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Mittwoch, 27. Januar 2016

Wer alles selbst macht wird weniger

Wir vergessen meist, daß alle praktischen Verhältnisse einer sich höher entwickelnden Kultur Verhältnisse höher steigender Arbeitsteilung sind. Wird das allgemein vergessen, so entsteht eine Sehnsucht danach, die Dinge im Ganzen wiederzuentdecken. Trifft diese Sehnsucht nach dem Ganzen - die eigentlich eine Sehnsucht nach dem Einen ist, nach Gott, dem Allen - auf den Hochmut, der eine Form der Verneinung des Geistes ist, dieses Ganze damit auch neu entdeckt, ja geschaffen zu haben, wird eine Kultur sehr rasch auf einen Stand zurückgestutzt, der die Seinsreinheit der Dinge, ihre Vollkommenheit, die sie in der Arbeitsteiligkeit erreichen können, aufgibt, und das Leben in eine Gebundenheit einer niedrigen Stufe zurückführt, die dem Geist keinen Raum mehr läßt sondern alle Kraft für die Vereinzelung der Dinge verbraucht. 

Ein Zurückschrauben der Lebensweise ist bestenfalls dort sinnvoll, wo es auch in einem Dingverzicht gründet. Arbeitsteiligkeit ist umgekehrt nicht nur die feste Schmiede einer Gemeinschaft, sondern  nirgendwo braucht einer den anderen so, wie in der Arbeitsteiligkeit. Sie führt deshalb auch den Einzelnen zu höherer Selbstwerdung und Freiheit, und zwar in der Angewiesenheit. Aber sie fordert auch viel an Willen zum Geist. Eine autonomistische Gesellschaft muß sich hingegen zivilisatorisch selbst zerstören, weil der Einzelne weniger er selbst wird.

Jeder normale Mensch kann im Grunde "alles". Alles, was (technisch gesehen) überhaupt Menschen können. Eine Gesellschaft aber, die die identitäre Spezifizierung - durch Abbau der Institutionalisierungen ihrer hierarchischen Gliederung - aufgibt, entläßt Generationen in die Welt, die meinen, alles zu können und zu sein, aber nicht zu jenem Ort finden, an dem sie ETWAS sind und NUR dieses Etwas erfüllen. Was sie am besten könnten, weil es ihre identitär-institutionalisierte, übergebene Aufgabe wäre, was immer heißt: Verzicht auf vieles. Nicht ein irgendwie zu findendes Talent bestimmt das Tun. Talente sind neutral, und jeder hat ungefähr gleich viel - alle. Sondern die Aufgabe der Identität formt sich zum einen ein bestimmtes Talent, und zum anderen liegt die Erfüllung nicht im Talent (weil kein Talent so weit vom anderen entfernt liegt, also allen gleichermaßen zur Verfügung steht), sondern in der identitären Aufgabe. 

Während heute oft sogar gemeint wird, diese Unbestimmtheit in der Identität, dieses Herumschwimmen im möglichen Selbstsein, heute in diesem, morgen in jenem, würde gar "kreative Anlage" sein. Ohne feste Identität gibt es aber keine Kreativität, die kennen muß was sie verbindet, sondern nur unstabile Willkür.









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