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Dienstag, 14. April 2015

Eins greift ins andere

Wenn Europa sich einerseits so vehement gegen die Islamisierung sträubt, sie anderseits zumindest zuläßt, wenn aber nicht fördert, so zeigen sich darin nur zwei (bzw. drei) Seiten derselben Medaille. Sieht man vom Katholizismus ab, der allerdings in seinen offiziellen Stellungnahmen (auch im Ökumenismus, aber auch das ist nur eine Seite einer anderen, vielleicht aber sogar derselben Medaille) drauf und dran ist, sein eigenes Unglück endgültig zu machen, steht Europa heute auf der Grundlage des Arianismus. Denn diese Häresie, die im 4. Jhd. drauf und dran war, den Katholizismus völlig zu verdrängen, ist im Rationalismus seit Descartes, endgültig seit dem 19. Jhd. zu neuer Blüte gelangt. Denn solche Vollzüge sind nur in Generationen, in Jahrhunderten zu denken.

Aber genau dieser Arianismus ist es auch, der in jenen Regionen herrschte, in denen sich zum einen der Islam - aus diesen christlichen Häresien heraus - entwickelt hat, in denen er zum anderen so rasch zur Ausbreitung kam.

Und das ist einer der Gründe, warum Hilaire Belloc schon vor über 80 Jahren die Prognose stellte, daß in 100 bis 150 Jahren Eurpa muslimisch sein werde. Denn der Arianismus hat psycho-soziale Nährlösungen, die der Gegenwart (80 Jahre später muß man sagen: noch viel deutlicher) aufs Haar gleichen. 

Was ist der Arinanismus überhaupt, der da in seiner ersten Form (spätere Formen sind nur Spielarten, gewissermaßen dialektische Reaktionen) also behauptete, daß Jesus Christus nicht wahrer Mensch UND wahrer Gott in Union war, sondern eine Schöpfung, wie jeder Mensch, und lediglich mit besonderem Auftrag (bzw. besonderer Begnadung) Gott repräsentierte. Diese Häresie hat enorme Auswirkungen. Die augenfälligste ist, daß Jesus Christus zum "Lehrer", zum "Propheten", zum "besonders guten Menschen" (in der Preisklasse von Gautama Siddharta, Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Albert Schweitzer oder Mutter Theresa), oder gar zum Mythos*, zum "Als ob" herabsinkt. Umfragen in Europa bestätigen, daß allerhöchstens noch 30 % der sich selbst als Christen bezeichnenden Europäer an Jesus Christus ALS Gott glauben. Exakt auf dieser Strecke liegt auch das Heidentum, als nächste Etappe. In Summe dürften es in Europa heute nicht einmal mehr 10 % sein, übrigens: auch unter den sogenannten Katholiken, die an Jesus Christus als wahren Mensch und Gott glauben.

Die weitere Folge ist aber die völlige Veränderung der Rolle und Stellung des Menschen, aller Menschen. Ihre Wert sinkt, wird zur weltimmanenten, letztlich nur noch pragmatistischen Materia, da hilft keine noch so "mächtige" Moral, kein "natürlich nicht". Das steckt in der Logik des Geistes.

Belloc zeigt nun, daß sich der Arianismus auf ähnliche soziologische Voraussetzungen stützt, wie sie heute vorzufinden sind. Er war eine Sichtweise der "Elite", der intellektuellen Schichten, die sich darin ihre Sonderstellung gegen ein zunehmend volksumgreifender werdendes Massenchristentum zu bewahren versuchten. Deshalb war er auch zutiefst die Religion des Militärs (und Rom war ein Militärstaat). Er baut auf der Rationalisierung des Mysteriums auf. Das auf eine bloß nominal verstandene Sprache reduziert wird. 

Es geht also im Denken, im Sprechen nicht mehr um das Dahinter, um das eigentlich Gemeinte, sondern um quasi nominelle Sprechinhalte. (Ersparen Sie dem VdZ hier die tiefgreifendere Darlegung, die wieder einmal jeden Rahmen sprengen würde.) Bewußtsein wird als Träger der Person weltimmanent, immentistisch und mathematistisch. Sprache wird also zur Technik, oder völlig irrational. 

