Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 31. Mai 2015

Von Liebe versteht er schon gar nichts (1a)

"Es gehört sich, daß eine vertrauliche Mahnung der öffentlichen Anzeige des Fehlenden voraufgeht,
dort, wo die Sünden verborgen sind und nicht gegen das Gemeingut gehen;
(auch zur Schonung des guten Rufs, obzwar das Gewissen höhersteht.
Dann, weil EIN 'Verrufener auch die anderen in Verruf bringt);
wo aber die Sünden öffentlich sind oder die verborgenen gegen das Gemeinwohl begangen wurden,
ist nicht immer nötig, daß eine vertrauliche Warnung (secreta admonitione) voraufgeht,
sondern ist zuweilen mit Utnerlassung der geheimen Vermahnung zur Anzeige zu schreiten."


Thomas v. Aquin, Summa theologica III, q. 33

"Die an sich sittlich schlechte Traurigkeit ist über das vorhanden,
was anscheinend bös und in Wahrheit gut ist:
gerade wie im Gegenteil es die sittlich schlechte Freuung über das gibt, was im Anschein gut und in Wahrheit bös ist. Da nun das geistige Gut wahrhaft gut ist, so ist die Traurigkeit, die über ein geistiges Gut vorhanden ist, an sich sittlich schlecht.
Aber die Traurigkeit, die es über das wahrhaft Böse gibt,
 ist der Wirkung nach sittlich schlecht,
wenn sie den Menshen dergestalt beschwert,
daß sie ihn gänzlich vom Guten Werke wegzieht."
 
Thomas v. Aquin, Summa theologica III, q. 35

Dort aber erst hat es begonnen, das Menschsein,
es ist mir durch die Gedärm gefahren wie ein Blitz,
und das erste Mal hab ich ihm in die Augen geschaut,
dem Herren Jesu - wo ich mich zum Urteilen erhoben hab,
weil einen erst das zum Ebenbild Gottes macht,
und fahrenlassen hab diese Sucherei nach Sicherheit und Trost
im trockenen Geflecht sturer Wort;
itzo war ich das erst mal Mensch,
wo ich mich ausgliefert hab ihm selber -
und es erst itzo können hab,
weil ich erst itzo ein Ich gwesen bin,
nur aus ihm sölba -
wo ich gschrieen hab bis in die Nacht
weil ich g'wusst hab daß ich ihn brauch, wie noch nie -
erbarm Dich meiner!
Und am nächsten Tag in der Frauh,
da hab ich's Schwert zogen.

Antonio della Caraffa, "Aus meim Lebn", sent. 87
 
Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und denen, die mir den Bart ausrissen, meine Wangen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel. Doch Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden.
Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, dass ich nicht in Schande gerate. Er, der mich freispricht, ist nahe. Wer wagt es, mit mir zu streiten? Lasst uns zusammen vortreten! Wer ist mein Gegner im Rechtsstreit? Er trete zu mir heran. Seht her, Gott, der Herr, wird mir helfen.
 
Aus der Karfreitagslesung, Jes. 50, 5-9a



Es gibt sie nicht, "die Liebe", so wie es ein Ding gibt, den Bodennagel oder die Tischvase oder das Musterpicket. Sie wirkt wie der Essig einer in Essig eingelegten Gurke, die diese Gurke Gurke sein läßt, aber noch mehr sogar Aroma betont, obwohl sie von Essig durchtränkt ist. Und damit stirbt auch die Nagelprobe zu den gemachten Behauptungen - das, was man unter dem schwachsinnigen Stichwort von der "globalisierten Liebe" den Menschen seit langem um die Ohren drischt. Womit wir nämlich wieder bei diesen selbst wiederlegenden Papstworten sind.

Es gibt keinen Liebesakt, den man als solche isolieren könnte, und der von einer konkreten Tat abzulösen wäre. Diese konkrete Tat aber muß wahr sein, erst dann ist sie überhaupt von Liebe möglich zu durchtränken. Sie ist nicht abstrahierbar, vom konkreten Lebensvollzug abzutrennen, oder auf Indianerstämme in Brasilien oder Arme in Slums von São Paulo, und auch nicht auf Flüchtlinge im Mittelmeer zu übertragen. Das wird auch nicht anders, wenn ich hinfahre, um einen persönlichen Eindruck zu gewinnen. Ihre Wahrheit erschließt sich aus dem personalen Gegenüber, das nie anders möglich ist als ein Beziehung-Sein im Rahmen einer sachlichen, durch eines Stellung und Position - Verortung - definierte Beziehungsgestalt, die Geber wie Empfänger einbezieht, auf die hin sich beide transzendieren, und damit ihren Platz einnehmen, so, wie er sich aus der Sachlichkeit erschließt, und in der Kultur zur Gestalt kommt. Und nur dort, in diesem persönlichen Akt, liegt auch der Ort des Einbruchs der Gnade, der zeitlosen vertikalen Dimension, die alles durchdringt - oder nicht. Wir haben nicht "die Welt" (und auch nicht "die Kirche") zu retten, sondern unsere Heiligung zu erwirken. In jener Welt, die uns jeden Moment so eng umgibt, wie den Fisch das Wasser.

