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Sonntag, 3. Juli 2016

Und doch - irgendetwas stimmt da nicht

Auch wenn es heute kaum glaublich scheint, so war der VdZ vor dreißig Jahren ein durchaus talentierter Fußballer. Er war schnell, ausdauernd, ein Stürmer. In einem Auswahlspiel unter Amateurmannschaften schaffte es ein Mitspieler, ihn vom Anpfiff weg mit einem blitzschnell geschlagenen Paß über das halbe Feld so freizuspielen, daß zwischen ihm und dem Tor nur noch ein Verteidiger blieb. Dem der VdZ keine Chance ließ und ihm auf und davon zuziehen sich anschickte. Der Mann war ein gefürchteter Eisenfuß. So nannte man Verteidiger, die in ihren Mitteln nicht immer zimperlich waren. Als der VdZ ihm auf und davon laufen wollte, zog der auch hier zu einer Finte: Er schaffte es, ihm so geschickt einen kleinen Stoß in den Rücken zu verpassen, daß der VdZ durch diese kleine Tempoerhöhung ins Stolpern kam und scheinbar über seine eigenen Füße fiel. Es gab nicht einmal einen Freistoß. Diese kleine Tempoerhöhung, diese kleine versteckte Geste, mit der der Oberkörper um ein klein nach vor kippte, veränderte entscheidend den Schwerpunkt, und der VdZ konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten.

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Schon einige Zeit vor der Abstimmung in Großbritannien hat der VdZ einen Blog-Artikel verfaßt, in dem der seine Grundeinschätzung zur Lage in Europa durchgedacht hat. (Er hat ihn nachträglich nun doch mit 25. Juni online gestellt. Er hat das seltsame Gefühl, daß der "Irrtum" in diesem Fall nicht ehrlos ist.) Mit der Einschätzung, daß es noch eines grundsätzlichen Ereignisses bedürfe, ehe sich in Europa wirklich ein Sturz des Establishments (der eine Auswechselung ist) ereignen würde. Er hielt die Kräfte, die das öffentlich-politische, mediale, künstlerische, kirchliche Leben derzeit dominieren, für NOCH zu stark. Er war dann ziemlich verwundert über den Ausgang der Volksabstimmung, hat den Artikel noch in der Nacht zurückgestellt.

Aber er ist nach wie vor nicht sicher, ob das Fazit, daß die Eliten bereits ihren Zenit überschritten hätten, wirklich stimmt. Und er glaubt auch nicht, daß sie ihre Kraft bereits eingebüßt hätten. Das wäre zu leicht gegangen. Deshalb wagt er eine auf den ersten Blick tollkühne These aufzustellen:

Auf der Bühne Großbritannien könnte sich derzeit großes Welttheater abspielen. Ein künstlich herbeigeführte Aufführung eines Stücks, dessen Katharsis das eigentliche Ziel des künstlich herbeigeführten Brexiterfolges war.

Irgendetwas an diesem britischen Exit aus der EU stimmt nämlich nicht. Da  muß man auch keine großen Brötchen backen, und Weltverschwörungen sehen. Es genübt gewisse politische Koordination angesichts der gerade im letzten Jahr so unwiderstehlich auf Siegeszug erscheindenden "Rechten".  Wäre es da so weit hergeholt zu sagen: Machen wir es anders. Schubsen wir sie ein wenig in ihrem Lauf - damit sie über ihre eigenen Füße fallen.

Weil wir wissen, was sie auch selbst wisssen - sie sind noch gar nicht so weit, Verantwortung zu übernehmen. Es fehlt ihnen noch an allem, das bräuchte Zeit. Mehr als "Nein", mehr als Opposition ist derzeit nicht möglich. Und jene, denen sie in die Suppe spucken, sind dann jene, die ihre Entscheidung ausführen müssen. Was soll dabei herauskommen? 2/3 oder mehr der Abgeordneten des Britischen Parlaments sind für einen Verbleib bei der EU. Nun müssen sie den Austritt durchziehen. Wer wird hier was beweisen wollen? (Ein ähnlicher Gedanke mag auch bei den Verfassungsrichtern eine Rolle gespielt haben, die nun das Ergebnis der Stichwahl zum Bundespräsidenten in Österreich annulliert haben.)

