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Freitag, 19. Juni 2015

Staat aktuiert Gemeinschaft

Das Verhältnis der Menschen zueinander ist nie direkt. Sondern es konstituiert sich aus dem jeweiligen Ergreifen des beide (oder: viele) überspannenden Wesens und Form einer konkretisierten, benannten (namentragenden) Beziehung. Nicht also, wie falscher Gemeinschaftskult meint, im Niederreißen der Formalität besteht und entsteht Gemeinschaft, sondern im Gegenteil, im Anziehen des formalen Kleides dieser Beziehung. Damit ist Gemeinschaft nur dort möglich, wo die jeweilige individuelle Ganzheit nicht nur erhalten bleibt, sondern sogar durch diese Gemeinschaft zur Persönlichkeit gesteigert ist.

Diese Form als Beziehung ist aber nicht willkürlich erfindbar oder setzbar, entsteht also nicht "von unten nach oben", vom Einzelnen oder Individuellen ausgehend.* Sondern sie ist nur als Ergreifen eines Vorausliegenden möglich. Die Beziehungsform liegt also dem Einzelnen voraus! Die Ordnung der Welt ist nicht die Ordnung einzelner, für sich seiender Individuen, sondern es ist das unendliche Mosaik von ("sachlichen") Beziehungsformen. Ordnung entsteht also aus der Selbsttranszendierung der Einzelnen auf diese Beziehungsform hin, in diese hinein.

Was bis in die Gemeinschaft der Welt hineingeht, als Zueinander von Staaten, die dem einzelnen Staatsein vorausgeht, während das Staatsein dem Einzelnen vorausgeht.** Das Recht, das dem Staat zugrundeliegt (und nicht: das er sich willkürlich gibt), ist deshalb vorwiegend auf solche, die Menschen überspannende, zusammenspannende Gebilde bezogen. Und insofern ist es eine Klammer jeder Form von Gemeinschaft. 

Auch international. Denn daß es historisch zu einzelnen "Staaten" kam, ist dem Umstand zuzuschreiben, daß der ursprüngliche "Weltstaat", als Entsprechung göttlicher Schöpfungsordnung, zerbrochen ist, und als Teilgebilde nachgeformt wurde. Aber nach wie vor ist jeder einzelne Staat nur er selbst, WEIL er in ein weltumspannendes Gefüge von Staaten eingebettet ist - in eine gestaltfordernde Weltordnung des Seins. Auch wenn dieses Zueinander in seiner Gestalt dynamisch, also nicht als erstarrtes Bild vorstellbar ist.

Nichts anderes gilt im übrigen für die Kirche - sie, die Kirche als Ganzheit, als ultimative Gemeinschaft - weil "societas perfecta" - des ordo Gottes, der kosmischen Ordnung der Wirklichkeit (die eine Wirklichkeit Gottes ist), geht dem Einzelnen voraus. Und sie durchtränkt dann das konkrete Weltwerden des Menschen, der die Welt nach dieser Ordnung gestaltet, wenn er die Kirche ergriffen hat bzw. sich von ihr ergreifen ließ. Sie entstand also nicht, weil sich einige gleichen Glaubens zusammenfanden, sondern sie wurde und wird aktuiert, konkret, indem sich Einzelne in sie einfügen, sich von ihr damit als Persönlichkeit prägen lassen.

Und nichts anders gilt für jede weltliche Form von Ganzheiten, und seien es banale Wirtschaftsbetriebe oder Kartenspielvereine. Auch sie ehen immer von "oben" aus, von einer vorhandenen Gesamtheit als Idee, die dann jeden durchtränkt, der in sie eintritt und sich damit von dieser Idee - soweit sie eben reicht - durchtränken läßt.***



*Die Vertragstheorie, die seit der Aufklärung unser Denken verwirrt hat, ist schlicht ein Irrtum. Sie entspricht nicht der Wirklichkeit.

**Deshalb begeht ein Staat, der seine Formen auflöst - wie es bei der Ehe (und damit der Familie) derzeit weltweit passiert, indem er alles zur Ehe macht, und damit nichts mehr, weil er das Wesen der Ehe und Familie unbestimmbar macht, die Begriffe aus ihrer Seinsverankerung reißt - Selbstmord, und zerstört jede Gemeinschaft der Bürger, indem er ihre Zueinanderordnung auflöst, und sie damit in die Irrationalität einer unbestimmbaren Verortung wirft.

***Damit sind wir übrigens auch beim enscheidenden Problem jedes "ökumenischen Gesprächs", das seit geraumer Zeit auch in der Kirche so hoch im Kurs steht. Aber offenbar hat sich kaum jemand Gedanken darüber gemacht, WER dort jeweils überhaupt das Gegenüber sein könnte, MIT DEM etwas geregelt, besprochen werden könnte. Denn allen diesen Religionen, ausschließlich, fehlt ein alle umgreifendes Ideengebäude, das zudem immer in einer Person verankert sein muß, weil Religion an sich dem Bereich des Personalen zubehört. (Einen nicht-persönlichen Gott gibt es nicht, damit löste sich der Begriff "Gott" überhaupt auf.) 

Wir lassen uns viel zu leicht von Begriffen täuschen, die dergestalte Gemeinschaft vortäuschen - aber immer nur vage Abstraktionen sind, die sich auf gewisse, mehr oder weniger vorhandene faktische (oder auch nur: abstrakte) Gemeinsamkeiten beschränken. Oder durch die Täuschungsmanöver mancher anderer Religion selbst, die eine Personalität als ihren Ursprung (aus erwähnten Gründen) vortäuschen. DEN Islam, DEN Buddhismus, DEN Hinduismus etc. etc. - gibt es real gar nicht. Es gibt aber DIE reale Kirche, die in DEM realen Jesus Christus verankert ist. Wäre diese Realität nicht, und wäre sie nicht historisch, so wäre auch der Katholizismus Unsinn und Selbsttäuschung. Und dann stünde er tatsächlich in einer Reihe mit allen "Religionen".





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