Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 28. August 2016

Ohne Erinnerung enden die Zeiten

Wenn auch richtig ist, daß alle Dinge Dynamiken sind und als Prozesse verstanden werden müssen, so wäre es fatal zu übersehen, daß diese Prozesse nur in der Transzendierung AUF RAUM HIN aktualisiert, ausgelöst und sinnvoll werden. Die Wirklichkeit löst sich damit nicht in einer Weise auf, daß nur Eigenschaften bleiben, die auch für sich stehen können, sodaß sich daraus eine je relative historische Gestalt ergäbe, sondern sie müssen zum einen zur Gestalt werden, also "fest" werden, um sich von dort aus auf ihre ontische Idee hin. Die im Wissen Gottes steht, also eine Art "fertiges Mosaik des Zueinander als Welt" ist. 

Wer die Welt nur noch auf Eigenschaften reduziert, verliert damit genau diese Eigenschaften. Sie werden verdinglicht, verobjektiviert, und damit zur Seins-Simulation, weil sie nur in ihren Effekten greifbar weil objektiviert und damit erlebbar und damit dinhaft-"herstellbar" werden.

Das ist tatsächlich hegelianisch, wie Giovanni Scalese es voriges Jahr in seiner Analyse der philosophischen Ansätze des Bergoglio-Papstes formulierte, soweit sie greifbar sind (und das werden sie nach und nach sehr gut), und führt direkt in den Pantheismus, führt zu einer ontologischen Verdiesseitigung Gottes, der völlig mit dem faktischen Sein - dem Seienden - zusammenfällt, das rein diesseitig wird, weil es selbst Sein herstellt. 

Tatsache ist aber, daß das Seiende nur in der Teilhabe am Sein, das außerhalb der Welthaftigkeit steht, überhaupt seiend wird. Und der Akt, in dem es an diesem Sein teilhat, ist die Selbsttranszendierung auf die Idee hin, die als Idee erst Dynamik ist. Dynamik, die aber doch in ihrer Form das Faktische aussiebt - zum Wirklichen, und zum Zufälligen, das in sich aber kein Sein hat sondern Schein bleibt.

Damit löst sich der Wesensbegriff auf. Denn Wesen wird zum zufälligen Produkt historisch-dialektischer Prozesse, die nicht mehr Wesensvollzüge werden, sondern Wesen ontologisch konstituieren. Eine Widersprüchlichkeit, die auch Hegel (Kant darin folgend) nicht auflösen konnte, der den Weg zum transzendenten, überweltlichen, ja Welt konstituierenden Sein selbst genau nicht fand.*

Sie übersieht, daß das Sein in der Welt (im dem absoluten Sein analogen Sein des Seienden, das dieses absolute Sein aber gnadenhaft erhält, also nicht "machen" kann) über die These (also gewissermaßen die Tradition) nur insoweit Sein hat, also "ist" (als Akt), als es im überweltlichen Sein verankert ist und daran teilhat. Es kann also auch von diesem Sein abfallen. Sämtliche dynamischen Prozesse aber spielen sich nur innerhalb dieses gewissermaßen "harten Seinskerns" ab, "schaffen" aber kein Sein. Die utopische, die Vorwärtsdynamik der Realitätsprozesse ist also gewissermaßen eine "Rückwärtswendung", um aus dem Vergangenen (Erinnerung!) das Sein als Transzendierungspunkt zu suchen. Denn nur das Vergangene "ist" als Bild vorhanden.

Dieses Bild muß nun immer wieder neu von Zufälligem gereinigt und neu gesucht werden, um so immer wieder neu historisch zu werden. Die Selbsttranszendenz holt also wie eine Hebamme immer wieder den ewigen logos in die Welt. Dieses "semper reformanda" des Gegenwärtigen als Akt zwischen Gestern und Morgen ist diese Flüchtigkeit der Gegenwart - ein reiner Akt. Nur darin liegt dann auch jene schöpferische - weil göttliche - Vorsehung und Potenz, die Welt überhaupt aufrecht hält.