Europas Kontinentalbürger (und die Engländer selbst) wurden möglicherweise höchst clever düpiert. Es war unübersehbar, daß die Separationsneigung ("Rechte in Europa") ein bestimmtes Ansehen zu genießen beginnt. Und kein direkter Kampf dagegen fruchtete. Also ändert man einfach die Taktik: Man bringt sie vor der Zeit zum Sieg. Den sie nämlich (s.u.) noch gar nicht "verdienen", noch gar nicht errungen haben. Und prompt hat man das Ziel erreicht: Diese "rechten" Bewegungen feiern ihre Stunde, von der sie meinen, sie sei schon gekommen - und fallen über ihre eigenen Füße.

Umso leichter wäre so eine Täuschung, als sich hier wahre, richtige innere Spannungsprozesse in den Völkern erfüllen würden. Es fehlen aber zwei Dinge dabei: Die eine ist, daß sachliche Bedingungen, um dieses Problem zu lösen, NOCH nicht gegeben sind. Die zweite ist deshalb, daß Dinge immer ihren KAIROS brauchen. Zur Wahrheit gehört auch die richtige Zeit.

Das darzustellen macht eine Generalthese über politisches Geschehen bei Machtablösen nötig. Sie würde derzeit auf eine Entmachtung genau jener Völker hinauslaufen, die nun meinen, ihr eigentlicher Volkswille hätte "gesiegt." Indem man ihnen "gab", künstlich gab, was sie tendentiell tatsächlich wollten - nur zur falschen Zeit. Zu früh.

Die Rolle Britanniens war seit 600 Jahren nie, (Festland-)Europa zu stärken. Im Gegenteil, es war sein Gegner, sein Feind. (Und Feinde gibt es nur unter Brüdern.) Das begann mit der Philosophie, das begann mit dem revolutionären Geist, der sich später in Form der USA eine neue Lokalisierung suchte, und zeigte sich im 20. Jhd. in der bislang schrecklichsten Dimension.

Daß es bereits möglich wäre, das Establishment am Festland aus dem Sattel zu heben ist dem VdZ kaum glaublich. Noch ist es nicht so weit. Es fehlt an einer organischen Ablöse. In England,  in Europa. Die kann nicht von unten kommen. Ein "von unten" kann nur Chaos anrichten, den Organismus schwächen. 

Und die Knappheit der Resultate (hier in GB, dort in Österreich) zeigt das ohnehin an. Es reicht überall "gerade noch nicht". Aber das ist keine Frage linear verstreichender Zeit. Diese Dinge entwickeln sich "sprung-progressiv" - von einem "oben" ausgehend. Sie sind eine Frage einer korporierten, legitimen Führung, einem Richtungswechsel von oben. Auch in Großbritannien hat sich gezeigt, daß es diese Strukturen noch gar nicht gibt! Nun, nach dem "Erfolg des Brexit", gibt es niemanden, der nun das Heft in die Hand nehmen und das Land neu ordnen kann. Auch die blitzschnell eintretenden "Folgen" machen stutzig. Denn nur wenig wirtschaftlicher Sachverstand reicht um zu wissen, daß sich normalerweise bei einem Austritt aus der EU kaum etwas verändern wird. Stattdessen überschlagen sich Meldungen, die das Gegenteil verkünden. 

Der Fehler aller "Grass-roots-"Bewegungen (rechts wie links) ist prinzipieller Natur

Eine Reform von unten gegen oben gibt es nicht. Sie mag probiert werden, aber sie ist in sich bereits tot. Volk fällt immer nur mit zugehörigen Köpfen in diese oder jene Richtung. An denen es immer hängt. Darum ja der sittliche Niedrigstand Europas, der am gottserbärmlichen Zutand der Eliten liegt. An einen Umbruch in Europa glaubt der VdZ erst, wenn auch ein gewiegter, mächtiger Teil der ganz real, faktisch regierenden Eliten mitgeht, "umkehrt". Davon ist weit und breit keine Rede.

