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Freitag, 25. September 2015

Irrationalität und Vernunft

An diesem Video der Prager University ist interessant, daß sie unter den Mängeln der englischen Sprache leidet. Denn im Englischen steht das Wort "reason" sowohl für Vernunft, als auch Verstand. Wenn der Vortragende aber sagt, daß "reason" alleine nicht ausreicht, um ein Handeln als gut oder schlecht zu beurteilen, so meint er damit wohl nur "Rationalismus", puren Verstand. Dann hat er recht. 

Aber Vernunft, gutes Handeln, muß in sich sehr wohl rational sein, ja es ist geradezu ihr Kriterium. Das Kriterium der Moral ist nicht "Irrationalität", auch nicht die Rationalität der Zweckhaftigkeit, sondern die Rationalität der Ausrichtung auf ein Transzendentes, das die Vernunft selber IST: Daß nämlich die Rationalität die eigentlichen Weltfragen nicht beantworten kann, weil sie schlicht nicht ausreicht. Aber sie braucht alles andere als den Schritt zum Irrationalen. Das Transzendente ist vielmehr unabdingbarer Teil der Welt als Ganzes, und keine irrationale Stufe, sondern es erfüllt erst die Rationaltiät der Welt, und macht diese sogar vollkommener.

Insofern stimmt der Satz der Aufklärung tatsächlich: Daß Vernunft zum Guten führe. Das Problem ist allerdings, wenn man die Vernunft auf den Verstand BESCHRÄNKT. Denn ob ein Handlen gut oder nicht gut ist, ist tatsächlich (meist) rational. Aber es ist eine Frage der Vernunft. Die aber mehr ist als Rationalismus, sich also auf das beschränkt, was gerade gedacht werden kann. Denn das stimmt schon: Der Verstand ist "just a tool", eine Fähigkeit. Ihn in den unendlich größeren Horizont des Guten zu stellen, auf das die Rationalität hinweist, in dem sie erst erfüllt wird, ist aber eine Frage der Vernunft. Glaube ist NICHT irrational. Er ist nur aus bloß rationalen Überlegungen heraus nicht erfaßbar. Aber er ist aus eben diesen rationalen Gründen heraus als die Voraussetzung der Vernunft erkannt.

Das Problem der Aufklärung war nicht, daß sie etwas "Falsches" sagte. Ihr Problem ist vielmehr ihre Beschränkung auf die bloße menschliche Verstandestätigkeit, in der Gott, das Transzendente, als "irrational" abgelehnt wird. Und deshalb ist sie Hybris, Verstiegenheit. Und - nicht mehr rational. Denn diese Entscheidung, diese Vorentscheidung zur Ablehnung des Transzendenten ist ein Postulat des Irrationalen.

Zu Glauben, ohne die Vernünftigkeit des Glaubens selbst einzusehen, ist nämlich ein Verstoß gegen das Wesen des Menschen. Der zur Freiheit geschaffen und damit - als seine Natur - berufen wurde. In dieser Freiheit muß er sich aber in der Vernunft zu allem verhalten. Auch zu den Inhalten des Glaubens. Der Atheismus der Gegenwart ist (genauso wie die Irrationalität vieler religiöser oder pseudoreligiöser Erscheinungen) NICHT die Folge zu hohen Rangs der Vernünftigkeit, sondern im Gegenteil: Folge zu geringer Vernunft, Folge einer längst allgemein gewordenen, oft regelrecht primitiven, barbarischen Simplifizierung der Welt. Und die Versimpelung der Welt hat natürlich große Anziehungskraft, denn sie macht die Welt scheinbar zu leicht verdaulichen, bildlich vorstellbaren, vergegenständlichten Stückchen. Sie hat einfach über die Welt rationale Thesenkonstrukte gespannt, und apriorisch erklärt, daß die Welt nicht komplizierter, komplexer sei. Und so wie das noch sei, so sei es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch diese Komplexität in Rationalität auflösen lasse. 

Ein IRRATIONALES Versprechen, ein purer, dogmatisierter Glaubenssatz, das sich natürlich niemals eingelöst hat, woran aber heute noch immer ganz fest geglaubt wird. Nicht zuletzt durch die weitgehende Reduktion von Vernunft auf Technik, die durch ihre immer selektive, abgegrenzte Ablaufbestimmtheit eine solche umfassende Rationalität wunderbar vorgaukeln kann.

Die Aufklärung war deshalb NICHT vernünftig, und sie war NICHT rational. Sie war und ist vielmehr ein irrationales Postulat, die um ihr wahres Wesen nicht einmal weiß. Der Verweis auf die "Göttin Vernunft" war deshalb nicht einmal so verkehrt. Wäre er nicht die Lüge der Schizoidität gewesen, die so sagt - und anders handelt. Denn sie sollte lediglich die Nicht-Vernunft verschleiern. Und das tut sie bis zum heutigen Tag, wenn die Rationalität ihre eigenen Grundlagen nicht reflektieren will. Ihr fehlt es also an Geist.









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