Deshalb kann man sich in diesem Blick aufs Sein nicht an Effekten festhalten, also an scheinbar in der Vergangenheit erfahrbaren "Wirkungen". Effekte, Wirkungen sind immer nur historische Zufälligkeiten. Wer deshalb eine Zukunft auf Effekten aufbauen will, auf Früchten also, wird unausweichlich in einer (toten) Vergangenheitsgebundenheit landen. Nicht sie sind die Wirklichkeit, sondern jene ontologischen Kräfte, die hinter den Gestalten - als Form (aus der Form aller Formen, Gott, dem Sein selbst) - stehen.

Erst dann vollzieht sich diese Selbsttranszendenz, wenn sich der Vollziehende (das Lebende, der Mensch) an der Form festbindet, sie "heiratet", und ihr ganz real und realistisch treu bleibt. Denn es wäre ein nächster fataler Fehler, die Idee gewissermaßen als "schwebender Geist" vorzustellen, als "Geist" zu vergegenständlichen. Das ist ja das Wesen des Geistes - daß er NICHT dinglich und damit bildlich vorstellbar ist. Er ist auch nicht Gegenstand direkter sinnlicher Erfahrung, wie es die protestantischen Kirchen und Freikirchen und die darauf stammenden Erneuerungsbewegungen etc. versuchen, aus dem simplen Grund: Weil sie (wie Hegel, der logischerweise Protestant war) Gott gar nicht mehr "in die Welt hereinbringen", weil sie Gestalt auflösen, der Form ihr "Absolutes im Dynamischen" nehmen. Sondern diese Hochzeit des Geistes ist immer in einer Person vollzogen, im Getauften, im getauften Menschen, in der Person Jesus Christus, die real weil sakramental gegenwärtig ist.

Der Weg zu Jesus als Weg zum Vater, dem reinen absoluten Geist, geht also - über das Fleisch! Über die Welt! Über die wesensgemäße Aufgabe. Über den Beruf. Über die Familie. Über den Stand. Etc. Etc. Im Sakrament der Taufe und Firmung: über den Heiligen Geist IM Getauften, Gefirmten etc. Und damit über die Hingabe an die Welt, die er immer wahrer zu erkennen hat INDEM er dem Sein gemäß geformt (das in den Dingen als Erzählung ist, weil sonst Dinge nicht SIND, wenn sie nicht am Sein teilhaben) "wahr wird", also Gott in Jesus als anderer Teil des wechselseitigen "interspirare in spiritu sancto" (einander zuatmen im Heiligen Geist) ähnlich wird.

Selbsttranszendenz, das "Sterben", vollzieht sich also genau nicht, indem der Vollziehende, der lebende und geistbegabte Mensch sich oder Dinge zugunsten von "guten Eigenschaften" "auflöst" und auf seine bzw. die übernommene Form bzw. Gestalt "verzichtet", wie heute immer mehr geglaubt und vollzogen wird! Sondern im Gegenteil: indem er in diesem logos-Bezug mit aller seiner Kraft gebunden bleibt (Levinas). Erst von dort aus wird Wesen zur Welt, erst von dort aus liegt die Welt auch wirklich in Gottes Hand und Wissen und Willen und damit Vorsehung. 

Heute passiert immer häufiger das genaue Gegenteil, ja genau das Gegenteil - die Weltauflösung - wird sogar als eigentlicher christlicher Punkt gesehen. Und Liebe wird zu jener Schmerzvermeidung stilisiert, in der dem anderen der Schmerz des Seinsbegegnung IN MIR zu vermeiden geboten wird. Was für ein folgenschwerer Irrtum. Es ist genau der anti-christliche Punkt! Es ist genau NICHT Liebe. Und das ist keine girlandenartige Fleißübung der Diskussion, sondern das ist der entscheidende, ja weltentscheidende Punkt. Und: Es ist das Ende der Geschichte, weil solches Aufgehen in Faktizität gar keine Geschichte mehr hervorbringt, sondern alles in ein totes Dauern übergehen läßt weil seine ontische Relevanz angeblich ohnehin außerhalb seiner liegt.

