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Samstag, 25. April 2015

Von der Notwendigkeit, den Papst zurechtzuweisen (1)

Nun hat also auch Robert Spaemann sehr deutliche Worte der Kritik an Papst Franziskus gefunden. Spaemann, der in seinem Leben als Philosoph (das ja keine Tätigkeit ist, wie man Schnitten verpackt, oder Doppelflanschen von 8 bis 16 Uhr überprüft, weil es eine Lebensweise ist, wie die Kunst, wie das Priestertum) zwar kein eigenes System entworfen hat, der aber wie kein anderer in den letzten Jahrzehnten den intellektuellen Diskurs im deutschsprachigen Raum geprägt und angeführt hat, und immer noch zu den meistgelesenen Philosophen gehört. Das hat ihm eine Stellung eingebracht, die ihn vor allem im katholischen Raum eine derart maßgebliche Stimme der Vernunft sein ließ und läßt, wie sie vielleicht nur noch vom Papst übertroffen wird. Vom gewesenen Papst. Dazu unten.

Die Punkte, die Spaemann an P. Franziskus kritisiert, decken sich völlig mit der an dieser Stelle ebenfalls immer wieder und bereits sehr früh vorgebrachten Kritik. Sind nur noch konkreter auf Vorgänge in der Kirche bezogen, wie es einem weit größeren Geist, als es der VdZ je sein wird und gar ist, auch ansteht. 

Nun sind zwei Dinge bemerkenswert. Denn zum einen wirft Spaemann dem Papst vor, nichts zu lesen, an Theologie kaum interessiert zu sein. Wie bitte, schrie da so mancher auf? Muß man nun lesen, um guter Papst zu sein? Genügt es nicht, einfach zu glauben, und charismatisch in der Kirche herumzufuhrwerken? Was erdreistet sich da dieser deutsche Philosoph? 

Und Ähnliches hat man ja auch vor ein paar Wochen erfahren können, als ein weiterer der Elite katholischer Intellektualität und Poesie, Martin Mosebach, im selben Sinn Kritik äußerte.

Was man mit Spaemann (und auch anderen, man kann sich sogar die Frage stellen, ob nicht überhaupt die "Sprachelite", die intellektuelle Elite des deutschen katholischen Raumes unisono spricht) nun oft macht, ist im Grunde das Gleiche, was man mit dem Papst macht. Den zu interpretieren sich auch jeder berufen fühlt.

Man anerkennt ihre mit vollem Recht zustehende Autorität nicht, sondern fühlt sich auf derselben Ebene, um sie bewerten zu können. Die einen, weil sie bereits so "gleichgemacht", in ihrer Persönlichkeitslandschaft so ausgelöscht sind, daß sie die Herkunft der Sprache, und damit des Denkens, und damit ihres Denkens, von der Autorität her nicht mehr anerkennen. (Somit sich die Frage gefallen lassen müssen, was das für ein Glaube ist, den sie - von den Inhalten ja nicht zu trennen, also nicht auf einen nebulosen "persönlichen Akt" begrenzbar (wie es der Protestantismus nämlich macht) - gar nicht empfangen haben, sondern selbst schaffen zu können meinen.

Wenn Spaemann auch vom Papst also fordert, man müsse lesen, dann ist damit gemeint, daß um überhaupt denken (und damit glauben) zu können das Ohr unentwegt am Puls der Sprache kleben muß. Diese Sprache täglich, stündlich, sekündlich am Leben zu halten, ist Aufgabe der Denker, der Dichter, der Philosophen, der Priester und Päpste. Sie sind es, die die Sprache entwickeln und aktuell - lebendig - halten. Und damit, damit werte Leser, das Denken. 

Wer damit argumentiert, daß auch die Kirche in ihren Anfängen keineswegs intellektuell einig gewesen sei, irrt ganz gefährlich! Denn nur WEIL sie das war, nur weil der Inhalt des Geglaubten allen gleich war, hat sie sich entfalten können. Auch in die Sprache hinein, wie es die Zeit jeweils forderte, als das Geglaubte auch formuliert werden mußte. Dieser Irrtum, der auch der gesamten "Erneuerungs-Charismatik" zugrunde liegt, einer protestantischen Bewegung sohin, richtet freilich schon geraume Zeit unermeßlichen Schaden an - in dem die "Charismatik" der Urkirche völlig mißverstanden und zur Nebulosität, zur Unbestimmtheit wie (sprachlich-denkerischen) Unbestimmbarkeit und Irrationalität umgedeutet wird. Das ist das Wesen von Sekten, aber nicht das der Kirche.

