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Montag, 26. Oktober 2015

Die vergessene Dimension (3)

Teil 3) Wenn Zeit in Dogmatik umschlägt - 
Sowie: Ein Rat an Kirchengerichte




Durch die Dimension der Zeit wird "Pastoral" also sehr wohl zur "Dogmatik", wird Form zu Inhalt. Denn auch in scheinbar reinen Verfahrensfragen birgt sich inhaltliche Aussage, und sie schlägt unter Umständen zu einer neuen Qualität um. Daß dies durch ein garantiertes verkürztes Verfahren nun gesehen wird ist dankbar anzuerkennen. Es ist ein Unterschied, einen 40jährigen auf sein Urteil zehn Jahre warten zu lassen, oder einen 25jährigen. In beiden Fällen treffen nämlich diese Urteile auf völlig andere Lebenswirklichkeiten. Noch mehr aber: Während der langen Prozeßzeit verändret sich für beide ihre Lebenswirklichkeit entscheidend. 

Der 25jährige wurde mittlerweile zum Erwachsenen. Nun ist er mit einer Aufgabe konfrontiert - sagen wir vereinfacht: nach dem Beruf auch eine Familie aufzubauen - die eigentlich seinem Lebensalter und den ihm so gestellten Aufgaben gar nicht mehr entspricht. Denn gerade auch eine Ehe hat ihre Altersgesetze, auch das wird meist übersehen: Junge Menschen (der VdZ ist ein Verfechter einer Ehe in jungen Jahren!) machen mehr und andere Fehler, aber sie sind auch weit flexibler im Verarbeiten, im Aufeinandereingehen. Ein 35jähriger ist auf eine Weise in seinen Gewohnheiten, Haltungen, Lebensweisen gefestigt, die gelinde gesagt schon deutlich weniger Flexibilitäten möglich machten. 

Und das muß sogar so sein, weil es sonst seiner Lebensphase gar nicht entspräche, und auch von der Umwelt wird das so rezipiert: Man erwartet von einem Erwachsenen anderes, als von einem Jungen, man erwartet mir vollem Recht von einem 35jährigen eine gefestigte, zumindest in ihren Grundzügen ausgeformte, als Maske getragene Identität. Wie sie ein 25jähriger gar nicht haben kann (und auch noch nicht sollte; Jugend muß gewisse Flexibilitäten bewahren, sonst erstarrt eine Kultur.) Das hat auch seine Bedeutung bei der Konstellation der Partner. Je gefestigter der eine Teil, desto jünger wird also wohl der andere sein müssen, was hier praktisch immer heißt: In diesen Phasen ist dem Mann, je älter er wird, nur noch eine je jüngere Frau zu nehmen möglich.

Das hat seine Auswirkungen auf den Charakter einer möglichen Ehe, eines möglichen Neubeginns. Am deutlichsten wird es beim erwähnten 40jährigen, er ist dann gar 50. Ein Neubeginn ist ihm ohnehin nur noch sehr schwer möglich. Anderseits fehlt ihm das fertige Lebensgebäude, das diesem Alter angemessen wäre. Und nun steht er einer möglichen Partnerschaft, die für ihn aber notwendig wäre, betrachtet man die Lebensphasen, in der Position Vater-Tochter gegenüber. Denn er steht mit einer Reife im Leben, die mehr oder weniger "Gleichrangigkeit", ein an- und miteinander erwachsen werden wie es einem jungen Paar möglich ist, gar nicht mehr möglich macht. Belassen wir es aber bei diesen Andeutungen.*

Nur eines noch: Warum aber wird hier so vom Mann, kaum von der Frau gesprochen? Weil es die Frau weniger betrifft. Ihr Wesen ist es, konkrete Identität anzunehmen, zu übernehmen. Sie vermag deshalb auch bestehende Identitäten sehr rasch abzulegen, auch als Erwachsene, um sich einem neuen Hausdach unterzustellen, dem sie dann zugehört bzw. das sie "ist".