Dieses absolute Sein ist damit nicht direkt adressierbar (Levinas), sondern nur indirekt - über die Welthaftigkeit des Seienden, als Zusammenspiel der "Teil-"Formen, der Dinge also. Nur in der Präzision der Abgrenzung dieser Dinge sind diese überhaupt Dinge, ist also überhaupt Welt, weil erst so das eigentliche Weltsein real wird: In der Realität des Wesens der Dinge. (Und Wesen heißt: Ort. Ohne Ort - kein realisiertes Wesen.)

Reform kann also niemals heißen, auf die vergangene Form zu pfeifen, und es Gott zu überlassen, neue Formen zu schaffen. Das wäre eine Beleidigung Gottes, weil es eine Beleidigung des Seins selbst ist, das im Sinn, im logos(-Gefüge) Welt konstituiert. Reform kann nur heißen, im Kreuz der Transzendenz auf die Gestalt hin dieses dem logos zu öffnen, weil Transzendenz (Kreuz) erst jener schöpferische Akt ist, in den hinein und aus dem heraus die jeweils wie welke Schalen entstehenden rein zeitbedingten Gestaltteile abzulegen und ALS FORMTEIL bzw. Wesensteil zu erneuern. Die Zwiebel verliert ihre äußeren Hüllen, die Zeitkomponente gewissermaßen, aber sie bildet WIEDER Hüllen unten nach. (Keine Wurzeln oder Äste oder Baumknollen, nein: Wesensgemäße, verortete Hüllen. Die reformierte Zwiebel ist keine andere Zwiebel, sondern dieselbe, mit denselben Teilen, die nun aber wieder durchblutet sind. Bis auch sie sterben und ersetzt werden.)

Damit steht auch Zeit nicht "über" dem Raum, also der Konkretisierung, als könnte sie ohne Raum sinnvoll bestehen. Denn Raum ist die Realität des Zueinander der Dinge, des (jeweils graduell, unvollkommen bis vollkommen) real gewordenen logos. Das ist lediglich ein ontologischer Vorrang, aber kein Differenzierungsmerkmal, das trennbar wäre. Denn Raum IST die Welthaftigkeit (das Nach-Schöpfungselement, gewissermaßen) der apeirischen Zeit in Gott, die in der Welt zur Weltzeit wird SOFERN sie einem Einbruch des Apeirischen entspringt. Es gibt das Ding nicht außerhalb seines konkreten Dingseins, und will man es in seiner Idee (und damit seiner wirklichen Wirklichkeit) adressieren, muß man seine konkrete Dinghaftigkeit (Raum) ansprechen.

Weil die Welt eine Korrespondenz - KEINE Dialektik, die automatisch aus sich heraus etwas Seiendes hervorbringt bzw. voranbringt, also weiter vervollkommnet! Denn die Idee ist gewissermaßen "fest", wäre sie das nicht, könnte gar nichts werden, bliebe alles ein Fluidum, ein ewig Fließendes! käme es nie zu einer Welt, denn Welt gibt es nur als Zueinander von "festen" Seienden - zwischen den Polen Zeit und Raum, als Idee und Konkretion ist.

Wir haben es hier schon auszuführen versucht - genau das kristallisiert sich aber als Grundzug des Bergoglio-Papstes heraus, so schwer es zu finden ist, weil es eben kaum faßbar wird. Was sich in der nie ganz faßbaren Ambivalenz des Papstes deutlich macht, der mal so, mal so sagt, ohne sich festzulegen. Es fehlt eben dieses Feste, ja eigentlich müßte man sogar sagen: Es fehlt das Sein, es fehlt Gott, der komplett in die Welt "zurückfällt". Damit löst sich alles auf, buchstäblich! Und wird alles Faktische einer Zeit gleichwertig, auch das: buchstäblich. Aussagbarkeiten über die Welt gibt es nicht mehr. Auch das ist zu beobachten. Geistig ist diese Kluft zwischen Sein und Zufälligem nicht mehr in eine Einheit zu bringen - WEIL es nicht gleichwertig dem Sein selbst entstammt. Die Synthese Hegels ist NICHT automatisch weltgewordener Seins-Geist sondern nur, soweit sie am Sein teilhat.