Sind wir in der Freude über den britischen Exit - als Symbol eines Wechsels - unseren Wunschvorstellungen aufgesessen? Was andere gerne benutzt haben, um uns zu täuschen. Sind die Menschen Europas plötzlich schöpferisch geworden, nehmen ihr Leben, die Zukunft Europas in die Hand, gestalten ihr Leben? Es ist doch noch gar nicht so weit? Muß da nicht ein ganz anderer Umbruch stattfinden? Auch in Ungarn, wo der VdZ lebt, und das doch als Vorreiter eines Volkes im Aufbruch zur Freiheit gilt, und sogar mit Recht, ist noch lange nichts von einem Umbruch zum schöpferischen Leben festzustellen. Der eine Teil, die Jugend vor allem, wird unweigerlich westlich und geistlos, der andere ist kleinbürgerlich - und genauso unschöpferisch, nur etwas beharrlicher am Überkommenen festgemacht.

Aber alle sind nur Leib eines Kopfes. Dieser Brexit-Bewegung FEHLEN DIE KÖPFE. Es gibt diese Elite noch nicht, die die alte verdrängen könnte, die tatsächlich verdrängt werden  müßte. Aber kein Volk, keine Gesellschaft kann ohne sie auskommen. Und das macht an diesem Brexit stutzen. Wie kann es sein, daß die britischen Mainstream-Medien in so hohem Ausmaß FÜR den Brexit Stimmung machten? Genau das kann dieser kleine Stoß nach vor gewesen sein.

Umso leichter wären und sind ja so viele zu täuschen. Denn die Oppositionsbewegungen in Europa - FN, FPÖ, AfD, etc. etc. - unterliegen generell derselben Täuschung: Sie glauben, oder machen vor das zu glauben, daß es eine "Bewegung von unten" als politisch relevante Kraft tatsächlich gibt. Was historisch nachweislich noch nie der Fall war, und aus anderen Gründen prinzipiell schon nicht möglich ist. Dennoch beziehen sie sogar ihre Legitimität auf diesen Irrtum.**

Hinter dem Brexit muß ein anderes Kalkül stehen. Und vielleicht hat es damit zu tun, daß die britischen Medien in den Händen eniger weniger Personen stehen, die ... geopolitisch, strategisch alles andere als eine pro-europäische Haltung einnehmen. Murdoch etwa, dem die populärsten Zeitungen gehören, spielt ähnlich Soros eine ganz eigene - und alles andere als europafreundliche, sondern amerikazentrierte - Rolle, und so nebenbei hat er erneut viel Geld mit Spekulationen gemacht.

Die Medien sind nicht einfach funktional festmachbar. Sie sind Instrumente von Köpfen. Das ist nichts Bedauerliches, sondern das "ist einfach so". Deshalb sind sie auch nicht einfach funktionalistisch und beliebig austauschbar. Das Märchen von den "alternativen Medien", die sie ablösen, ist eine Fiktion. In einem Volk hat nur reales politisches Gewicht, was institutionalisiert - nur damit nämlich: autorisiert - ist. Die "alternativen Medien" beweisen ihre Sinnlosigkeit aus der Eigengesetzlichkeit der Neuen Medien. Die aus ihrer Natur heraus (die eine Umkehr der Richtung der anthropologischen Denk- und Wahrheitsprozesse ist, die personale Geschehen sind; die Neuen medien aber sind kein personales Geschehen) nicht in der Lage sind, reale Strukturen aufzurichten. So gerne es ihre Macher auch vorgaukeln. Der pseudologische, zweitwirkliche und inverse ("selbst gewählt!") Zugang zu diesen Medien ist es, der verhindert, daß in ihnen (für eine Demokratie, aber überhaupt für ein Volk wesentliche) Sprachklärungsprozesse (das Wort "Meinungsbildungsprozesse" trifft es nicht) stattfinden. Solche Prozesse aber sind nur "von oben nach unten" und personal-gestalthaft möglich.

