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Donnerstag, 30. Juni 2016

Wer oder was ist politisch relevant?

Großartig von "Die Anstalt" aufbereitet: Aspekte der geplanten Freihandelsabkommen CETA (Kanada) und TTIP (USA). Hoch aktuell, weil erst in diesen Tagen erst Medien meldeten, daß die JUnterzheitung von CETA unmittelbar bevorstehe, der Vertrag sei ausverhandelt und unterschriftsreif. Dies hat der VdZ mit einigem Erstaunen vernommen, denn er muß zugeben, bislang kaum noch etwas über CETA gehört oder gelesen zu haben. Na gut, ist ja nur Kanada, und man kann ja nicht immer gegen alles sein. Aber Moment - ist nicht die Wirtschaft Kanadas mit der der USA ganz eng verflochten? Heißt das nicht, daß wir schon mit CETA das TTIP ins Land holen?

Der österreichische ÖVP-EU-Mandatar Karas meinte gestern, er würde die Absicht Junckers, das CETA auch ohne Parlamente durch die EU unterzeichnen zu lassen, voll unterstützen. Denn hier gehe es nur um sachliche Regelungen, nicht um Politik. Das ist natürlich in mehrfacher Hinsicht interessant. Denn Othmar Karas wurde vor Jahren in politischen Wahlen nach Brüssel gewählt. Er ist dort sogar Delegationsleiter, weil er so viele Vorzugsstimmen hatte.

Offenbar aber versteht er sich gar nicht als Politiker. Sondern als Funktionär. Oder Beamter. Die von Politikern unterscheidet, daß sie keine Verantwortung haben. Denn diese wird eben von der Politik getragen. Umgekehrt scheint Karas sich sehr wohl als Politiker zu verstehen wenn es darum geht, sich - und dafür ist er besonders bekannt - für eine Stärkung und den Ausbau der politischen Kompetenz und Einflußnahme der EU-Institutionen einzusetzen (was ja zumindest noch in einer politischen Logik liegt, ob man es nun für gut heißt oder nicht). Sodaß er beim CETA meint, es falle ohnehin in die alleinige Kompetenz der EU-Behörden. Was natürlich die Frage aufwirft: Wer war bisher für Freihandelsabkommen wie das CETA politisch zuständig? Wer hat solche Dinge vor dem Volk politisch - denn selbstverständlich sind Freihandelsabkommen von direkter politischer Relevanz - zu verantworten? Oder sind spätestens mit den Verträgen von Lissabon 2007 überhaupt schon alle Würfel gefallen, nur hat es niemand offen gesagt? Sodaß Politiker seither nur noch Vollzugsbeamte, wir in einem postpolitischen Zustand sind, ohne daß wir es wissen? Und: Weiß das der Führer?

Natürlich kann dann ein Herr Karas nicht wissen, daß es bei CETA und TTIP nicht um die Frage nach Freiem Markt, Freier Wirtschaft und Freien Menschen geht, sondern um die Frage nach einer Art des Gewinnstrebens, die fälschlicherweise als Freier Markt bezeichnet wird, aber die Raubtierverhältnisse eines Kapitalismus genannten Systems ist, das das politische Wort Gemeinwohl nicht kennt. Wer weiß, worin Herr Karas seinen Doktortitel gemacht hat. Wir wissen ja, wie wenig das mit Bildung zu tun haben kann. Und wir wissen, daß diese Art zu wirtschaften vor allem für jene Politik notwendig ist, die Herrn Karas sein monatliches Gehältchen rüberschiebt. Dafür kann man sich schon einmal erkenntlich zeigen. Als Katholik ist man ja solidarisch und treu. Und Kardinal Schönborn heiligt solches Verhalten sogar als "graduelle Gutheit", die zur Seelenrettung ausreicht.

Doch dürfte das System haben, Karas Äußerung ist kein Zufall. Als man die EU-Handelskommisarin Cecilia Malmström, die die TTIP- und CETA-Verhandlungen führte und führt, fragte, ob sie sich nicht Sorgen darüber mache, daß der Widerstand in der Bevölkerung so groß sei, meinte sie:   

“I do not take my mandate from the European people.”²

Genau hier liegt der Hase im Pfeffer.  TTIP und CETA einzuleiten wurde vor Jahren auf Regierungsebene beschlossen. Zugleich wurde vereinbart, die jeweiligen Bevölkerungen nicht zu informieren, um eine öffentliche Diskussion zu vermeiden, um am Ende vollendete Tatsachen vorzustellen, die dann als "reine Sachprobleme" durchgenickt werden können. Bestenfalls sollen die Menschen über Chlorhuhn oder nicht diskutieren - im Scheintheater Scheinsiege einfahren, um die Hauptbewegung nicht zu bemerken.