(Im Irrtum liegen These und Gegenthese immer auf der selben persönlichen Ebene. Sopranaturalismus, der sich als Religion ausgibt - wie bei den Quäkern, den Pietisten, den Puritanern, den ... Muslimen etc. - und "atheistischer" Materialismus führen zum selben Ergebnis.)

Deshalb war der Arianismus auch die Haltung der Elite, der Intellektuellen. Und er wurde spätestens mit der konstantinischen Wende zu Anfang des 4. Jhds. zur Mode, zum Existenzfach gewissermaßen. Denn eine starke Zentralmacht geht immer einher mit einer direkten Volksmacht. (Daß das heute nicht so bekannt ist, wie es das sein sollte, liefert nur einen noch weiteren Beweis.) Damit nämlich besiegt eine Zentralmacht ihre unmittelbaren Konkurrenten um die Macht. Wir haben dies an dieser Stelle bereits in der Vergangenheit ausführlich diskutiert. Der Arianismus hat sich deshalb in erster Linie dort - und eigentlich: nur überall dort - entwickelt, wo in Separatismen eine Gegenbewegung gegen immer schwächeres Rom entstand. Und das war zuerst vor allem der Osten des Reiches, also Kleinasien, Arabien und Nordafrika. 

In dem Moment, wo sich die römische Zivilmacht auch im Westen auflöste, und überall dort auf der Grundlage der Machtübernahme durch römische Generale eigene Gebilde zu entstehen begannen, zog folgerichtig auch dort der Arianismus ein.** Das römische Militär war bis zuletzt mächtigster Hort des Arianismus. Und der Arianismus hat sich überall dort weiter entwickelt und gehalten, wo gegen die Hauptmasse - das "christianisierte Rom" - opponiert wurde, um als Nation selbständig zu werden.

Der Rationalist, der Arianist sieht sich als menschliche und intellektuelle Elite. Wer revoltiert, kann gar nicht andres als sich so zu sehen, sonst hat er ein fundamentales, allererstes weil Legitimitätsproblem. Er sieht sich dem tumben, einfachen Volk, der Masse überlegen. Und grenzt sich durch seinen Intellektualismus ab. Die "Bildung" heute erfüllt ganz exakt diese Funktion, und sie hat auch diese Absicht. Heutige Universitätsabgänger sind nicht (von Ausnahmen abgesehen) "gebildet", sondern rhetorisch mit der Überlegenheitsdiktion firm. Bildung ist ein Sittlichkeitsproblem, ein Identitätsproblem, damit eines der Religion***, keines der schulischen Indoktrination.

Das 20. Jhd. hat gezeigt, daß sich diese Selbsterhebung (die aus Seelenkenntnis absolut verständlich werden kann) in einer menschenverachtenden Ideologie, in der ein Teil sich als Elite, den Rest als bildbare, untermenschliche Masse sieht, wie selbstverständlich ergibt. 

Was, bitte schön, unterscheidet die Muslime davon? Was die (puritanischen) Amerikaner? Was den intellektuellen Europäer?






*So hat der "christlichsoziale" ehemalige Wissenschaftsminister Österreichs - Karlheinz Töchterle - einmal in einem Interview verlauten lassen, daß er sich nicht als Christ sehe, denn im Christentum begegneten ihm nur die schon von der Antike her bekannten Topoi, also mythologischen Archetypen. Kein Wunder, daß ein Intellektueller (Töchterle war zuvor Universitäts-Rektor) so denkt. S.o.

**Die Bekehrung des nordfränkischen Königs Chlodwig zum Katholizismus war eine der interessantesten Wendungen in der europäischen Geschichte - Chlodwig war aber ein Emporkömmling, ein Usurpator, der arianische Machtgebilde, Königreiche zerstörte, insofern bleibt alles innerhalb der hier angedeuteten Logik. Chlodwig war Heide gewesen.

***Nur von Gott her - und deshalb auch: von der Definition des Gottes -  ist der Mensch überhaupt verstehbar. Der Sinn, der logos, die Gerichtetheit des Menschen definiert, was ist weil bedeutet, was er in der Gegenwart ist.



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