Warum teilen sich Richtungen innerhalb von Völkern immer "in der Mitte"? Warum aber sind diese mehrheitlich (knapp, aber doch) immer systemstabil, solange sie gesund sind?

Aus psycho-dialektischen Gründen, reine innere Geschehen ohne faktische Relevanz, spalten sich Völker in ihren Grundansichten ungefähr in der Hälfte, und die mehr oder weniger knappe Mehrheit wird dem Establishment untergestellt sein und bleiben. Das zeigt sich selbst in den Generationenfolgen: Söhne stellen sich immer dialektisch gegen die Väter, sodaß wiederum deren Söhne mehr oder weniger auf die Seite der Väter/Großväter zu stellen kommen. Es sei denn, ein Messias tritt auf - der personal ganz oben ansetzt, also entsprechende Massenrelevanz hat (man stelle es sich wie eine Pyramide mit entsprechenden Stufen und Zugehörigkeiten als je diesen Stufen unterliegende Blöcke vor).

Irgendetwas stimmt an diesem britischen Ergebnis nicht. Das den Interessen einer universalistischen USA in der Auseinandersetzung mit Rußland als Stufe in der Position gegen China so seltsam in die Hände spielt. Das muß von Köpfen - von sehr hoch angesiedelten Steinen in der Pyramide - so gewollt sein. Das hat nichts mit Verschwörungstheorien etc. zu tun. Das ist eine anthropologische Frage. Auch die linkeste Gesellschaftsumgestaltung zielt nie auf die "unteren" ab, sondern auf die Oberen, also auf Zugehörigkeiten. Ein Volk ändert sich nie von unten, und es handelt nicht aus sich heraus, sondern von Köpfen her. Auch die scheinbar "klein-rationalsten" Entscheidungen sind Gestaltassoziationen.

Immerhin spielt nun nicht mehr die EU, sondern die NATO die entscheidende außenpolitsche Rolle in Europa. Und darin - die USA. Die EU (so grotesk schwach ihre Politik auch war) ist defintiv geschwächt. Sie wird die Zukunft auch des Verhältnisses zu Rußland nicht mehr (alleine) bestimmen können. Der Einfluß der USA hat sich um eine Kategorie verstärkt. Und England hat Europa alleine im 20. Jhd. zweimal in einen katastrophischen Krieg manipuliert.

Werden wir da an der Nase herumgeführt? Haben alle aufgestöhnt, daß endlich Bewegung ins Spiel gekommen wäre, ohne daß das der Fall ist? Es ist noch nicht fertig durchgedacht, man muß noch abwarten, aber - etwas könnte an diesem Brexit nicht stimmen.





**Um es aber ganz klar und deutlich zu sagen: Dieser ontologische Aufbau jedes Organismus, also auch eine Volkes, heißt niemals, daß der Kopf willkürlich gegen den Leib entscheiden kann. Das ist diese gewisse Wahrheit, die in der Demokratie steckt. Vielmehr muß er den organischen Willen der Teile zu einem Ganzen führen. Kopf und Leib müssen in enger Wechselbeziehung und -wirkung stehen. Das Beratungsgremium war auch in der Monarchie kein freundlich gewährtes Anhängsel, sondern hatte Verbindlichkeit: Kein Monarch wagte es (sieht man von der Fehlform des Absolutimus ab) sich einfach gegen die das Volk repräsentierenden Berater zu stellen. Keine Regierung, egal welcher Form, ist legitim und arbeitsfähig, wenn ihr Herz nicht mit dem des Volkes im selben Takt schlägt, ja beider Herz eines ist. Deshalb hat und hatte der Volkswille und damit die Natur eines Volkes sogar in der Monarchie Verbindlichkeit. Das gilt auch und besonders sogar für das Rechtswesen, deren eine Säule "Akzeptanz" ist, neben der Gerechtigkeit.






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