Denn die Diskussion darüber sollte tunlichst vermieden werden: Daß internationale Wirtschaftsbeziehungen und schon gar -abkommen immer und ohne Ausnahme hochpolitische Konsequenzen haben. Weit über alle innenpolitischen Konsequenzen, die die Lebensführung (also: Wirtschaft) sowieso schon hat, geht es nun um Außenpolitik. Weil Außenpolitik staatliche Interessenspolitik ist. Ein Staat ist aber aus sich heraus verpflichtet, die Interessen seiner Bürger (und Kapitalien) in anderen Staaten zu schützen. Damit ist mit diesen Abkommen auch die Außenpolitik der EU mit der Kanadas und der USA - also sogar über-NATO-weit, und doch sofort in Anbindung an die NATO - untrennbar verquickt.

Und über das hinaus ist die Innenpolitik in unseren Ländern auf überhaupt nicht mehr absehbare Zeit defacto auf Marginalien beschränkt. Denn die groben Rahmenbedingungen des Lebens sind nach einem solchen Abkommen wie in Beton gegossen. Und jede Innenpolitik rührt sofort an die Außenpolitik. Was will Innenpolitik künftig noch "gestalten", wenn es so gut wie keine Möglicheit mehr dazu hat, weil fast alles ... die Wirtschaft berührt? Und genauso umgekehrt! Ist dem Leser immer noch zu wenig klar, daß es schon jetzt viele Bereiche gibt, wo etwa "Anti-Diskriminierung" oder "Klima-Standards" für die Möglichkeit zu Geschäften Bedingung sind?

Selbst, wenn man im Einzelfall der Auffassung sein kann, daß dies die oft so unsinnigen EU-Standards aushebeln wird, ist es - und das war schon die Unsittlichkeit bei vielem beim Nachdenken über den EU-Beitritt Österreichs 1994* - ethisch für Staatspolitik völlig unzulässig, Probleme die man selbst lösen könnte, aber nicht zu lösen wagt oder "vermag", durch ein Heineinauflösen in eine größere, mächtigere Einheit zu erhoffen. Es ist darüber hinaus ... irrational. Irrational, weil sich die Regierungen gar keinen Ausweg mehr sehen.








*Das Subsidiaritätsprinzip, das (nach christlicher Anthropologie und Soziallehre) jedem Staatshandeln zugrundeliegen muß, weil es sonst die Freiheit verletzt, hat ja zwei Seiten. Es ist einerseits Schutz vor der größeren, übergreifenderen mächtigern Einheit, es ist aber zum anderen die Pflicht und Verantwortung, alles zu tun, was in eines Macht steht, um OHNE die übergeordnete Instanz auszukommen. 1994 haben in Österreich vor allem die Bürgerlichen, die "Rechten" gehofft, den roten Betonin diesem Land durch die EU aufzusprengen. Es ist das Gegenteil passiert! Neuer Beton, und noch viel mehr Beton hat sich über das Land ergossen. Man hat die Hasen gerettet, indem man den Bauernhof verschenkt hat, den man nicht reparieren wollte. Das Subsidiaritätsprinzip wurde UMGEKEHRT. Aber so ist es ein diktatorisches Prinzip. Gleichermaßen erleben wir in der ganzen EU genau das: Die Bürger (!) TUN NICHT MEHR ALLES WAS SIE KÖNNEN, um sich dann bei konkreten Problemen, die sie nicht mehr selbst lösen können, nach oben zu wenden, sondern erwarten von oben alles, was oben geben kann, um dann bestenfalls noch die Lücken selbst zu füllen. Oder was ist in Griechenland (etc. etc.) sonst passiert, was passiert in unseren Sozialstaaten? 

²Damit wir uns richtig verstehen: Sätze wie "Das Recht geht vom Volk aus" sind Unsinn. Recht geht von Gott aus, anders ist seine Grundausrichtung - die Gerechtigkeitsforderung - nicht zu halten, Recht kann nicht relativ sein. Aber niemals kann staatliches Recht GEGEN ein Volk beschlossen werden, sondern es muß seiner Natur entsprechen. Nur so kann es frei sein und Wohlstand schaffen. Das war auch in Zeiten der Monarchie in unseren Völkern ausnahmslos so. Allgemeine Akzeptanz ist einer der Grundpfeiler staatlichen Rechts, auch wenn die Sozialisten in Europa seit Jahrzehnten dagegen verstoßen (und Gesetze erlassen, die von großen Teilen der Bevölkerung je nicht zu akzeptieren sind, oder über die sie bewußt getäuscht werden, wie etwa die Ehe- und Abtreibungsgesetze oder der Genderwahnsinn.) Sonst zerfällt jedes Rechtssystem, ja das Rechtsempfinden eines Volkes überhaupt, und Chaos und Bürgerkrieg bricht aus.




*290616*