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Freitag, 9. Januar 2015

Die Welt ist zuerst Spiel, nicht Zweck

Das Zweckdenken, das Denken, daß alles auf Erden einem Zweck diene und  nur deshalb überhaupt da sein, und wo es diesen Zweck verfehle, wieder vergehe, ist keineswegs ein inhaltliches Denken. Es ist ein DenkSTIL, es ist eine menschliche Haltung, die dem Denken noch vorausgeht und es präformiert. Damit aber schränkt sich jedes Forschen in einem ungeheuren Ausmaß ein, und wird der Fülle der Erscheinungen einfach nicht gerecht, ja, es blendet die Fülle der Erscheinungen sogar zunehmend aus. Man "sieht" immer weniger.

Das ist auch das Verwerfliche am Darwinismus. Zum Generalschlüssel erhoben, verhindert es sogar zu erkennen, was an den darwinistischen Gedanken durchaus brauchbar wäre. Denn natürlich gibt es  eine gewisse Selektion, natürlich wirkt auch Anpassung, und natürlich prägen auch Zwecke, aber jeweils nur in bestimmtem Rahmen, der aber nicht einmal entscheidend ist, um die Gestalt eines Lebewesens zu verstehen.

So bleibt auch kein Platz in diesem eingeschränkten Denken für ein Prinzip, das vielleicht als Sinnorientierung aller irdischen Gestalten, in jeweiliger Höhe der Stufe des Daseins, als entscheidend gesehen werden muß - das des freien Spiels, auf das alles Seiende hinweist, und in dem es sich letztlich im Menschen in voller Höhe präsentiert. Denn dort vermag er auch zu schaffen, erst dort ist die Freiheit erreicht, die in allen Wesen unterhalb seiner nicht möglich ist, weil dort noch alles lückenlos in ein Formengeflecht eingebunden ist, das in sich (bliebe es in sich, gäbe es den Menschen nicht) in die Erde eingeschlossen ist. Obwohl es auch dort den Zweck ständig überschreitet. Denn für Blumen oder Schmetterlinge, für Sexualmerkmale wie Hauserzähne, Geweih oder Spiegel, gibt es keine wirklich erhellende Zweckbestimmung. Auch nicht für rein gestalterischer Freude folgenden Organen, die zuweilen sogar dem Selbsterhaltungstrieb widersprechen.

Innerhalb der bloßen Mechanik des Denkens - denn Zweck kennzeichnet die Maschine, und selbst dort gibt es als Leitgedanken das Spiel der Form, ja wo die Form, das Gestaltungsspiel aussetzt, beginnt sogar das Reich des Nicht-Menschlichen - bleibt also für einen immer größeren Bereich der Welt als Welt der Erscheinungen nur noch die Flucht ins "irgendwann Erklärbare", in "black boxes". Dahinter aber steht nicht die Kraft der Vernunft, die wird nur behauptet. Weil reduziert auf eine bloße mechanistische Logik, die aber selbst die erfahrbare Wirklichkeit des Denkens überhaupt nicht mehr erfaßt, das beim Denken Erfahrene hingegen ab- und entwertet.

Aber auch das ist eine Haltung präformierenden Denkens, was sogar genau aus dieser Haltung zwangsläufig hervorgeht. (Pöltners "Evolutionäre Erkenntnistheorie" übrigens zeigt sehr schön diesen Zirkelschluß.) Und damit zerrönne Denken, Erkennen ins völlig Wesenlose, weil uns die Welt selbst niemals zugängig würde, wir bloßes Tier blieben. Wozu wir aber praktisch unsere gesamte reale Erfahrung, auf der wir doch überhaupt unser Selbstsein, unser Bewußtsein aufbauen, ausblenden müssen. Der Mensch würde damit zum zufällig treibenden Luftballon, dem alles in Sinnlosigkeit zerfiele. 

Warum er dann dennoch Sinn braucht, vermag diese Sicht schon nicht mehr zu erklären, bestenfalls zu behaupten, ohne es diskursiv argumentieren zu können. Denn dann fiele auch der Diskurs ins Wesenlose, und die Welt würde definitiv zur Hölle des Zufälligen und Sinnlosen, der nur noch mit Verzweiflung zu begegnen wäre. Denn auch die Logik bliebe nichts als leeres, sinnloses Gewäsch. So, wenn also das Denken bestenfalls noch den Zweck hat, sich im Dasein zu halten, kann ein Mensch nicht leben. Selbst die Wissenschaft - auf die er sich ja beruft - wird damit sinnlos, weil es keine Gewißheiten mehr gibt, und die ihm selbst als solche erscheinenden Gewißheiten zu zynischen Selbstaffektationen, zu Selbsttäuschungen werden.

Damit fallen aber alle Werte, alle Liebe, alles, was ihm selbst das Leben lebenswert macht (ohne daß er sich des Lebensdurstes erwehren könnte, der ihm auf seltsame Weise ein alles umfassendes Gut präsent hält: Leben, empirisches Leben). Dieses Denken führt unzweifelhaft und direkt in jene lebensfeindlichen Höllen, die die Menschheit zuweilen zu ertragen hat, weil sie ihr manche bereiten.

Wie anders aber eine Welt, die zuerst der Schönheit geweiht ist, was sich tief begründen läßt, verstehen läßt, wenn man es denn verstehen will. Die sich im Licht des Sinns aufschließt, und plötzlich dem Menschen eine Dimension zugängig macht, die das Leben und die Welt in ein ganz anders Licht stellen, und ein ganz anderes Verstehen eröffnet. Das aber genau das nicht macht, was heute so verbreitete Haltung ist: die Welt im Zweck, den man ja erst selbst als solchen bestimmen muß, ersticken zu lassen. Denn nicht wir bestimmen die Vernunft, wir bestimmen nur das Maß unserer Vernünftigkeit. 

Und das tut der Zweckdenker nicht weniger. Nur findet er den Weg des Selbst zur Vernunft nicht, weil er die alles Leben abtötende Sicherheit eines selbstgewählten Gefängnisses (und wenn er dieses Gefängnis auch frei wählt) der Freiheit des Schöpferischen, des Spiels, der Schönheit vorzieht, die sich aus dem Studium des Lebens selbst - als Wirklichkeit, in der wir (jener wie diese) vor allem stehen - ergibt. Er verweigert das Wasser, weil er nicht sehen will, daß der Durst nicht auf Unfreiheit, sondern auf die Bedingung für Freiheit und Freude abzielt. Denn der Mensch faßt das gesamte Universum in sich zusammen, als Zentrum und Krone aller Dimensionen. Aus einer - empirischen - Richtungskraft des (immer geheimnisvollen, einfach "da-seienden") Lebens selbst, das aus sich heraus, folgt man ihm, immer zu seiner Steigerung in das Schöne, Zweckfreie, aber Sinnvolle führt, niemals zu seiner Vernichtung.

Doch das zu erkennen vermag nicht der, der sich durch seine Haltung diesem Erkennen verschließt. Und sich dabei auf eine vorgebliche empirische Gewißheit beruft ... und dabei übersieht, daß er eine Vorentscheidung, gedanklich, verstandesmäßig, trifft, keinesfalls der Empirie folgt, auf die er sich beruft. Sodaß ihm seine Denkstruktur dieses Gefängnis bereits vorgibt, und die - empirische - Erfahrung und Gewißheit der Freiheit des Geistes, in der alles in einer ungeheuren Ordnung aufleuchtet, verhindert.




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