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Mittwoch, 17. Juni 2015

Einige Handlungsrichtlinien eines Staates (2)

Teil 2) Die Anmerkungen & Gewohnte Exkurse





²Ludwig Erhard hat deshalb einen Sozialstaat, der sich als Versorgungsstaat als Dauereinrichtung versteht, strikt abgelehnt. Eine soziale Politik, die sich als direktes Beheben eines dem Gemeinwohl abträglichen Übels versteht, und das kann (subsidiär) notwendig sein, kann nur punktuell und temporär stattfinden. Denn ist sie das NICHT, kann man nicht nach geraumer Zeit darauf wieder verzichten, dann zeigt sich genau damit, daß sie verfehlt ist, weil sie die Wirklichungskraft der Bevölkerung und der gesellschaftlichen Strukturen nicht verbessert hat. Immer mit der immensen Gefahr (siehe die Untersuchungen von V. v. Weizsäcker über die entsittlichende Wirkung eines Sozial- und Sozialversicherungssystems als Dauereinrichtung) daß soziale Maßnahmen in der Praxis sehr schnell die Selbstgestaltungsfähigkeit (=Personalitätsprinzip) der Bürger (und nur darauf kann Gemeinwohl und sogar Wohlstand aufbauen) zerstören. Der Sozialstaat heutiger Prägung zerstört also direkt das Gemeinwohl.
³Dieser Unterschied ist sehr wichtig. Denn es ist nicht Angelegenheit der Öffentlichkeit, heimlich und in begrenztem Rahmen praktizierte Unsittlichkeit zu unterbinden, soferne es nicht die Sittlichkeit anderer gefährdet. Homosexualität (oder egal welche Promiskuität) zu verfolgen gehört sicher NICHT zu den Aufgaben eines Staates, solange sie in diesem Rahmen (sittlicher Eigenverantwortung) vorfällt. Es ist aber einem Staat gleichfalls NICHT gestattet, die "Ignoranz" gewisser (entsittlichter) Moralauffassungen zu fordern oder gar zu verordnen, etwa durch "Anti-Diskriminierungsgesetze", oder durch Erziehungsmaßnahmen, die bestimmte Lebensweisen dem persönlichen moralischen Urteil der Menschen entheben sollen. Tut das die Politik, hat sie das Recht auf Gehorsam verwirkt, und schädigt nachhaltig das Gemeinwohl eines Staates.

Man spricht heute wieder viel von Martyrium. Aber man sieht es meist in gewissen Bildern erstarrt, und sieht es deshalb GAR nicht dort, wo es wirklich stattfindet. Denn in einer Gesetzeslandschaft, die die Entsittlichung der Menschen regelrecht verordnet, fände sich Martyrium in zahllosen "alltäglichen" Fällen, und sei es, daß jemand ein Abfassen seiner Doktorarbeit in Gendersprache verweigert, und damit eine Nicht-Annahme riskiert. Es ist der stinknormale Alltag, so wie er mittlerweile geworden ist, der der Ort des wirklichen, bald zahllosen Aufrufs zum Martyrium für Europas Christen ist, nicht die Kommentierung von Medienereignissen über Syrien oder Nigeria. Aber genau diesem Aufruf folgt niemand mehr.

*Das betrifft übrigens auch die Medien, die die wirkliche Kontrollmacht über den Staat - die Kirche, das religiöse System, das in erster Linie die Aufgabe hat zu prüfen, ob die Lebensweise der Menschen zu ihrer Vervollkommnung führt, oder dieser abträglich ist - zu ersetzen sucht. Denn eines ist es, frei zu denken - das darf niemals verboten werden, und sei es noch so im Irrtum! - aber ein anderes, dieses Denken oder Denkwirken zu verbreiten.

**Das ist einer der Gründe, warum Simone Weil für ein Verbot von Parteien als Organisationen eintrat. Neben der Tatsache, daß die dadurch erfolgende Abstrahierung einer Wahlentscheidung, deren Loslösung vom Personalen eines Mandatars, eine Enteigentlichung (Pseudologisierung) der Menschen selbst mit sich bringt, die das Wesen eines Staates von innen her zerstört.

