werden erst sichtbar, lokalisierbar, wenn sie mit Begegnendem wechselwirken, darin Individualität entwickeln gleichermaßen wie zeigen. Die Frage nach der Individuation ist eine Frage der "Schwerpunktlegung". Erst daraus wird, sagt H. P. Duerr, ein "Ich" und ein "Du". Im Handeln wird aus einem Teilchen eine Welle.







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