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Donnerstag, 22. Oktober 2015

Politisches Mittel "Flüchtling"

Im österreichischen Kurier (ein selbstdeklariertes Weltverbesserungsblatt) fand sich jüngst ein interessanter Artikel zur Flüchtlingsproblematik (als die generell die Zuwanderungsproblematik mittlerweile bezeichnet wird - ein Etikettenschwindel, den wir mittlerweile hinnehmen, der der Sachlage aber natürlich nicht gerecht wird: Nur ein relativ kleiner Teil der Zuwanderer sind Flüchtlinge. Der Rest sind eben einfach Zivilisationszuwanderer aus Ländern, die keinen Asylstatus begründen.) Interessant deshalb, weil er Aspekte darstellt, die man selten hört oder sieht. Vor allem, weil derzeit das Thema in sinnloser Sentimentalität erstickt, die mit Gefühl und Liebe zu verwechseln zwar schön dem Zeitgeist entspricht, aber nicht wahrer wird dadurch. Die aber ausreicht, und das ist ja auch ihr Ziel, sachlichen Verstand auszuschalten.

Warum sind derzeit so viele Syrer aber nach Europa unterwegs? Nicht, weil die Lage in Syrien heute besonders prekär ist. Sondern hauptsächlich, weil die Hilfszuwendungen an Flüchtlingslager und -organisationen dramatisch geringer wurden, auch durch eine gewisse Spendenmüdigkeit westlicher Länder. Deshalb sind viele dieser Auffangstationen nicht mehr in der Lage, den Flüchtlingen (die da wirklich solche sind) den allernotwendigsten Lebensbedarf zur Verfügung zu stellen. Sogar Wasser wurde mancherorts bereits zur Mangelware. Damit zerbricht bei vielen geflüchteten Syrern der letzte Zusammenhalt mit ihrer Heimat, die ihnen absehbar keine Chancen mehr läßt, und sie entschließen sich aufzubrechen, um wirklich neu - woanders, im überall als "gelobtes Land" dargestellten Deutschland vor allem - zu beginnen.

Dabei relativiert ein Türke (im Kurier "Erdogan-Kritiker" genannt) ohnehin die vielgelobte schier unbegrenzte Aufnahmebereitschaft von vor dem IS flüchtenden Syrern durch die Türkei (die zuvor, wie es heißt, die IS, schon gerne mal unterstützt, ja mit aufgebaut hat; die Motive dazu werden unter diesem Aspekt auch klarer, das mußte nicht erst die Luftwaffe der Türken beweisen). Dahinter stehe keineswegs bloße "Nächstenliebe" (manche Katholiken verstiegen sich sogar zu der grotesken Behauptung, die Türkei sei "christlicher" als europäische Länder und Bewohner - die Begriffsverwirrung scheint mittlerweile seuchenartig um sich gegriffen und selbst traditionelle katholische Kreise erfaßt zu haben). 

Unter der längst allgemeinen Gewißheit, daß es für diese Syrer kein Zurück mehr geben würde, beabsichtige Erdogan damit, die kurdischen Gebiete (in denen sich diese riesigen Flüchtlingslager ja befinden) "auszudünnen", durch Syrer. (Man spricht ja von über 2 Mio, die in Lagern derzeit untergebracht sind.) Und durch deren Ansiedelung das Kurdenproblem auf elegante (und von der Weltöffentlichkeit eifrig beklatschte) Weise "zu lösen". Was natürlich heißt: zu verkomplizieren, und zwar für die Kurden selbst, deren völkisch-kulturelle Geschlossenheit in bestimmten Gebieten damit aufgebrochen wird. 

