Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 30. Oktober 2015

Da stimmt schon so einiges

Hamed Abdel-Samad, als Student zwei Jahre Mitglied der Muslimbruderschaft in Ägypten, stellt in diesem Gespräch in Wien eine Kernfrage: War es wirklich der Islam, der tolerant war? Oder waren es nicht einige Herrscher? Hat der Islam den Hochstand der Kultur bewirkt, von dem Muslime heute noch träumen? Oder waren es nicht ganz andere Einflüsse und Geschehenszusammenhänge? 

Im Gegenteil, je weiter weg die "islamischen" Kulturkreise von der Sharia der arabischen Halbinsel waren, desto freier konnte sich dort - menschliche - Kultur entwickeln. Sie waren oft klug, pragmatisch, und ließen viel Freiheit zu, im Dienste einer Entwicklung der Kultur. Und es waren immer Herrscher, die mit Religion eher ... wenig zu tun hattenn. Während viele Christen sogar einen gewissen Vorteil genossen, NICHT zu konvertieren.

Bis - Spanien ist ein gutes Beispiel dafür - die strengen Islamisten ihren Einflüsse geltend machten. Und schon war Schluß mit der Hochkultur ... Nun wurden auch die Juden und Christen gezwungen, ausnahmslos zu konvertieren, und ihre Religion wurde unterdrückt, sie wurden defintiv zu Bürgern zweiter Klasse.

Die Begriffe muslimische Herrscher und islamische Herrschaft müssen getrennt werden, sagt Abdel-Samad. Europa hat der arabischen Kultur viel zu verdanken, aber Europa hat ganz sicher dem Islam NICHTS zu verdanken.

Oh ja, das was der Mann sagt, ist schon interessant, er kennt sich nicht schlecht aus. Und es deckt sich auch über weite Strecken mit den hier bereits vorzufindenden Einschätzungen des VdZ. Und manche neue Aspekte. Erhellend etwa seine Aussagen über die Unmöglichkeit, eine Grenze zwischen Islam und Islamismus zu ziehen. Der Umschlag ist rein inhaltlich nicht nachvollziehbar, nicht benennbar, er vollzieht sich schleichend graduell. Aus seine  Natur heraus wurde aus dem häretischen Christentum zwangsläufig eine zum absoluten Verhalten plattgeklopfte, verabsolutierte Lehre - der Islam.


Es gibt DIE Muslime aber nicht, meint Abdel-Hamed. Sie differieren beträchtlich. Aber es gibt sehr wohl DEN Islam. Friedliche Muslime sind nicht friedlich WEIL sie Muslime sind, sondern OBWOHL sie Muslime sind.  Nicht DER ISLAM ist deshalb - das so manchem verwirrten zeitgeistverschmusten "Katholiken" gesagt - zu schätzen, sondern jeder Muslim als Mensch. Und NUR dort liegt auch ein Ansatzpunkt für Ökumene.

Relevant bleibt nämlich auf Dauer nicht, was alle Muslime trennt, sondern was alle vereint. Und das ist - der Islamismus. Und Islamismus IST der Islam. Durch falsche Integrationspolitik liefert man aber die friedfertigen, aufgeklärten Muslime sogar dem Islamismus aus.

Und fast klatschen möchte man, wenn er sehr richtig sagt: Weder Islam noch Judentum noch Christentum sind demokratiefähig. Das tut einem Katholiken sogar gut, das zu hören. Es ist wahr. Sie sind nicht für die Demokratie gedacht. Jawohl. Einen politisch neutralen Katholizismus gibt es ebenfalls nicht. Und es gibt - als Katholik gesagt - nichts dabei, wofür es sich zu schämen gälte.

Erhellend frei also, was Abdel-Hamed sagt, und das muß man anerkennen, ohne ihm in allen Einschätzungen zuzustimmen. (Der VdZ hat immerhin zwei seiner Bücher gelesen. Sein Verhältnis zum Autor ist gemischt.) Erhellend, wie die Aussagen zu den Auswirkungen der Kreuzzüge und der Mongoleneinfälle auf die Selbstabschließung des Islam. Wie überhaupt so manches historische Faktum, das man schon kennen sollte, wenn man sich über den Islam den Kopf zerbricht. Seine Einschätzungen, die ihn doch recht als Nachläufer der Aufklärung zeigen, sind nicht immer gleicher Qualität. Metyphysik ist eine Seinsdimension dessen, der nachdenkt. Sie ist kein bloßes Denkmanöver. Und man sieht, wie sie in der persönlichen Prägung ist - oder nicht ist. Und sich dabei schwer auf das Denken selbst auswirkt. Abdel-Hamed versteht manches einfach nicht, also bleibt er in Phänomenen, im Vereinzelten hängen. Auch das wird erkennbar. Jesus ist eben NICHT ein bloßes Vorbild. Und sein Wirken ist NICHT, nicht primär, die Verkündigung einer "Lehre". Sein Wirken hängt an seiner Inkarnation, an seiner realen Präsenz bis heute.