Denn Denken heißt, aus dem Numinosen zu schöpfen. Es heißt aber vor allem, es in die Form der Sprache zu gießen. Nur so kann Denken Wirklichkeit werden und sich entfalten. Das Wort wird Fleisch. Nicht jeder, der die Symbole und Zeichen der Sprache benutzt, der "redet" denkt aber. Sprache ist für jeden primär nämlich gegeben. Und damit auch das Denken, das über die Sprache einziehen kann. Sprache ist somit der "geistige Raum eines Volkes" wie Hugo von Hofmannsthal es einmal ausdrückte.

Weil aber Sprache nur lebendig bleibt wenn sie aus dem Numinosen heraus atmet, nur dann nämlich lebt sie (sonst stirbt sie; es gibt tote Sprachen), ist es von größter Wichtigkeit, daß die Philosophen, Denker und Päpste im Rhythmus dieser Sprache mitatmen. Sie müssen also ... lesen. Gute Bücher sind nicht gut, weil sie besonders verschnörkelte Wortkonstruktionen aufweisen, sondern weil in ihnen dieser Atem erfahrbar wird. Zwar noch weniger als im Gespräch (unter bzw. mit Philosophen, Denkern, Dichtern etc.) und bereits verändert, aber immer noch sehr weitgehend verfügbar. Bücher sind also zwar nicht alles, direktes Gespräch wäre viel mehr, aber man kann mit ihnen doch weit kommen und in den Geist, der hinter allem steht, der alles bewegt, eintauchen. Jesus ist nicht weniger als das "Buch des Lebens". Tolle - lege! heißt es in der Apokalypse. Kostet und seht, nehmt und lest. Etymologisch bedeutet lesen ernten, aufnehmen, einnehmen.

Deshalb braucht auch die Theologie ständiges Mitatmen mit der Literatur, mit der geschriebenen Sprache, in der sich die Denker und Künstler austauschen. Schon deshalb, weil unsere Sprache, und damit unser Denken, sich mithilfe des Buches entwickelt hat. Was wir heute sprechen und damit denken (können) ist gleichfalls nur noch verstehbar, wenn wir uns mit der Tradition vertraut machen, in der sie sich entwickelt hat. Nur so können wir "von Gott sprechen" (theo-logein), in diesem pulsierenden Rhythmus (im Heiligen Geist) aus Zurücksinken - Fleischwerden.

Wer nur im Zurücksinken verharrt, wer dies für das Einzige Nötige hält, wird zwangsläufig wirr in seinem Reden. Wer nur entspannt, verliert seine Gestaltungskraft. Und genau das ist am Papst ja feststellbar, der so offenkundig unreflektiert - also nicht in der Sprache geformt - daherplappert, daß er pausenlos Wirrnis anrichtet. Das Chaos, von dem Spaemann auch spricht. Die Planlosigkeit, die sich in allem zeigt und eifrigstes Geplaudere über "Reform" zur bloßen nebulosen Chimäre verkommen läßt.

Ein Volk (und wie erst die Kirche) hat die Pflicht, auf ihre Sprachquellen zu hören - auf seine Künstler, auf seine Philosophen, auf seine Priester und auf seine Könige. Wenn es das nicht tut, verliert es seine schöpferische Kraft in der Welt. Es mag sich dann zwar noch "wohlfühlen", so wie sich ein verwirrter Drogenberauschter wohlfühlt, aber es vermag nicht mehr Mensch (der sich selbst besitzt, in der Zeit) zu werden und wird ins Nichts fallen. Während eben diese Künstler, Dichter, Philosophen und Priester und Könige die Pflicht haben, ihre Sprache "zu quälen", zu läutern. Denn sie gibt dem Volk das vor, was es zu denken und damit zu wirklichen vermag. 

Ein Papst, der diese Pflicht im umgekehrten Sinn also aber nicht erfüllt, muß zurechtgewiesen werden. Und auch das ist in der Kirchengeschichte zuweilen vorgekommen. Wer nämlich nicht denkt, wer nicht liest, wer seine Sprache nicht foltert um das Aussagbare überhaupt erst zu finden, der verdient nicht Argumente - er braucht Zurechtweisung. Die gesamte Unfehlbarkeit des Papstes hängt nämlich genau daran: Daran, daß er den Logos selbst repräsentiert. Denn der Gläubige, der das Papstamt anerkennt, anerkennt es DESWEGEN. Und sein Glaube (s. u. a. Newman!) ist der Glaube an diesen Logos, an das depositum fidei, dem auch der Papst verpflichtet, das zu vertreten er in besonderer Weise berufen ist. Nicht der an eine Person, die am Papstthron Tango tanzt und die von ihm nicht zu trennende Amtswürde wie eine Holzente mit rotem Schnabel am Bändchen hinterherlaufen läßt. Ach ja, die ist ja auch noch da ...

Morgen Teil 2) Dann schickt Gott eben Propheten


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