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Samstag, 26. März 2016

Grenze ist Grundlage von Beziehung

Die Feier der Grenze ist eine Feier des Selbstseins, das aus der lebendigen Grenze heraus erst ist. Auch wenn es im Alltag zu verwehen scheint - alles, was den Alltag in Wirklichkeit (und als wie zur Wirklichkeit) formiert, denn erst so ist er Alltag, ist er Leben - so hat alles seinen Ort, seine Feierstunde, seinen Tempel, an dem es zur reinen geistigen Gestalt wird, an der sich seine im Alltäglichen immanente Position neu "auflädt" und auch tatsächlich neu aufladen muß. Denn nur so kann sich eine Kultureinheit in der Welt halten: Als Ausdruck, als Fleisch einer geistigen Wirklichkeit. Wo dieses Selbstsein aber zum bewußten Inhalt hochgedrückt wird, beginnt die Ideologie. Selbstsein ist immanent, aber nur im Kult, in der Liturgie kann es entstehen und muß es immer wieder neu in die Welt hinein zeugend wirken, um die Welt ihrem Zerfallsschicksal des nur Endlichen zu entreißen - der Zeit zu entreißen.

Wo wird vielleicht die Aussage begreifbarer, wenn es heißt, daß Kultur nur aus dem Kult heraus überhaupt leben kann. Warum jedes menschliche Leben zum Kult hinstrebt. Und warum das Selbstsein erlischt, wenn der Kult schwindet. Dann nämlich kommen Seinsstärkere, dann kommen die Nachbarn, um ihr Sein aufzuprägen.

Tägliches Zeremoniell an der Grenze zwischen Indien und Pakistan. 

In der Zeremonie drückt sich auch das prinzipielle Zueinander - der Gründungsmythos also - dieser beiden Staaten aus. Was keine Grenze hat, hat keine Beziehung, weil es selbst nicht ist. Und so erst entsteht dann ein Miteinander! Tagsüber übernimmt die Fahne die Aufgabe der Präsenz des Eigentlichen, das im Grenzübertritt der Menschen passiert. Wenn die Grenzen am Abend wieder geschlossen werden, Kultur schläft und isch im Schlaf in ihre Formauflösung begibt, um in der nötigen Polarität wieder zur bloßen Erde "zu werden", kann sie eingeholt werden. Denn nur im Wachen hat diese Wirklichkeit Sinn. Man schüttelt sich am Ende der Zeremonie deshalb die Hände. Respekt und gar Friede heißt in erster Linie die Wahrung des Rechts des jeweils anderen, sich in die Nacht zurückzuziehen, heißt seine Schwäche und Intimität zu respektieren, heißt das bloße Symbol stellvertretend zu akzeptieren: Wir werden Eure Grenze in der Nacht nicht übertreten, Ihr dürft schlafen! Unser Verhältnis zueinander ist in der Kultur geregelt, wir werden diese nicht zum Barbarismus hin verlassen.







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