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Mittwoch, 22. Juni 2016

Homöopathisches Wirkprinzip der Ideen (2)

Teil 2) Bemerkungen. Über Sprache - 
Über das Deutsche und die Wunder des Ungarischen - 
Über Film als Kunst


*Deshalb kann Sprache, Wort "Dinge schaffen", die es an sich gar nicht gibt. Aber es setzt damit Dämonen von Beziehungen, die in zweiter Wirklichkeit real Macht haben. Dies hat besonders bei identitätsstiftenden Aussagen zu oder über jemanden große Bedeutung. Was besonders bei Kindern (bzw. Identitätsschwachen) größte, weil noch viel mehr konstitutive Bedeutung hat. Denn man schafft unter Umständen jene Identität, die man dem anderen - vielleicht abwertend - zuschreibt. So ist auch zu verstehen, was man damit anrichtet, ganze Bevölkerungsgruppen und gewisse Haltungen als "rechtsradikal" zu bezeichnen. Man schafft dadurch genau diese Selbstbestimmung und weckt Dämonen, die es sonst nicht gegeben hätte.

**Dies zeigt sich in sehr urtümlichen, agglutinierenden Sprachen wie dem Ungarischen wunderschön. Hier wird die Beziehung eines Begriffs durch nachträgliches Hinzufügen einer Bestimmungssilbe dem Begriff, dem Ding selbst zugeordnet. Also: "dem Vater" (Vater=apa) wird zur dynamischen "Beiseinseigenschaft des Vaterdinges", wird zu "apanak". Das Deutsche hat diese ursprünglichen Zusammenhänge fast schon verloren. Im alten Deutschen sind sie oft noch vorhanden, werden aber kaum noch gebraucht. Zeichen einer geistig verobjektivierenden Entwicklung, aber auch eines sehr leicht eintretenden Bedeutungsverlustes. Im Dialekt findet es sich noch zum Teil, der etwa für "dem Vater" das Wort "Vatern" gebraucht. 

Hier lebt die Idee von Wort als Beziehungsklammer noch deutlicher. Das Deutsch der "Hochsprache" hat an Bedeutungspräzision nämlich zwar gewonnen, aber an Lebendigkeit schrecklich eingebüßt, es in verständlichen Rückführungsversuchen des 19. Jahrhundert aber fast zur strukturalistischen, abstrakten Matrix erstarren lassen. Wo in der allerschrecklichsten Manier Lehrer meinen, Literatur nach "Grammatikfehlern" bewerten zu müssen, ohne noch auf das "Dahinter" hören zu können. Man rührt die Worte im Deutschen nicht mehr an, sondern geht "nach Duden" vor. Übersieht aber, daß Grammatikregeln niemals die ganze Fülle und Lebendigkeit und Entwicklungskraft einer Sprache erfassen können (wenngleich wertvolles Depositum sind, das sehr wohl, das deshalb zuerst explizit oder durch exaktes Sprachlernen im Kindesalter gekannt sein muß; das ist der entscheidende Unterschied zu heutiger Unterrichtsdidaktik, in der sich jeder Grundschüler "sein Deutsch" zusammenschustern soll, ohne es aber zuvor zu kennen). Wohl ist das der Grund, warum das Ungarische auf einen Deutschen wie den VdZ so beeindruckend dynamisch und lebendig wirkt. Wo sich jeder Ungar im Alltag das Recht sieht, ein quasi "neues Wort zusammenzustellen", um ein Gemeintes, im Wort Gezeigtes (!) Unsichtbares (Beziehungsgefüge) zu präzisieren. Indem er es mit Postfixen (als Beziehungsspezifizierungen) verschmilzt.

***Es gibt jede Menge Versuche von Filmkünstlern, den Film auf die Ebene des Symbols zu bringen. Das kann nur in einer Einbindung seiner speziellen medialen Wirklichkeit geschehen. Der VdZ ist nach wie vor nicht sicher, ob das jemals gelingen kann, auch wenn er es in Sequenzen in manchen Filmen die er sah für möglich hielt. Aber Symbol ist eben mehr als Zitat, es ist die reale Gegenwärtigsetzung einer (immer geistigen) Wirklichkeit. Also müßte der Film das Gezeigte real gegenwärtig setzen, die Referenzfunktion des photographierten Bildes überwinden. Bunuel scheint das in Ansätzen gelungen zu sein. Auch in einigen aktuellen Filmen der Coen-Brüder (Brother who ar't thou) - aber nicht nur bei diesen - zeigen sich Ansätze dafür. Am leichtesten scheint es beim Film noch zu gelingen, wenn es um "Atmosphäre" - also: Gestimmtheiten - geht. Und das könnte auch in diesem Film gelungen - und von einem psychisch labilen Piloten übernommen worden sein. Der fortan seine Gestimmtheit als Weltgestalt erkannte, behandelte, und umsetzte.


*150516*