Ein kulturloses Abschmuddeln irgendwelcher Kinder hat deshalb nichts von Liebe, sondern von Niedrigkeit und Nichtung. Und wenn es der Papst noch tausendmal macht. Der hat nicht abzuschmuddeln, der hat Papst zu sein - höchste Autorität der Gnadenvermittlung, Schlüssel zur Quelle der Gnade, von der alles ausgeht. Der man nicht mit primitiven Jubelrufen und barbarischem Applaus begegnet, oder der man seine Hand entgegenreckt, damit sie der Mann betatsche. Deshalb ist dieser Papst ein regelrechter Vernichter von Autorität, der Schaden ist gar nicht mehr gutzumachen.

Und ein Lügner ist er obendrein. Denn was er jüngst über die Liebe sagte, ist nur dem Worte nach richtig, mit dem er perfide spielt, das ist schon alles. Denn diesem fehlt jene Sinn-Bestimmtheit, die Wort erst wahr machte, und wie immer und üblich beim Argentinier nach allen Seiten definierbar bleibt, und demnach weit mehr verwirrt als in der Wahrheit bestärkt. Das wird auch nicht besser, in dem man Abstrakta - "Dialog" etc. etc. - zu Dingen macht, im Gegenteil, wie er es ja gerne tut. Denn auch ein Dialog (etc.) ist ohne Sinngefüge, ohne ganz konkrete Sachlichkeit realer menschlicher und definierter Beziehungen nicht denkbar, in ihrer je adäquaten und erst damit konkreten Ebene, sondern Verstiegenheit. Wer aber nicht die Wahrheit sagt, weil er nicht kann oder nicht will, der lügt.

Deshalb hat der Bäcker nicht herauszutreten aus seinem Backladen und "zu lieben, indem er Dialog führt", sondern mit Liebe und Hingabe seine Brötchen zu backen, und in nettes Papier zu wickeln, und einen fairen Preis zu verlangen. Deshalb hat der Schuster seine Absätze besonders gut zu doppeln, der Lehrer zu lehren, der Förster zu förstern, und der Soldat bemüht sich, genauer zu schießen. Dort ist jeder Platz zu lieben, im konkreten, historischen Gegenüber, dem er in der Wahrheit, das heißt in größtmöglicher Sachlichkeit begegnet, und erfüllt, was sich aus seinem konkreten Platz in diesem immer hierarchischen Ordnungsgefüge Welt, das darin ein Wiederhall der göttlichen Ordnung ist, ergibt. Jedes Wohlwollen kann sich nur auf diese objektive, sachliche Wirklichkeit beziehen, die sich aus den Beziehungen von Personen (ein Euphemismus, weil Person eigentlich Beziehungsfrage ist) ergibt, und das heißt: aus ihren (immer historisch verorteten) Aufgaben "am anderen"; in dieser (noch einmal: historisch verorteten) Hingabe ans Du. Es ist diese objektive Wirklichkeit, die das Maß der Liebe definiert.

Somit gibt es streng genommen auch gar keine "konkrete Liebestat" - wenn es nicht eine konkrete Tat innerhalb des Auftrags des Menschen an der Schöpfung ist. Sein Seelenheil, formuliert es Romano Guardini einmal, liegt darin dafür zu sorgen, daß die Welt "richtig" wird vor Gott. In der Wahrheit, denn dazu muß ich die Welt eben erkennen. Und erkennen wollen. Das sind dann auch die Pole der Liebe. Er muß sehen, wie sie ist, schreibt er in "Person und Welt", und ihren Möglichkeiten standhalten: der Wirklichkeit treu sein, nicht einfach dem Zufälligen. Aber dazu muß man sich (und die Erscheinungen) "foltern", läutern. Der Wille Gottes schwebt nicht über der Welt, Liebe ist damit auch nicht etwas, das auch noch irgendwie in die Welt zu drängen ist, als Ding unter anderen, sondern der Wille Gottes zeigt sich darin, daß die Welt ist wie sie ist.

Nur aus dieser Weltzugewandtheit heraus ist die abendländische Kultur so stark und überlegen geworden, daß die ganze Welt versucht sie zu imitieren, meist aber ohne zu begreifen, daß diese Stärke aus der Religion kommt, nicht aus Methoden aus autonomen "Gesetzen" und Maßregeln oder durch glückliche Umstände. Die waren in Europa nämlich keineswegs einfach da. Die wurden geschaffen. Und aus demselben Grund verspielen wir sie in Europa wieder, weil wir uns an dieser Macht berauscht haben, bis wir sie für bloß weltimmanent hielten, bestenfalls noch von außen versuchen, verdinglichte aber nur abstrakt bleibende "christliche Werte" in sie hineinzustopfen. Oder gar so tun, als würden diese auch ohne Sachgesetzlichkeiten funktionieren. Als christliche Methode vielleicht.

