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Freitag, 18. März 2016

Der Richter urteilt immer über sich selbst (2)

Teil 2)  Warum ein Richter urteilen MUSZ -
Angemerkte Aspekte, darunter: Warum die Todesstrafe gerecht sein kann




Der Richter kann sich auch nicht eines Urteils entschlagen, auch das wäre Unrecht. Etwa weil er meint, er sei nicht dazu befugt, weil er ja auch kein sündenloser Mensch sei oder in derselben Situation wie der Angeklagte womöglich gleich impulsiv gehandelt hätte, weil ihm selbst das Opfer auch unsympathich gewesen wäre. Es darf auch keine Rolle spielen, ob ihm der Täter sympatisch ist - oder er ihn widerlich findet, weil der ständig in der Nase bohrt und die Popel in seine Hose schmiert, weshalb vom Richter eine gewisse sittliche Reife gefordert werden können sollte.***

Er muß es tun namens des Gesetzes, namens der Ordnung, die er als Richter zu vertreten hat. Und stellvertretend für den Täter spricht der Richter das Urteil "über sich", "ausgelagert" freilich im Täter, anhand der Kenntnis der Ordnung als Gewissens- und Urteilsinstanz.  Er hält dem Täter mit diesem Urteil erst (!) seinen Platz in der normalen (guten) Ordnung frei! Und legt im Urteil den Preis (gewissermaßen) für die Rückeingliederung in diese Ordnung fest.

Seinem Verstehen entspringt und entspricht eben auch die Strafe, die Sühne, die auferlegt wird, um nach deren Ableistung (gewissermaßen als Eintrittspreis) in die Normalgesellschaft zurück zu dürfen. Was der Täter wiederum nur kann, wenn er der Tat einsichtig wird - also auf seiner Sprachebene versteht.****

Dafür dient der Laienrichter als Dolmetscher. Er muß dem Richter den Täter verstehbar machen, der Richter den Laienrichtern die Gesetze.




*Auch hier, übrigens, wird wieder einmal erkennbar, daß eine Tat sich eben NICHT aus für sich gesehen "guten"  oder "nicht schlechten" Teilen definieren läßt, obwohl sie sich daraus aufbaut. Hätte der Täter NICHT die Salzsäure gekauft, wäre er NICHT herangetreten ... die Tat wäre unterblieben. Ein Strafverteidiger, der aber vorträgt, daß der Täter unschuldig sei, weil doch keine der Einzeldaten seines Tuns eine Straftat an sich wären, würde sich nur lächerlich machen.

**Eine Gewissensentscheidung ist deshalb immer ein "Hören des Urteils". Der Mensch steht in gewisser Weise IMMER vor einem Richter, und weil er jeden Moment sterben kann (oder die Welt von Gott so gewollt enden könnte), steht er v. a. in seinen Haltungen immer (potentiell) vor dem Jüngsten Gericht.

***In den USA läßt man Richter auf unterer Ebene sogar vom Volk wählen. Weil man davon ausgeht, daß Ansehen mit sittlicher Reife zu tun hat und vom Volk am besten erkannt wird, damit der normalen Gerechtigkeitsvorstellung am meisten entspricht, und zugleich damit jemand Richter wird, der zwischen Gesetz und Rechtsgefühl vermitteln kann. Es ist eine radikale Methode des Grundsatzes, daß "das Recht vom Volk ausgehe" und dieses deshalb auch der Souverän der Rechtsetzung ist. Deshalb gibt es im angloamerikanischen Raum eben die "Fallgesetzgebung", in der der Richter aus bisherigen Fällen das Typische herauszufinden und mit dem neuen Fall zu vergleichen hat. Das Bewußtsein, daß ein Richter mit einem Urteil auch Recht (und Gesetz) setzt und schafft, dürfte dort also auch lebendiger sein als bei uns, wo viele Menschen eine Fremdheit zwischen formalem Gesetz und Recht festzustellen meinen.

****Was etwa bei willentlicher oder gar habitueller Uneinsicht eine lebenslange Strafe - und unter bestimmten Bedingungen sogar eine Todesstrafe! - rechtfertigen kann, wie es eben auch alte katholische Sichtweise ist. Ja die Kirche kennt sogar selber die "Todsünde", deren Folge, und die Strafe dafür. Und sie tut es, weil sie um die prinzipielle Freiheitsfähigkeit des Menschen weiß. Ein Todesurteil kann dabei durchaus angemessenes Maß der Sühne und ultimo ratio der Umkehr sein. Denn dieses Maß ergibt sich eben aus der Tat, in der sogar die Hürde der Ordnung definiert wird. 

Das Christentum hat dieses Maß allerdings dem Racheimpuls entzogen, um ihn nicht dem bloß subjektiven - dabei durchaus legitimen - Genugtuungsbedürfnis zu überlassen, sondern Tat und Täter sub species aeternitatis zu stellen. Und es kann natürlich keine Rede davon sein, daß das ein Urteil oder eine Strafe ersparen könnte. Gerade das proklamierte Jahr der Barmherzigkeit ist stattdessen durch besondere Ablaßgnaden gekennzeichnet worden, die nichts anderes sind als Straferlässe. Wo aber Strafe, da muß auch eine Tat UND ein Urteil UND Sühnebereitschaft vorliegen. Mit letzterem ist die Wahrheit selbst (Gott) sogar blitzschnell. 

Dem Salzsäuremörder des o.a. Beispiels, wenn dieser nach Urteilsverkündigung weder seine Tat einsieht noch bereut und sogar verkündet, er würde jedem der ihm nicht zu Gesicht steht dasselbe sofort wieder zufügen seine Strafe zu erlassen wäre nicht barmherzig, sondern ein Vergehen an der Gesellschaft und erst recht gegen die Gewissensordnung.




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