Darin wird auch erkennbar, daß diese Sichtweise in einer charakterlichen, einer sittlichen Disposition gründet. Die heute extrem häufig ist, weil sie sich als Zeitstimmung nach und nach seit dem 19. Jhd. vor allem entwickelt hat. (Auch Hegel war Kind oder sogar ein Gipfelpunkt** seiner Zeit.) Und diese sittliche Position ist die einer Kreuzverweigerung, einer Kreuzflucht, weil es die Selbsttranszendenz auf das Sein hin - rückwärtsgewandt, weil nur so vorwärtsgerichtet - verweigert. Dafür hat auch hier eine Kreuz-Simulation eingesetzt, die Kreuz also in bestimmten Phänomenen festzumachen versucht, um es erfahrbar bzw. erkennbar zu machen. Aber auch das Kreuz ist kein direktes "Ziel", sondern Bedingungen des indirekten Weges der Welt überhaupt. Und erst so Anbindung an die wirkliche Wirklichkeit.

Begreift man es in diesen Zusammenhängen, so erhält das Wort vom "Ende der Zeiten" ein völlig neues Verstehen. Denn es sind dann nicht - nicht primär - die großen umwälzenden Ereignise, Kriege, Katastrophen,  mit denen das Ende der Zeit so naiv oft gleichgesetzt wird. Es ist das wirkliche Ende der Zeit als Ende der Geschichte.*** Und das kommt aus einer geistigen Verirrung, in der es dem Menschen nicht mehr gelingt, Weltzeit auf die Erde zu holen. In der sich die Welt in Relativität und Gestaltenlosigkeit auflöst. Denn Zeit ist ein Ergebnis des Kreuzes.




*In dieser Konzeption des Relativismus setzt auch das an, was hier auf versucht leichter "konsumierbare", also im Versuch eine einfacher in der Erlebenswelt der Lesesr vorzufindende Art zu finden, als "Zweite Weisheit" behandelt wurde.

**Jede geschichtlich-faktische, zufällige Zeit findet "Gipfelpunkte", in denen sie sich in Gestalt faßt weil "zu sich kommt". Diese Gestalten werden dann oft zu besonderen Proponenten, zu Führern, zu Repräsentanten des Selbstgefühls einer Zeit. Die mit oft beträchtlicher Verzögerung wirksam, soll heißen: einer Zeit immanent werden. Der Prozeß beginnt mit oft kaum im Zeitgeräusch erkennbaren Bewußtmachungsschritten, meist Verbalisierungen. In dieser Hinsicht kann man tatsächlich davon sprechen, daß sich in gewissen Personen eine Zeit rein darstellt und Zukunft vorauswirft. Wer die Gegenwart - und damit auch Bergoglio - verstehen will, muß sich z. B. nur Rousseau genau ansehen, den Spaemann völlig richtig als "Prototyp des Menschen der Gegenwart" bezeichnet.

***Es gehört mit zu dieser Verwirrung, Zeit mit "Uhr" gleichzusetzen. Aber die Weltzeit ist kein konstant und gleichmäßig fließendes Kontinuum. Sie wird je neu geschaffen. Erlischt das Schöpferische auf der Welt, erlischt die Zeit. Man sollte Einsteins Erkenntnis, in der Zeit mit dem Wesensvollzug der Dinge ALS BEZIEHUNGSVOLLZUG einhergeht, endlich einmal unter diesem Aspekt betrachten. Kein Wesensvollzug aber ohne Selbsttranszendenz auf den logos hin.





*240816*