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Samstag, 25. Juni 2016

Das vielleicht entscheidende Argument

Es war ein gewisser Anlaß, den der VdZ lieber verschweigt, der ihn an eine Grunderfahrung erinnerte, die seinem Leben in der "Freien Wirtschaft" erflossen war. Und in dem Satz kristallisierte, der ihm eines Abends anläßlich einer groß aufgezogenen Feier eines Lieferanten aufstieg, zu der sich (als Kunden, wie der VdZ) ein guter Teil seiner Mitbewerber versammelt hatte. Wo ihm nach einigen Stunden spontan der Satz aufstieg, der sich sofort in seine Stirn einbrannte: Man kann Gott nur auf Knien danken, daß wir alle überleben dürfen, weil sich niemand, wirklich niemand sein Leben mit Leistung verdient. Die Fehler, die Unzulänglichkeiten sind bei jedem und allem so groß, daß es nur wundern kann, daß dennoch alles "funktioniert". 

Es ist aber einer der verheerendsten Mythen der Gegenwart - sich das Leben selbst erleisten können, oder gar müssen - der garvierendste Auswirkungen auf unser gesamtes Welt - und Lebensbefinden hat. Er ist in langer Geschichte entstanden, und läßt heute alle glauben (wollen), daß sich Leben durch Leistung verdienen ließe oder daraus ergäbe. Es zeigt, wie wenig sich die Menschen in Wirklichkeit kennen, und an ihren eigenen Ansprüchen zugrunde gehen. Die vor ihnen baumeln wie die sprichwörtliche Karotte vor dem Maul des Esels, die sein Reiter mit einer Stange vor ihm herträgt, die er nie erreichen wird, der er aber nachjagt, bis er verhungert ist. Der Mensch bleibt mit einem Wort - immer hinter dem zurück, was er vom Leben erhält. Wichtig ist nämlich nicht das nominell Erreichte. Entscheidend ist vielmehr etwa das Bemühen, die Hingabe, die Sorgfalt, zu der man fähig ist - denn die Gnade braucht die Natur, der Erfolg braucht das restlose Bemühen, das göttliche Wunder braucht den vollen Krug mit Wasser. Dann wird es Wein. Aber nicht mehr. Er ist nicht machbar. Und entscheidend im Miteinander von Menschen ist das Wissen um die Notwendigkeit von Barmherzigkeit, Nachsicht und Gnade. Denn jeder verdankt sich, und alles verdankt sich.

Und das ist das vielleicht entscheidene Argument gegen eine Wirtschaftsentwicklung, die Wirtschaft nicht mehr als von zahllosen menschlichen Unzulänglichkeiten durchtränkt begreift, sondern auf eine abstrakte, mathematisch-technisch-funktionale Ebene eines perfekten Mechanismus heben will. Seine Grundphilosophie ist eben der Glaube, daß die Welt ein berechenbarer Mechanismus von linearen, beherrschbaren Ursache-Wirkungsverhältnissen sei. Und tritt das nicht ein, dann werden die Bedingungen so reduziert, daß diese Verhältnisse wieder beherrschbar werden. Das genau macht ein TTIP. Es verändert die Bedingungen. Es muß das Leben aus dem Wirtschaften verbannen. Sonst wäre es sinnlos.

Das ist das entscheidende Argument nämlich auch gegen Unternehmen, die sich nur noch als Automatismen begreifen wollen weil können - anders funktionieren sie gar nicht mehr, weil der persönliche Unternehmer als Lebensprinzip fehlt - und von "Managern" als technokratische Ablaufoptimierer bestimmt werden. Denn von Führung kann da ja gar keine Rede mehr sein, selbst wenn manche so tun als würden sie das.

Darauf aber, auf solche Utnernehmen, rekurriert auch ein TTIP. Und das ist damit das entscheidende Argument gegen einen Wirtschaftsraum, der sich überhaupt nur auf solche Automatismen - kein Konzern funktioniert anders, ja das ist das Prinzip der Kapitalgesellschaften überhaupt: Mathematik - konzentriert. Der die Rahmenbedingungen so verändert, daß diesen Automatismen die besten oder gar einzigen Überlebenschancen zugestanden werden. Wie das im TTIP passiert, das Einzelstaaten jede Anpassung an seinen personalen Lebensstock raubt. Wenn nicht jetzt dann aufgrund der autonomen Entwicklungslogik solcher Regelungswerke. 

Das den Waren und Leistungen der Menschen durch Standardisierung - und genau darauf zielen solche Verträge ab, sie hätten ja sonst überhaupt keinen Sinn - auf eine Ebene, die sich außerhalb und überhalb jede menschliche Wirklichkeit und Realität stellt, jeden Spielraum für die menschliche Unzulänglichkeit raubt. Das ist so sicher wie das Amen im Gebet. Selbst jeder Versuch, diese Spielräume in den Verträgen irgendwie abzusichern wäre selbst schon eine Einschränkung. Damit wird einer Wirtschaft, die persönlicher Lebensvollzug von Menschen ist, mit allen Grauzonen aus Versagen, Gelingen, Glück und Unglück, die Luft zum Atmen entzogen. 

Übrig bleibt ein technisches Handbuch, das menschliche Leistung zu optimieren vorgibt, dadurch Vorteile verspricht, die aber in überhaupt keiner realen, lebenserfahrenen Hinsicht solche sind. Sondern im Gegenteil, erst recht zu Betrug und Täuschung einladen. Denn das ist der einzige Weg, in dem sich technisierte Abstrakta wie Großkonzerne jene Grauzone schaffen können, die ihnen solche Vertragswerke in Wirklichkeit untersagen sollen. Durch den Rost fällt aber damit eine Wirtschaft des Persönlichen. Übrig bleibt ein Rechenwerk aus Konten udn Gesetzen, die hinter den Anlässen, die ihre Erweiterung erfordern (weil seltsamerweise immer noch Menschen da sind, die Fehler machen oder nicht redlich sind), ewig und immer mehr hinterherhinken werden. Das war's dann.

Nein. Wo immer Menschen sind, die etwas tun, ihr Leben vollziehen, einen Beruf, eine Aufgabe ausfüllen, werden sie selber immer hinter der Vollkommenheit hinterherhinken, ja mehr noch, sie würden nach technisch-mathematischen Kriterien immer (!) mehr Schaden anrichten, als Nutzen bringen. Das zu begreifen wird zwar heute verweigert, weil der Mythos eines möglichen perfekten Menschen lebt wie noch nie, aber er ist und bleibt eine Lüge und Täuschung. Denn kein Mensch kann genug leisten, um sich sein leben zu verdienen. Er ist hingeben immer auf die Barmherzigkeit und Gnade angewiesen, die ihn erstaunlicherweise auch überleben läßt, obwohl er eine latente Niete ist. 

Wie das geht? 

Wie ging das denn mit dem Wunder der Brotvermehrung? Es ist Gott, der alles Gelingen gibt. Es ist der Mensch, der immer wieder versagt. Wer Mensch sein will muß das von sich vor allem erkannt haben. Durch Scheitern. Denn Versagen hat erstaunlicherweise immer Gründe.  

Nicht aber das Gelingen. Das ist Geschenk.






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