So, wie es ja Jordanien bereits vorzeigt, wobei diesem Land tatsächlich reine(re) Hilfsmotivation "unter Brüdern" zugestanden sein mag. Brüder. Ein Begriff, den die sonstigen arabischen Staaten hier einmal gerne vergessen, um ihre außenpolitischen Ziele nicht zu gefährden, und um sich keine innenpolitischen Probleme einzuheimsen. Das überläßt man den Europäern. Denn selbstverständlich besteht die Pflicht, Flüchtlinge aufzunehmen, zuerst bei den Nachbarn. Mit denen ja in jedem Fall eine sehr enge Schicksalsgemeinschaft besteht. Denn Geschick und Geschichte hat untrennbar zuerst eine geographische (weil verortete, mit dem Ort zusammenhängende) Dimension. Und dabei sind die Staaten des arabischen Raumes ja meist alles andere als weniger wohlhabend als Europa.

So nebenher bestätigt der Bericht übrigens auch die hier hinlänglich vorgetragene Feststellung, daß es keineswegs die "Ärmsten der Armen" sind, die flüchten. Vielmehr ist es eben der Mittelstand, der ausreichende Mittel hat, sich die Überfahrten zu leisten. 

Von dem Umstand, daß ein syrischer Paß mittlerweile um 4000 Euro gehandelt wird, denn er gewährleistet ungehinderten Zutritt ins gelobte Land, das sogar nationale wie europäische Rechtssysteme sistiert, um Nächstenliebe zu demonstrieren, ja zum Kommen plakativ einlädt (und damit den Status eines Mythos vom Gelobten Land einnimmt), damit die Flüchtlingswelle sogar auslöst, zumindest befeuert, wollen wir hier aber nicht reden. Ob da nicht der ungarische Premier Orban recht hat, der da meinte, das Flüchtlingsproblem sei kein europäisches, sondern ein deutsches Problem? Dessen Land noch dazu wegen "grober Unmenschlichkeit und Rassismus" (auch so ein Wort, das mittlerweile aus Mündern kommt, von denen man es nie erwartet hätte) an den Pranger gestellt wird, weil es das einzige ist, das sein Rechtssystem (und seine internationalen Verpflichtungen wie die durch das Schengenabkommen) noch ernst nimmt, und nicht bereit ist, angesichts hochdramatischer Photographien seinen Verstand auszuschalten?*

Was solcher Abfluß gerade der leistungsfähigen Bevölkerungskreise für die Herkunftsländer bedeutet, haben jüngst die afrikanischen Bischöfe überzeugend dargelegt. Die sich in einem Appell an ihre junge Mittelschicht wandte, nicht das Land zu verlassen. Sondern ihre Kraft einzusetzen, um die Heimat zu verbessern. Daß daran noch niemand gedacht hat? Länder, auf die (der Demograph Herwig Birg hat darauf immer wieder hingewiesen) so nebenbei nun auch noch eine demographische Schwierigkeit (durch Verschiebung der Alterspyramide) zukommt, die Europa ja genau damit zu umgehen meint. Weshalb manche meinen, es handele sich bei der europäischen Politik um eine neue Art von Kolonialismus. Was natürlich böse Verleumdungen sind.




*Natürlich ist das herzzerreißende Bild des kleinen Buben gemeint, der da ertrunken am Strand lag. Das wie ein Signal wirkte, und tatsächlich die Politik schlagartig aufbrach. Wo sich aber schon niemand die Frage stellte, ob es nicht auch eine sehr persönliche Mitverantwortung des Vaters (der seine gesamte Familie durch ein gekentertes Boot verlor, als einziger überlebte) gebe, der Frau und (kleine) Kinder einem parcours de force aussetzte, der einem Hazardspiel gleicht. Sodaß man sich fragen muß, ob das von einem Vater noch verantwortbar ist. Ob nicht überhaupt von so manchem Flüchtling gar nie abgebbare Eigenverantwortung allzu bereitwillig in andere, unbestimmbare Hände gelegt wird. Und ob man sie dazu nicht sogar auffordert. Das Schlepperwesen jedenfalls (ein Milliardengeschäft, das längst und immer besser weiß, welche Hebel es zur Förderung von Umsatz und Gewinn betätigen muß) nimmt diese Gegebenheit dankbar an.




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