Übrigens erlaubt sich der VdZ an dieser Stelle einen Rat an Kirchengerichte. Denn dieser hier zu besprechende Faktor ist erst in unserer Zeit bedeutend geworden, es gab ihn früher nicht. Dieser der Natur des Menschen entsprechende und entspringende Faktor hatte keine Relevanz, er hat sie aber heute, und zwar in enormem Ausmaß. Wo die Frauen ihrer eigenen Natur entfremdet dazu verhetzt werden, ihre Identität nicht mehr vom Manne zu übernehmen. (Sie tut es dafür von woanders; ein eigenes Kapitel.) 

Das scheint aber bis zu den Kirchenrechtsgelehrten nicht durchgedrungen zu sein. Denn es ist ... EIN ANNULLIERUNGSGRUND, ein Ehemangel, der sich aus dem Naturrecht ergibt. Weil es die Ehe schon apriori wesentlich nicht bestehen macht. Denn es ist das Gefüge, die Gefügegestalt, auf die hin der Mensch zu sich selbst wird, die er auch zu erfüllen hat. Es ist nicht eine gewisse "Funktionalität", ein gewisses Verhalten "als ob". Letztere folgt dem ersteren Grund, niemals umgekehrt. Salopp formuliert: Feministisch geprägte Frauen (und das sind heute fast alle) sind in den allermeisten Fällen für die Ehe untauglich, eine solcherart "geschlossene Ehe" ungültig. Aus einem Grund, den das derzeitige Kirchenrecht nicht zu kennen scheint. Obwohl er in Bürgerlichen Gesetzbüchern noch vor 100 Jahren, die die Natur der Ehe noch deutlich besser zu kennen schienen als heutige Gesetzessammlungen, die teilweise und tendentiell oder expressis verbis sogar Regelungen gegen das Naturrecht aufweisen, explizit seinen Ausdruck fand.

Wer ein Annullierungsurteil begehrt zeigt ja zudem, daß er dem Glauben, der Gnade, dem Sakramentenwirklichkeit eine gewisse Bedeutung beimißt. Sonst würde er ein solches Verfahren ja gar nicht anstreben. Also war sein Leben gerade in der Phase, in der ihm ein solider Neubeginn (noch einmal: natürlich mit dem Rucksack der Vergangenheit) noch leichter möglich gewesen wäre, blockiert, unmöglich. Mit 50 neu zu beginnen ist etwas völlig anderes. Auch von einem möglichen Partner her. Das Urteil hat also für ihn eine völlig andere Dimension, als für den deutlich Jüngeren.

Noch zur Frage der Irrtumsanfälligkeit: Anders als manche meinen, können solche Urteile niemals endgültige Gewissenssicherheit bringen. Aber diese ist dem Menschen in irdischen Angelegenheiten ohnehin gar nicht möglich. Urteil heißt ja nie einfach "Summierung von unverrückbaren Tatsachen", es heißt eben "Einschätzung", es heißt Festlegung auf eine Interpretation. Deshalb können solche Urteile nie Endgültigkeit beanspruchen, sie unterliegen immer menschlicher Schwäche und Irrtums- wie Täuschungsanfälligkeit. 

Die Betonung der bischöflichen Urteilsgewalt aber könnte diese Dimension sogar noch verbessern, weil sie das Urteil mehr unter den Aspekt von Dimensionen der auch pastoralen Wahrheit, der Lebenswirklichkeit der Betroffenen stellt, die dem Richter unter Umständen weniger gelten. Der - und der VdZ weiß, wovon er spricht - unter Umständen auch Urteile nur fällte, um lästige Fälle vom Tisch zu kriegen, mit Menschen, denen gegenüber er in keiner persönlichen Verantwortung stand. Ob es also wirklich zu einer Verschlechterung der Urteile kommt, zu einer bedenklichen Oberflächlichkeit der Urteilssprüche, bleibt abzuwarten. Der VdZ ist nicht davon überzeugt. Denn er hat so seine Erfahrungen sammeln müssen ... und dabei schlechte, unsachliche, überforderte, gleichgültige Richter an Kirchengerichten zur Genüge kennengelernt. Unter dem neuen Kirchenrecht wäre sein Leben sogar in gewisser Hinsicht ... anders verlaufen.




*Morgen Teil 4) Eine exkursliche Bemerkung zu einem weiteren 
fatal allgemein gewordenen Irrtum die heutigen jungen Menschen betreffend, 
die auch aus dem bislang Ausgeführten hervorgeht





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