Aber sagt er das nicht, wenn er sagt: Wahre Liebe ist konkret und teilt sich mit? Ahja. Mit Dialog und so, erklärt er dann aber gleich weiter. Eben, er läßt nicht nur offen, sondern vermittelt (auch durch das, was er selber tut, und wie er es tut: als käme es nämlich auf die Form nicht an) den Eindruck, es GÄBE solche Akte der Liebe. Das meint er nämlich mit konkret und widerspricht sich somit sofort wieder. Denn für ihn IST es eindeutig Methode (das zeigen auch seine wenigen Schriften), ist auch Liebe eine Methode, die jedes Sachgesetz (und für Sachgesetze interessiert er sich ganz offensichtlich nicht, in vielen Äußerungen hat er sogar explizit betont, daß es aufs Konkrete - als Sachgemäßes - dann doch nicht ankomme, nur "auf die Liebe ...") außer Kraft setzt. Das nennt er dann sogar noch pastoral.* Denn Dialog ist - mein Tun! Mein Backen als Bäcker, mein Feilbieten von Würsten, mein Erziehen der Kinder, mein Streiten um die Wasserleitung. DAS ist mein Dialog. Und einen anderen gibt es nicht. Er bezieht sich auf jene Wesensheit, die mir den Namen gibt, Bäcker, Hofstätter, Taubenzüchterverbandsobmann, die ich sein muß.

Was für ein Wortjongleur. Mit der Linken gibt er, was er mit der Rechten wieder nimmt. Das nenne man Schizoidität (die eine Form der Lüge ist.) Mit Abstrakta - der Bäcker teilt sich eben mit! durch seine Brötchen! - hantieren, die man dann zu konkreten Handlungen, konkreten Dingen hochsimuliert. Und durch vorbeugende "Ausschließung" (Stichwort Gnosis, vor der er natürlich warnt - und macht genau das!) dem Rezipienten gleich vorbeugend jedes Werkzeug der Reflexion zertrümmern. Das ganze Repetitorium auch der Früchte und Güter des Heiligen wird dazu hergenommen. Liebe, Barmherzigkeit, Auf-die-Menschen-zugehen, etc. etc. - allesamt Abstrakta. Die aber ganz andere konkrete Namen, als Handlung haben, als das wörtliche "Zugehen auf die Menschen", etwa in dem man sie privat anruft oder ihnen am Petersplatz einen Schmatz auf die Wange drückt. Das alles ist ein Abstraktum, wenn man es als "Dialog" erkennt. Dialog ist kein Ding, das man anstreben kann.

Und der Witz bei der Sache ist: auch diese Aussagen hier können nicht absolut gesehen werden, sind jederzeit widerleg- und angreifbar. Das erhöht ja die Perfidie. Der Mann ist nämlich geschickt, und hier wird zunehmend davon ausgegangen, daß dahinter mehr steckt als südamerikanisch naives Temperament.
 
Der VdZ steht mittlerweile zu dieser Unterstellung, als die seine Kritik ausgelegt (und durch "Inhalte" widerlegt) werden könnte. Die Indizien für diese bestimmte, aus Erfahrung gewonnene Menschenkenntnis werden immer mehr, sodaß diese Unterstellung weit mehr Erhellungskraft hat, als sich ein Urteil doch noch nobel offenzuhalten, selbst wenn es natürlich kein "endgültiges" Urteil sein kann, wie es nur Gott zusteht. Aber Leben heißt: Entscheidungen treffen. Sonst zerfließt es ins Unwirkliche. Glaube heißt ja genau das: trotz aller menschlichen Unsicherheiten zu einem aus anderen als rein nominellen Gewißheiten stammenden Urteil zu gelangen. Mit vollem Risiko.**

Man kann diesem Dauerbeschuß mit Verwirrung und Wortverdrehung ja nicht einmal mehr entgehen, der täglich und bald stündlich durch die Twitter- und sonstigen Medienkanäle in die Welt geschossen wird. Mittlerweile gibt es ja keine Sonntagspredigt mehr, kein Gespräch am Pfarrplatz, in dem nicht irgendein Papstzitat die Runde macht, vom Papst die Rede ist ("Na der ändert jetzt echt alles!") - das, bitte schön, gab es überhaupt noch nie in der bald 54jährigen Karriere des VdZ als Getaufter! Die Pfarrer sinken zur Staffage, zu ständigen Kanälen von zufälligen Papstworten herab. Oder ist das die Konkretheit, werter Herr Bergoglio, die Sie gemeint haben? Die über primitive political correctness nicht einmal im Ansatz hinausgeht, das ist nämlich die Wahrheit? Ist das das neue Niveau der katholischen Geisteswelt, in dem jedes klare Denken als "zu statisch" durch "supermenschliche Rhetorik" verdrängt wird? Die Kirche ist damit derselbe Freizeitverein wie jede NGO. Hier geht es nicht um Kosmetik, das ist dabei das sehr ernste Problem. Hier geht es um ganz tiefliegende geistige Entscheidungen, die dieser Papst nicht einmal sieht.

Ebenfalls heute Teil 1b) Aktueller Nachtrag & Anmerkungen bzw. Exkurs
Morgen Teil 2) Die Pathologie eines Menschen wird dogmatische Struktur


*310515*