Seine Einschätzung des Nationalsozialismus, die Unfähigkeit ihn von Faschismus, ja überhaupt von eiern Ideologie abzugrenzen, ist also auch falsch. Abdel-Hamed aber kann gar nicht anders denken. Also kann er auch nicht erkennen, daß die Aufklärung direkt in den Totalitarismus mündet, dreht die Tatsachen sogar um. Man sieht nur, wie man ist. Wundert es also, daß er einen "neuen Josef II." für Österreich wünscht? Der die Säkularisierung weiter vorantreibt.

Darum wird der Katholizismus heute von intellektuellen Kreisen so überhaupt nicht mehr verstanden. Und darum wird der Islam von so vielen nominellen Katholiken nicht verstanden. Sie sehen den Unterschied nicht mehr. Wie lächerlich aber aber gar, wenn Katholiken, eingebettet und fettgenährt an der katholischen europäischen Kultur, islamische Lebensrhythmen zu installieren. Etwa, indem sie islamische Feiertage (dabei manche in grotesker Fragwürdigkeit) verkünden oder zu deren Verehrung auffordern, und kulturell institutionalisieren wollen. Sie sind Verbrecher, aus und punkt.

Minderwertigkeit wie Allmachtsgelüste - diese Mischung, die dieselben psychosozialen Quellen hat, und das erkennt Abdel-Samad sehr richtig - sind aber wesentliche Wurzeln des Islamismus. Das ist mit Religionsdiskussionen gar nicht zu beheben.

Beeindruckend sein Aufruf gegen Ende des Gesprächs: Muslimische Intelektuelle sollten endlich aufhören, Islam-PR zu betreiben. Sich zu Opfern zu erklären, und mit Gewalt zu reagieren. Vielmehr sollten sie die intellektuelle Aufforderung, die Freiheit ernstzunehmen, die Europa bietet. Immerhin haben sie hier die Möglichkeit, sich zu artikulieren, sich zu verteidigen. Rassismus wächst, wenn man das Gefühl hat, daß man die Probleme versteckt, sagt Abdel-Hamad. Alles als Islamophobie zu deklarieren, diffamiert alle Menschen auch in Europa. Die Ängste dieser Menschen sind aber nicht Krankheitssymptome, sondern Ängste, die man ernstnehmen muß, weil sie nicht unberechtigt sind. Muslimfeindlichkeit, gut, ja, das ist abzulehnen. Aber nicht Islamfeindlichkeit. Denn der Islam hat Inhalte, denen man sehr wohl feindlich gegenüberstehen darf. Viele Vorurteile, mit denen Muslime bedacht werden, sind Vertretern des Islam selbst zuzuschreiben. Die als Islam-PR-Agenten auftreten, und sich nicht frei den Diskussionen stellen.

Aber da beginnt wieder das Problem mit Abdel-Samad. Der da fordert, daß man nur "den Menschen", nicht seine Religion berücksichtigen sollte. Was der Mann vorschlägt, ist deshalb keine Lösung. Denn: Wie ist das möglich, bitte?  Wie kann man Menschen ohne ihre Universalien begreifen? GAR NICHT. Denn solche Menschen GIBT es gar nicht, ja DORT beginnen sie. Ganz genau im Konkreten. Das käme einer Auslöschung des Individuums - und damit des Menschen überhaupt - gleich. Nur weiß ein Aufklärungsjünger wie Abdel-Samad das nicht, er kann es gar nicht begreifen. Darum würde auch sein vorgeschlagenes Rezept zu nichts führen: Integration durch Auflösung der Identitätskonstrukte, weil "alle Menschen sind". Wer so denkt, hat den Menschen nicht begriffen. Wie also will er ihn retten?

Interessant aber auch noch, weil illustrierend, seine Schilderungen (gegen Ende), in denen er das typisch zweigesichtige Verhalten der Muslime beschreibt. Die sich nach außen völlig anders verhalten, als nach innen, ihren islamischen Brüdern gegenüber. 

Und wie seltsam die Berichterstattung im Westen läuft. Während alle Welt über drei Enthauptungen der IS berichtet, sagt niemand ein Wort dazu, daß in DERSELBEN ZEIT Saudi Arabien ... 19 Menschen enthauptet hat. Und während ein kritischer Blogger zu Tode gepeitscht wird, setzen wir uns mit den dafür verantwortlichen Regierungen zusammen, und füren einen interreligiosen Dialog.

Der Weg zu einer Lösung, zu einem vollen Begreifen der Sache, ist also noch nicht zu Ende.








***