***Dieses Problem wird heute sträflichst unterschätzt, und deshalb wurden hier bereits Fehler begangen, deren Folgen sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten dramatisch zeigen werden. Ein friedliches Nebeneinander wirklich unterschiedlicher Religionen hat es in der Menschheitsgeschichte noch NIE gegeben. Sämtliche Beispiele der Geschichte, die dies angeblich belegen, sind völlig anders zu deuten. Und sei es, daß in sehr viel früheren zeiten die Unterschiede im tragenden Grund des Religiösen entweder marginal waren, oder gar nicht existierten. Was uns im Rückblick als "Toleranz" erscheinen mag, war gar nie eine solche. Es fehlte schlicht an Unterschiedlichkeiten. 

Oder - wie etwa im Persien bis ins 17. Jhd. - an der Relevanz der Religion, durch bewußt säkulare Regierung. Selbst die Türkei unter Atatürk ist nicht anders zu bewerten. Und wo, wie in der Levante, das "Nebeneinander" unterschiedlicher Religionen "funktionierte", wie in Ägypten oder in Syrien, war und ist es gleichfalls der strengen Hand säkularer Regierungen, oder regelrechter Länderteilungen (wie in Nigeria-Biafra) zu verdanken. Der Libanon zeigt, wo es aber langfristig hinführt. Und die Geschichte ließe zahllose weitere Beispiele anführen, die das Gesagte untermauern. Warum das heute anders sein soll, müßte einmal jemand begründen.

Das betrifft auch und ganz besonders die angeglich "toleranten Zeiten" des Islam, der ja aus einer christlichen Häresie hervorgegangen ist, und deshalb zu Anfang gar nicht als "andere Religion" auftrat, und zum zweiten erst nur eine Strömung unter vielen war (wie im maurischen Spanien bis ins 11., 12. Jhd.) Seine sogenannte "Ausbreitung" hatte schlicht weltlich-politischen Charakter. Nur kommt auf Dauer kein politisches System ohne Religion aus, weil ihm sonst Recht und Ordnungszusammenhalt (mangels Legitimität) zerfiele.

Schon aus der Logik einer Religion überhaupt heraus kann aber gesagt werden, daß es einen starken unpolitischen Islam gar nicht geben KANN, weil es im eigentlichen Sinn überhaupt keine unpolitische Religion geben kann. Genau so wenig wie einen auf Dauer a- oder gar anti-religiösen Staat. Sonst könnte es gar kein Recht geben. Es ist das Recht - und damit die Religion - die die causa formalis des Staates ist, nicht umgekehrt.

Man muß allen Ernstes am Geisteszustand jener zweifeln, die von "friedlicher Koexistenz der Religionen (in einem Staat)" schwafeln. Tolerabel, aus realpolitischen Gründen, sind in ein und demselben Staat andere, nicht-mehrheitliche, stark unterschiedliche Religionen nur dann, wenn sie zu klein sind, um Einfluß zu haben, und in gewisser Hinsicht in der Wahrnehmung des überwiegenden Staatsvolkes nicht vorkommen. Gewinnt eine kleine Gruppe aber viel Einfluß, werden Pogrome oder Bürgerkriege unausweichlich, wie die Geschichte zeigt, weil dem Staatsvolk keine einheitliche Rechtsontologie VORAUS geht: es fehlt somit dem Staat an einem einheitsschaffenden Sinngebilde, aus dem ALLEINE er entstehen und bestehen kann, das er nämlich genau repräsentiert. Also muß er in einer Richtung reagieren, die seinem Gründungsimpetus entspricht.

Die praktischen Folgen aus einem Verstoß gegen diese Wirklichkeit hat auch das Christentum nie verhindern können, wie denn auch: denn es bezieht sich ja wesensgemäß auf das Naturrecht. Und ein solcherart falsche Toleranz als Gebot zu als "man müßte aber" einem Land aufzuerlegen ist Verstiegenheit. Nicht selten, ja wenn nicht fast immer aber - eine versteckte Ableitung eines Hasses auf die Mutter als erfahrene Wirklichkeit von Heimat, von der man sich nicht zum Vaterland lösen konnte - zur Persönlichkeit sohin. 

Das betrifft sinngemäß eine Europäische Union gleichermaßen. Die sich auch auf ein ihr vorausgängiges, christlich-abendländisches Sinn- und Wertegefüge bezieht, ohne die sie von sich selbst abfallen würde, weil sie ihre ontologsiche Quelle - die idea - verlieren und zur reinen Willkür werden würde. Diese idea aber geht jedem einzelnen europäischen Staat gleichermaßen VORAUS, der sich selbst aus ihr heraus im Staatengefüge ALS dies oder das definiert. Wer diesem Sinngefüge nicht zubehört, kann auch nicht "Mitglied der EU" werden.





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