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Sonntag, 20. März 2016

Es wird sich weisen

Was man in Ungarn noch als Orban'schen nationalistisch-rechtsradikalen Amoklauf bezeichnet hat, ist in Österreich still und heimlich über die Bühne gegangen: Dem reichweitenstärkste Radiokanal des ORF "Ö3" wurde von der (gewiß nicht rechtsradikalen) Politik eine Quote für österreichische Popmusik verordnet.

Ab 1. Juli 2015 mußte der Sender 15 % seiner Musik aus österreichischen Popmusik-Quellen schöpfen. Für die, die es nicht wissen: Der ORF wird seit je nach politischem Proporz geführt und steht sogar direkt unter politischer Verwaltung. Traditionell als SPÖ-Domäne, denn die ÖVP hatte sich seinerzeit das Radio gesichert, an die Zukunft des Fernsehkastels hatten deren Politiker damals gar nicht geglaubt. Längst aber ist alles unter Bundes-Zentral-Proporz gestellt, und sieht man von den Landesstudios ab entsprechend regierungsdominiert. (Spätestens wenn sich die Regierungszusammensetzung dramatisch ändern sollte ist gewiß mit einer neuen Initiative zur Entpolitisierung des Staatsfunks zu rechnen.)

Man hat es dabei klug angestellt (und Orban, dein Name ist ja wirklich nicht gerade Klugheit; die anderen warten doch auch immer, bis sie Windschatten vorfinden!): Damit sich niemand in der EU aufregen muß, hat man öffentlich gegen Ungarn agitiert, und inoffiziell dasselbe gemacht. Noch gefinkelter die Künstler, die ja in einer wahren Zwickmühle gesteckt haben. Denn genau das hätten sie sich doch auch gewünscht - mehr in Österreich gespielt zu werden, so gar, eines Tages, von ihrem Tun wirklich leben zu können, weil an sie brauchte! Nun mußten sie aber nach Budapest fahren und Protestnoten gegen diese Auswüchse des faschistoid Nationalistischen zeichnen ... schwierig. Einem Sender vorschreiben, was er zu senden habe, na wenn da die Freiheit der Kunst nciht in Gefahr ist? Manchem sind gar Tränen in den Augen gestanden, Zeugen berichten davon. Aber die können nun getrocknet werden, denn sie haben es nun ja auch erreicht.

Das Publikum hat es dem Sender ebenfalls sofort gedankt. Seine Reichweite in der werberelevanten Altersgruppe ist "erdrutschartig" gesunken, wie die Zeitung schreibt. Zeiten, wo ein Wiener wie Falco mit seinen Rock-Pop-Hits sogar die US-Charts stürmte und natürlich auch in Österreich tagein tagaus gehört werden wollte, sind ja eher selten.

Von Ungarn ist solche Schwankungsfreudigkeit im Publikumsgeschmack freilich nicht bekannt. Dort durfte die Bevölkerung sogar durchaus mehr Musik, die in ihrem Land gemacht bzw. in diesem angeeignet wird, gewünscht haben. Das entspräche auch den Beobachtungen des VdZ, der bei den vielen öffentlichen Festen am Hauptplatz in Sopron immer wieder festgestellt hat, daß selbst internationale Pop-Musik gerne irgendwie magyarisiert (also: anverwandelt) wird. Madonna auf Pusztageige mit Zymbalbegleitung, sozusagen, eine Art Hubert von Goisern im Allgemeinformat.

Na gut, jenseits des Neusiedlersees sind sowieso alle rechtsradikal. Nicht nur die Politiker. Noch. Denn in der Puszta steigt leider auch schon der Verwendungsgrad von iPods, und viele Westungarn studieren schon in Wien, weil es näher ist. Die politisch richtige Bildung wird sich also unweigerlich auch in Ungarn ausbreiten.

Freilich, in Österreich rechnet man mit einer mittelfristigen Erholung der Quoten, so die Senderverantwortlichen. Das könnte staunen machen. Darf man aber vermuten, daß dieser Optimismus mit der ausrechenbar starken Zunahme des FPÖ-Anteils an den Wählern bei den nächsten Wahlen zu tun hat? Oder baut man nur der Präsentation der nächsten Bilanzkatastrophe vor, weil mit dem seit Jahren sinkenden Publikumsanteil die weiter sinkenden Werbeinnahmen nun ja eindeutig der Politik zuzuschreiben sind, sie sich somit auch um allfällige Bilanzlöcher zu kümmern hat?

Es wäre enttäuschend. Denn geht man von ersterem aus, wäre der Effekt senderbilanztechnisch gesehen nachhaltiger. Dann bestünde nämlich Hoffnung, daß die Nachfrage nach dem neuesten digigalgetakteten und garantiert enthirnenden Monotongehacke "Mafucktheripper-aha" von Hullahoop99 aus Los Angeles in der doch etwas musikaffineren Bearbeitung von Antal es Ildiko Farkas und unter dem neuem Titel "Balatonösszegetre", leicht variiert mit Zymbal, schwerem Roßhaargeigenbogen zur ciganos hegedü (Zigeunergeige) und Pustza-Zupfbass (virtuos darauf übrigens: György Nemet), auch im Cisleithanischen steigt. Und damit wieder die Werbeeinnahmen des ORF.

Es wird sich weisen. Radio Eriwan bleibt dran. Und liefert einen ersten Frühlingsschluck aus der Pulle, die noch ungeöffnet vor dem Leser steht.








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