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Dienstag, 26. April 2016

Wer nicht jätet opfert den Garten (1)

(Erste Fragmente einer Kritik von Amoris Laetitia

"Die Beseitigung der Regel durch die Ausnahme." 

Weitere Punkte sind geplant, aber aus Zeitgründen noch nicht ausreichend ausgearbeitet.)


[...] Staunen, wenn nicht gar Ärgerlichkeit erregt der Verweis auf ein sogenanntes Subjektives Gewissen: Letzthinnig ist Entlastung nur durch ein Außen möglich. Gewissen und Selbst sind Sprachkonstruktionen, Sprachsysteme, Systeme des logos tragen es. Aber diese Sprache ist strukturiert durch Urteile, und diese sind objektiv vorgegeben, nicht subjektiv hervorgebracht oder erfunden, abhängig vom Kreis, der durch die Tat berührt wird. Im Fall der Ehe, der Sexualität, des Zusammenlebens zweiter ist die Öffentlichkeit unabtrennbare Dimension. Deshalb braucht es auch die Außenposition, die rechtfertigt oder nicht. Wie sagte einmal + Bischof Krenn: "Die Wahrheit, die mir Christus in der Kirche gibt."

Kirche ist societas perfecta, wo sie deformiert ist durch Sünde ist sie unvollkommene Abbildung des Ewigen Jerusalem. Aber es ist verheißen, daß dieser Bauplan des Ewigen Jerusalem nie aufhören wird, sich irgendwo zu manifestieren, und damit in der Welt wirksam zu werden, so klein die Kirche nach außen sein mag.

"Love ist not of making people feel good," sagt Steve Skojec in einen Radiointerview auf Fox News. Abgesehen von den grundsätzlichen Einwänden, ist es ein höchst fragwürdiges Vorgehen zu meinen, man könne für eine sehr kleine Minderheit (und das sind die wiederverheirateten Geschiedenen, die einen wirklichen Platz in der Kirche suchen) die Eintrittsschranken öffnen, während man damit die überwiegende Mehrheit der Katholiken verunsichert, weil man die Glaubensgewißheiten aufweicht, ja eigentlich in Frage stellt, wenn man ihre Relevanz plötzlich auf subjektive Gewissensentscheidung reduziert. Die es in Fragen der Ehe ja gar nicht - nicht mit absoluter Sicherheit - geben kann, und deren Konsultation einen prinzipiellen Gnadenausschluß als inneren Schritt bereits voraussetzt: Den des mangelnden Gehorsams. Abgesehen davon macht man die Kirche lächerlich, die einerseits behauptet die Wahrheit über die Ehe zu kennen, um sie anderseits selbst zu relativieren.

Es gibt schöne, es gibt sogar sehr schöne Stellen in dem Dokument, vor allem in seinen ersten Kapiteln über Ehe und Sexualität. (Die mancherorts gerühmten "praktischen Tipps" späterer Teile dazu sind zum Teil freilich so lächerlich, im übrigen ungenügend, daß wir sie nicht erwähnen wollen. Hier von Kenntnis der Wirklichkeit zu sprechen ist schlicht und ergreifend nur jenen möglich, die selber keine Ahnung von der Wirklichkeit haben. wenn man schon über Handys spricht, müßte man zumindest einmal in den Topf der Medienkritik hineingeschnüffelt haben, sonst wird es einfach inkompetent und unzutreffend. Handys werden nicht besser, wenn man sie zum Essen aus der Hand legt.) Aber durch diese Passagen wird diese Schönheit in den Verdacht gestellt, Lüge zu sein. Weil vielleicht vorgespielt werden soll: Seht her, wir wissen sehr wohl, wie es sein muß oder müßte. (Was im übrigen auch nicht ganz stimmt, dazu später.) Dazu die vielen griechischen Phrasen, die linguistische "Tiefe", die demonstriert wird (und mit der sowieso der Großteil der Menschen nichts anfangen können.) und die den Glauben festigen sollen, hier würde von vollem Nährboden des Glaubens aus argumentiert.

Was im übrigen nicht stimmt, gerade auch bei einem Verfasser, der Riceur oder Lacan oder Derrida oder Levinas als Referenznamen anführt, denen zumeist freilich eines fehlt: das christliche Licht. Nur soweit kann man aus ihnen also schöpfen, aber so weit kann man tatsächlich viel aus ihnen schöpfen, viel über den Menschen, viel über seine geistigen Strukturen, viel über die geistige Struktur der Welt. Das gilt auch für Letzteren, Emanuel Levinas, einem Juden, und der weist deshalb sehr gut auf, daß sich das Wahre, Ewige, Transzendente nur im Konkreten manifestieren kann - und in diesem Anspruch des logos steht der Einzelne in einer Antwortpflicht. Die ist es erst, die ihm als Selbst Substanz gibt, und zwar also vom Anderen her, auf den es zu überschreiten gilt.

Die Welt wird damit zu einem Substanzusammenhang insofern, müßte man seine Gedanken "kritisch" weiterführen (Levinas lehnt die absolute Ich-Substanz der Metaphysik ab), als sie sich in ihrer wechselseitigen Anfrage zwar nicht metaphysisch/absolut konstituiert, aber in diesem Geflecht aus Anfrage und Antwort wechselseitig in der Welt zur Welt substantiiert. Gottselbst äußert sich dann über das Einfallstor der Ethik.

Denn der Ort der Transzendenz ist die Konkretion, so die Erkenntnis, die man aus Levinas mitnehmen kann, keine über allem schwebende Moral oder ähnliche Konzepte. Und in der hingebungsvollen historischen Konkretion liegt auch die Erfüllung des Ewigen, des Dahinter, die Manifestation des Seins. Aber das tut sie nur bei Selbsttranszendenz, das tut sie nur auf dem Nährboden des Nichts, in das der Mensch fällt, der zu sterben bereit ist - im Gehorsam als Überantwortung an das (menschlich gesehene) Nichts dem gegenüber, was sich im logos herabsenkt. Ähnliche Gedanken finden sich übrigens in der katholisch geprägten Phänomenologie etwa eines Peter Wust (mit seiner "Insecuritas")


 Morgen Teil 2) Warum es kein sicheres subjektiv hervorgerufenes Gewissen gibt - 
Warum darauf zu verweisen ein Akt der Unbarmherzigkeit ist





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