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Donnerstag, 21. Mai 2015

Wie es mit dem Islam weiterging (1)

Vielleicht ist uns Heutigen zu wenig nachvollziehbar, in welch eschatologischer Stimmung sich die alte Welt in den Jahrhunderten des Niedergangs und Endes des römischen Reiches befand, in der Zeit des 2. bis 8. Jhds. (Wobei: unterscheidet sich darin wirklich das Heute von der Zeit der Spätantike? Leben wir nicht heute schon fast gewohnheitsmäßig in einer Zeit der gefühlten oder zum Zeitgefühl hochstilisierten ultimativen Bedrohungen? Atomkrieg, Klimakatastrophe, Rohstoffende, Artensterben, ...) 

Augustinus ist nur einer der zahlreichen Zeitzeugen (wie: Symptome), die dies bestätigen. Auch er hielt den Einbruch der Barbaren zumindest als Topos für eine endzeitliche Strafe Gottes. Für die Menschen jener Zeit war der Untergang des Römischen Reiches nicht nur unvorstellbar (so wie wir uns heute einen Untergang Europas nicht vorstellen können), sondern ein Nachher war undenkbar und Chaos. Man erwartete also zum einen den Antichrist, zum anderen die Wiederkunft Christi als Weltenrichter.  Gerade die orientalisch-byzantinischen Kirchenbauten jener Zeit zeigen es eindrücklich: Christus der Pantokrator erscheint am Horizont, wie es die Apokalypse des Johannes beschreibt.

Dieses Gefühl verlor sich erst langsam, aber es kann prinzipiell gar nie "aussterben", weil es zur Welt selbst gehört. Wer Welt sagt, muß Anfang sagen, und vor allem auch: Ende. Denn in Christus ist das Alpha und Omega erschienen. 

Erst allmählich schwand die Dominanz dieses Endzeitgefühls, und schwang sich vorsichtig zu neuem Optimismus auf. Das zeigt sich auch im Sohn des hier bereits eingeführten Abd el-Malik, den auch in der islamischen Tradition bekannten Al-Walid. Er besaß nicht mehr dieses religiöse Eiferertum des Vaters, baute in Damaskus den Tempelbezirk des Hl. Johannes aus, und verlegte seine Residenz nach persischer Tradition in diese Stadt. 

Als neues Zentrum der arabischen Christenheit hatte sich aber längst Jerusalem herausgebildet, mit seinem Tempelberg, der von seinem Vater errichteten Sakralstätte, und dorthin zog es die Pilgerströme aus der Region. Abd al-Malik sah Palästina eben als Gelobtes Land, und dort mußte man den Richter der Welt erwarten. Die Vorbereitung bestand darin, sich des islam, der (wörtlich) Übereinstimmung mit der Schrift zu befleißigen. Warum? Weil sich das arabische Christentum als wahre Nachfolger des Alten und Neuen Testaments (samt einiger Apokryphen), als wahres Volk Gottes sah, das der Schrift treu geblieben - islam - war. Sodaß sich das arabische Christentum speziell nach dem Konzil von Nizäa (das die Gottessohnschaft Jesu und damit die Dreifaltigkeit konstatierte*) von der Westkirche getrennt hatte. Ihr Hauptmerkmal war also: Es gibt nur EINEN Gott.

Die islamische Tradition machte daraus unter vielfachen Übertragunsfehlern und Problemen bei der Umrechnung vom Mond- zum Sonnenkalender eine durchgehende Kette von Kalifen. Die ist historisch aber nicht nachweisbar. Erst ab der Mitte des 8. Jhds. ist mit den Abbasiden-Kalifen wieder historisch sichereres Terrain zu betreten. Und hier zeigt sich bereits eine allmähliche Verlagerung des religiösen Zentrums nach Medina. Vermutlich ist eine der dortigen Inschriften, die noch von mohammed als Gerundium im Sinne des Titels "der Gesalbte/der Gesandte" (Christus) im christlichen Sinn spricht. 

Ab da beginnt eine neue Dynamik. Die bereits prinzipiell im arianischen Christentum angelegte Trennung von Gott und Jesus Christus wurde folgerichtig immer expliziter - Gott "verließ" die Erde, gewissermaßen. Jesus "ibn Maryia" (notwendigerweise "verschwand" ihr Mann, Joseph) wurde mehr und mehr nur noch zum von Gott durch Zeichen (Jungfrauengeburt) erkennbaren Propheten. Das vom Griechentum und seiner (nicht immer einfach zu verstehenden) Philosophie durchtränkte Christentum des Westens wurde immer weiter (weil immer unverständlicher) abgelehnt, von einfacheren Konzepten verdrängt. 

