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Mittwoch, 23. März 2016

Jugenderinnerung

Aber was wäre ein Jugenderinnerung der VdZ ohne das Violoinkonzert Beethovens. Hier mit Anne-Sophie Mutter als Solistin, die Herbert von Karajan früh in ihrer Potenz erkannt und gegen manche Widerstände als "seine" Violinsolistin durchgesetzt hatte. Dargebracht im Saal des Hauses des Wiener Musikvereins, ein "Gebäude am Ring", das man im späten 19. Jhd. dezidiert als einen einzigen Klangkörper gebaut hatte. Ein Haus als Resonanzraum der Musik, die in ihm dargeboten wird.

Oh ja, auch wenn manche das nicht gerne hören: Das Wien noch des 18., des 19. und bis zum frühen 20. Jhd. war das Herz und die Schlagader der deutschen Kultur, sofern  man überhaupt von seiner solchen sprechen will. Der unvergleichliche Heimito von Doderer sprach ein einmal so aus: Es gab in Europa des 20. Jhd. nur noch zwei Kulturen, die man als solche überhaupt bezeichnen kann. Das war die englische, und das war die ... Wiener Kultur.

Der VdZ muß heute noch schmunzeln, als seinen Begeisterungsausbrüchen dieser Darbietung gegenüber einmal jemand äußerte: Aber, die Mutter spielt doch völlig falsch?! Herrschaften, um so falsch spielen zu können, muß man sowas von richtig spielen können, wie es jemand, der nicht falsch spielen möchte, ganz sicher nie vermag. Weil man das Handwerk nur benutzt, nicht daran ausrichtet. Weil man einer innersten Linie folgt, wie sie auch den Komponisten bewegt hat. Die erst überhaupt Vereinzeltes hervorbringt. Das macht das Historische, immer Zeitgemäße an der Kunst aus. Nicht die "gleiche" Virtuosität, Hervorbringung. Sondern das "in die Zeit bringen" eines ewigen Impulses. Der in einer historischen Gegenwart immer nur von jenen empfunden werden kann, der nicht vom aufgeregt Vereinzelten der jeweiligen Zeit bewegt wird, sondern sie überwunden hat. Sodaß sie jetzt erst ihm gehört.


Ludwig van Beethoven
Konzert für Violine und Orchester in D-Dur




Sehr interessant deshalb der Vergleich: Dasselbe Konzert wieder mit Anne-Sophie Mutter als Solistin ... und Herbert von Karajan als Dirigenten, im ersten Teil des Videos in Proben (eigentliches Konzert ab ca. Min. 25). Eine ganz andere Kraft! Karajan bettet die Solistin ganz anders ein, definiert ihre Beziehung zum Orchester anders. Überliefert ist dazu folgende Anekdote: Als Mutter mit diesem Konzert bei Karajan vorspielte, soll er gesagt haben: "Gut, aber kommen sie nächstes Jahr wieder." Mutter tat das. Karajan akzeptierte (und förderte) sie. Kunst braucht mehr als jede Virtuosität persönliche Entwicklung.

Muß eine tief persönliche, klare Stellungnahme sein. Sonst bräuchte es keine Künstler. Mutter sagte später auch, daß es für sie keineswegs eine Zurückweisung gewesen war. Sondern eine Ermunterung. Karajan hatte sie als Künstlerin ernstgenommen, und Künstlertum heißt eben zuallererst: Reifung! Vergleiche dabei der Leser dieses Blog die Brillanz, die gesteigerte Reinheit und Klarheit der Gestalt, die die Violinstimme im Konzert unter Karajan annimmt. Welche Sanftheit des Orchsters, in dieser gigantischen Gesamtpräzision! Der Leser möge lächeln, aber ... es ist in einem Schauspiel, in Filmaufnahmen um nichts anders. Der Schauspieler spielt sich als Primgeige. Der Regisseur ist der Dirigent, der das Ganze im Blick hat.

Der subjektive Gestaltungswille ist es, der den phantastischen Virtuosen im Orchester vom Solisten (oder Führungsschauspieler) unterscheidet. Er ist im Chor, im Orchester unter Umständen sogar ein Versager. Weil er sich nicht in dem Maß einfügen kann, kann, wie der Solist. Es ist ein eigener Kampf jedes Solisten, jedes Führungsspielers, der deshalb zu fechten ist. Denn er führt über die Nicht-Anerkennung.

Und doch, und doch ... beginnt die Kunst erst dort, wo das Materiale hingebungsvoll beherrscht wird. Bis zu dem Punkt, wo Heinz Rühmann einmal so wunderbar sagt: "Ich habe sie damals alle gesehen, die Großen. Aber ich habe auch gesehen: Sie haben alle nur ihre Text gesprochen."









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