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Montag, 12. Oktober 2015

Mysterium Wald

Was Peter Wohlleben da erzählt, gilt eigentlich für alle großen wie kleinen Lebensräume, die in sich geschlossene Einheiten bilden, in denen alles mit allem zusammenhängt und aufeinander genauso reagiert, wie als Einheit auf das Angrenzende, nicht Dazugehörige. Das Problem ist nicht der Mensch. Das Problem beginnt, wo der Mensch seine heilige Scheu vor der Welt abzulegen beginnt, weil er sie nicht mehr als Ordnungen und Einheiten begreift, sondern nur noch (und dazu noch immer selektiv) auf Träger technischer Funktionalitäten reduziert, und dieses unendliche, jede physikalische Analyse unendlich übertreffende Mosaik von Zusammengehörigkeiten und Einheiten* als "Gestell" zu behandeln beginnt, als bloße Zuhandenheit (Heidegger) von einzelnen, zweckgebundenen Eigenschaften, deren er sich nach Belieben bedienen zu dürfen meint. So, wie es aber auch die zeitgemäße "Ökologie" tut. Denn es ist nicht nur die Industrialisierung der Waldwirtschaft, die den Wald zerstört, es sind auch die Bioenergieapostel.






*Die Kybernetik bezeichnet es als komplexe oder hochkomplexe Systeme, von denen wir nahtlos umgeben sind, und denen auch wir Menschen angehören. Die nie in steuerbaren Zweck-Systemen aufgehen, sondern sich unvorhersehbar verhalten. Weil das Sein der Dinge sich an ihrem "Ort" aus ihren Beziehungen definiert, die mit diesem Ort untrennbar verbunden sind und von dem ihr Wesen bestimmt ist, die Welt aber immer aus Orten auf unterschiedlichsten Ebenen besteht, hängt nicht nur alles mit allem zusammen, sondern hält sich auch in einem gewissen Gleichgewicht, das von den Wesensbestimmungen dieses jeweils umfassenden Ortes getragen ist. Dieser Ort ist aber nicht zufällig oder beliebig, sondern er ist der Standort innerhalb der Gesamtheit der Ordnung der Welt, ja des Kosmos. Er ist deshalb auch nicht willkürlich umbestimmbar, sondern die Faktizität der Dinge wird aus ihrem Verhältnis zu diesem ordo, dieser Ordnung bestimmt. Reißt man sie völlig aus dieser Ordnung - diesem Kosmos - heraus, verlieren sie ihre Fähigkeit zu sein. 

Oder, mit den Worten von Häberlin: Die funktionelle Ordnung der Dinge muß ihren existentiellen Ordnungen entsprechen, sonst vergehen die Dinge, ohne aber je aus den übergreifenden Ordnungen, und letztlich von der Ordnung des Seins überhaupt (das vom Seienden repräsentiert, mehr noch: stellvertretend zur Welt wird), je umfaßt. Denn es ist Seiendem unmöglich, aus der Gesamtordnung des Seienden herauszufallen. Aus keinem anderen Grund aber hat die Natur diese phantastische Fähigkeit, sich auch wieder zu regenerieren, in historische Vorzustände quasi zurückzuversetzen. Wovon man manchmal eine Ahnung bekommt, wenn Meldungen erzählen, daß an einem Ort längst verschwunden geglaubte Lebensformen (Tiere, Pflanzen), plötzlich wieder auftauchen.

Reißt man aus diesem unendlich komplexen "Netz" des Seienden ein Ding heraus, um es zu "zernichten", so wird diese "Fehlstelle" (es sei vor allzu großer Veranschaulichung in der Phantasie eindrücklich gewarnt! es kann nur Metapher sein, in der man hier spricht!) vom Angrenzenden, Umgebenden als "Lücke" vermerkt, die die Spannung einer ungesättigten Verbindung vieler "auf - zu", hinterläßt, die nicht auflösbar ist, sondern die Eigenschaften des Umgebenden, "ins Leere Greifenden", nun "Schmerz Leidenden", verändert.

Ungemäßes Denken gibt es also überall dort, wo menschliche Vernunft zerrissen wird, und sich an Einzelneigungen (Neid, Gier, etc. etc.) orientiert. Dann passiert Ungeordnetheit. Illustrieren wir es an der Walswirtschaft: Was dann passiert ist aber keine dauerhafte "Umwidmung" eines Lebensraumes, sondern - im konkreten Fall: die Umwandlung von Mischwäldern in Fichtenplantagen - das Denken wird "verschoben", die Gesamtrechnung aber bleibt dieselbe. Kurzfristig mag der Ertrag an Holz in m3 gerechnet pro Jahrzehnt steigen. Langfristig aber wird dieser Mehrertrag durch Mehraufwendungen zunichte gemacht, ja schließlich immer deutlicher übertroffen, weil das System Wald nicht mehr funktioniert.

Bis dann irgendwelche ausgewichsten Klugscheißer daherkommen und - siehe nur am Beispiel im Video: funktionierender Wald reguliert seine Temperatur im Sommer um bis zu drei Grad - von Klimaerwärmung schwafeln, weil wo früher Mischwald war, nun eine Fichtenplantage steht, in der das Thermometer seit je plaziert ist. Dazu noch drei Windräder, die mit ihrem Freiplatzbedarf einen früher funktionierenden Wald auseinanderreißen, und damit NICHT MEHR funktionieren lassen, und das Dilemma ist perfekt. Denn man stelle isch das nun an hundert weiteren Standplätzen vor, und mit einem Schlag haben wir eine "Erhöhung der Durchschnittstemperatur" in Deutschland - ohne daß es diese konkret gäbe. Denn genauso wenig, wie es den Durchschnittsmenschen real gibt, gibt es eine Durchschnittstemperatur. Eine solche sagt nur das an, was sie ansagen kann oder soll. In dem Fall: Daß an 100 Plätzen je regional das Kleinklima verändert wurde. Mehr nicht.

Die Wissenschaft geht sich selbst auf den Leim, wenn sie ihre abstrakten Aussagen zu konkreten Bildern ummünzt und vergegenständlicht.





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