In dieser Tradition wurde im an sich christlichen Arabien auch der griechische Bilderkult, die pompöse Liturgie, abgelehnt. Wie in der Reformation im Europa des späten Mittelalters begann sich eine Vereinfachung und Subjektivierung, eine Direktheit der Gottesbeziehung durchzusetzen. Mit dazugehörigem Schrifttum. (Luthers Bibelübersetzung war ja auch nicht einfach eine "1:1-Übersetzung", sie war vielmehr eine Transformation in die Volkssprache, also eine erhebliche Vereinfachung.) Aus dem Christentum wurde eine immer mehr "abrahamitische" Religion. Denn noch ein Schuh drückte die patriarchalisch fühlenden und lebenden Araber: Die Rolle der Frau Maria. Also wurde sie mehr und mehr (man kann sich das sehr gut als unbewußte Neigung vorstellen; denn es sind diese Neigungen, diese Bewegungsgestalten in uns, die das Denken und seine Logik in Form von Gewißheiten prägen) Also mußte die Herkunft des Propheten - des Gesandten, des Gesalbten: "mohamed", "christus" - selbst eine unüberbietbare, Maria bei weitem übertreffende Autorität haben.

Und die erhielt es, durch einen "logischen" Stammbaum, der über Abraham bis zu Adam zurückging, den man "mohamed" einrichtete. Aus dem Sohn Gottes, dem "abd allah", wurde nun der tatsachliche Sohn eines tatsächlichen Mannes namens Allah - der abd allah. Dazu kam, daß im 7. Jhd. die Naherwartung des "mohamad al mahdi", des "Gesandten, dem Erlöser", abnahm - er kam einfach nicht! Und zwar: er kam nicht im dafür eingerichteten Punkt, dem Tempelberg. Das muhamad-Jesus-Konzept, bringt es Norbert G. Pressbaum auf den Punkt, wurde immer kraftloser, unglaubwürdiger, und verschwand allmählich.

Zeitgleich schwächte sich ohnehin die reale Macht der Kalifen, denn ein Gebiet war aus rein technischen Gründen eigentlich nur in seinen Brennpunkten, den Städten, auf Dauer beherrschbar. Das war im Europa des Mittelalter nicht viel anders. Einzelne, lokale Konzepte spielten zunehmend ihre (lokale) Rolle, auch in den Glaubensvorstellungen. Schon gar in einem Land, das von Palästina bis nach Persien reichte, und von zahllosen Völkerschaften bewohnt, von zahlreichen Sprachen und Dialekten zerklüftet war. Nur eine Hochsprache gab es, das syrisch-aramäisch, das sogar in Persien für offizielle Dokumente verwendet wurde. Dazu aber kamen Einflüsse zahlreicher anderer Religionen, nicht zuletzt des Judentums und des Buddhismus. Sie alle trugen zum vielfältigen Glaubensbild Arabiens in jener Zeit bei.

In Persien, wo sich immer mehr der Aspekt des Vollstreckers Gottes, des "ali", durchsetzte. In den weiter westlich gelegenen Gebieten läßt sich hingegen eine Lesart der Schriften erkennen, die aus dem "mohamed" eine Person machte. (Beide inhaltlichen Aspekte - in den Schriften: Ehrentitel - sind ja durchaus Aspekte, die der Sohn Gottes, Jesus Christus, hat.) Die erste Spaltung vollzog sich, die auch bis heute besteht: durch diese persischen Shiiten.


Morgen Teil 2) Mentalität und Wahrheit




*Nicht "erfand", wie so mancher esoterische Schwachkopf nach Lektüre passender Druckprodukte zu "wissen" meint. Der dabei aber nur zu denkschwach ist, um die gewiß nur mit viel Mühe verstehbare, aber denn doch philosophisch klar erkennbare Wahrheit einem oberflächlichen kirchenpolitischen Machtkampf zuschreiben möchte. (Jeder urteilt eben über Sachverhalte, wie er selber ist.) Das philosophische, eigentlich metaphysische Problem ist der arianisch-arabischen Ostkirche ("islam") ja dann auch geblieben. 




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