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Dienstag, 7. Juni 2016

Türkei ist kein Rechtsstaat mehr (1)

Can Dündar in einem Interview. Der Journalist war wegen Beteiligung an Terrorismus und den Verrat von Staatsgeheimnissen angeklagt worden, weil er in der Tageszeitung Cumhuriyet einen Artikel veröffetnlicht hatte, in dem er Beweise dafür lieferte, daß die Türkei die syrischen Islamisten (IS) mit Waffen belieferte und ihnen Rückzug auf türkisches Gebiet gewährte, wo sie medizinisch versorgt oder ausgebildet wurden. Sollte er ursprünglich zu zweimal lebenslang verurteilt werden, urteilte das Gericht auf 5 Jahre und 10 Monate Haft. Dagegen läuft nun ein Berufungsverfahren, das Urteil des Höchstgerichts wird nicht vor einem Jahr erwartet. 

Dündar erzählt, daß es in der Türkei praktisch keine Opposition mehr gibt. Sie wird systematisch mundtot gemacht, von der Regierung wie durch die ständige Bedrohung durch Attentate. "You can do everything in Turkey, but that is the price," sagt der Türke. Warum hat Erdogan aber so hohe Zustimmung in seinem Land? Er habe sämtliche Opposition ausgeschaltet, und wer immer oppositionelle Ansichten äußert wandert ins Gefängnis. Damit hat er die Gewähr, daß sämtliche Medien nur so berichten, wie es ihm paßt. Und so hat er sich zum Helden "einer gegen alle" stilisierte: Erdogan im Kampf gegen Europa und im Kampf gegen die restliche islamische Welt. Das imponiert den Türken. 

Erdogan führt sein Land "Richtung Osten", nicht gen Westen, wie oft geglaubt wird. Daß die Türkei Vollmmitglied der EU werden könnte ist nicht einmal wirkliches Ziel. Erdogan will vielmehr zum Führer der islamischen Welt werden. Das westliche Gesicht der Türkei - wie es Journalisten wie Dündar repräsentieren - wird von ihm bekämpft.  Und Europa steht hinter Erdogan, statt hinter diesen westlichen Strömungen in der Türkei. Das stützt Erdogan natürlich innenpolitisch enorm. Während er außenpolitisch durch die Merkel'sche Politik so großes Gewicht erhielt, daß er sich sogar in die deutschen Medien - wie im Fall Böhmermann - einmischen kann. Merkels Unterstützung für ihn hat ihn dazu ermuntert. Journalisten wie Dündar, aber die ganze Opposition in der Türkei hat immer davor gewarnt, daß man mit Erdogan nicht vernünftig umgehen kann. Nun hat die Türkei ein "Problem Merkel", und Deutschland ein "Problem Erdogan". 

Das Abkommen die syrischen Flüchtlinge betreffend war von Anfang an eine Lüge. Erdogan hatte nie die Absicht, seine anti-terroristische oder anti-demokratische Politik aufzugeben, das ist ihm viel zu wichtig. Europa hat sich aber eingeredet, daß es schon klappen würde - und das ist dumm. Merkel war in den letzten fünf Monaten fünf mal in der Türkei. Aber nicht ein einziges mal hat sie mit der türkischen Opposition oder oppositionellen Journalisten gesprochen. Die hätten ihr gesagt, daß das Abkommen scheitern wird. 

Zwar mag es schon sein, daß man den Strom syrischer Flüchtlinge stoppt, aber es wird zu einem anderen Strom von Flüchtlingen kommen: Dem von türkischen Oppositionellen und Akademikern, die nach Europa fliehen. Gleichzeitig muß es ja darum gehen, den Syrien-Krieg zu beenden. Die türkische Opposition ist sehr von Europa enttäucht, das nur seine Interessen in der Flüchtlingsfrage vertritt. Um politisch zu überleben, weil Europas Politiker von den Rechten vor sich hergetrieben werden, die eine Lösung dre Flüchtlingsfrage verlangen. Also stützt man Erdogan. Der aber gegen alles das ist - wofür nur die Opposition steht - was man als europäische Werte wie Demokratie, Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Gleichberechtigung der Geschlechter und säkularisiertem Staat bezeichnen kann. Europa glaubt selber nicht mehr an Freiheit und Demokratie. Anders die türkische Opposition, denn über dem Land hängt eine Wolke der Angst, und um die zu bekämpfen, bräuchten wie die Unterstützung Europas.










*020616*