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Montag, 15. August 2016

Vorsicht vor dem Kind im Bade

Der Hauptfehler Erdogans? Daß er ... kein Christ ist. Denn in aller gebotenen Feindschaft, die dem Islam gebührt - Erdogan zeigt deutliche Zeichen eines Kampfes gegen den Modernismus. Er holt es dabei auf eine Weise nach, die zumindst in Teilen Anklänge an den Faschismus des Europa der Zwischenkriegszeit bietet. Nur - wie sollte man den wirklichen Kampf gegen den Zerfall Europas führen? Wo wären die politischen Kräfte in Europa, die diesen Kampf aufnehmen, führen, und isch weiter wagen als brave, "zivilisierte" Kolumnen in liberalen Zeitschriften zu verfassen, und dabei Hottentottensprünge vollführen, um nur ja über keine Sprenglinie zu treten?

Lassen wir uns deshalb nicht in eine falsche Solidarität hineinziehen, in der wir namens eines Europa, das es überhaupt nicht mehr gibt, das in seinen letzten Zügen liegt, übersehen, daß die europäische - und heftig geschürte (warum wohl?) - Ablehnung der Türkei in der Gegenwart ein perfides Spiel jener Modernität ist, die dabei ist Europa zu zerstören. Aber die Ansätze der Türkei unter Erdogan sind keineswegs in Bausch und Bogen falsch. Gerade der Kampf gegen das Establishment verdiente doch alle Aufmerksamkeit, gerade jener Kreise und Kräfte, die derzeit Europa in seinen christlichen Wurzeln zu verteidigen vorgeben. 

Das kann nur in der Religion ansetzen, das kann nur in einem Kampf gegen eine absurde, irrelevante rationalistische Wissenschaft ansetzen ... Hat einmal ein Rechter überlegt, wie man hierzulande eine Wende herbeiführen bzw. vor allem durchführen wollte, als durch radikale Auswechselung großer Teile des Estabilshments? Anders als durch direkt Eingriffe ins Schulwesen, das auch Lehrinhalte betrifft, die im letzten ... ja, tatsächlich ... religiös zumindest auch argumentierbar sind? Und da ließe sich so manches anführen.

Es mischt sich viel in der Türkei ins Spiel. Viel Internes, das aus seinem Geburtsfehler stammt, das die Türkei in der heutigen Form in eine Widersprüchlichkeit stellt, die sie nicht bewältigen wird. Denn die Moderne eines Atatürk ist nicht staatstragend. Sie kann nur eine Diktatur tragen,. ihr Ablaufdatum ist damit im Geburtsdatum eingeprägt. Das geht also gar nicht. Es sei denn, die Türkei würde zu Verbrechen aufstehen, die wir uns noch gar nicht vorstellen können, und gerade dann wäre sie ein Todeskandidat. Die Widersprüche der Türkei kann sie nicht lösen, es sei denn, sie würde ... christlich. Tatsächlich. Nur im Christentum hätte sie jene persönlichen Reserven, die sie zum Notwendigen bereit machte und ihre Probleme (die - was wunder?! - innenpolitisch zuerst sind) lösbar machte. Aber darüber brauchen wir gar nicht reden.

Man muß dem Feind lieben. Den FEIND. Also wie gut und klärend ist es, den Feind auch so zu benennen. Dann kann man ihn lieben. Die Verwaschenheit Europas, die doch nur eine einzige Lüge ist, in der nichts mehr Feind heißen darf, damit man den Kampf umso heimtückischer führen kann, ist nicht christlich, und schon gar nicht Liebe.

Daß ein muslimisches Land niemals europäisch sein kann ist eben ein ganz anderes Thema. Denn Europa ist eine Kulturdimension, und damit eine religiöse Dimension. Daß wir in Europa strikt und endlich gegen den seit je enorm expansiven Islam vorzugehen haben, ein weiteres. Nur - lassen wir uns nicht benutzen! Lassen wir uns nicht von einem impotenten Establishment, das nicht einmal im Ansatz Argumente und Gegenwehr gegen seine Auslöschung aufbrächte, dazu mißbrauche, ihren Kampf zu führen. Nein. Der VdZ kämpft nicht für die Wurzeln Europas, um diese verroteten Eliten an der Macht zu halten, die genau dieses Europa, dieses Abendland in den Abgrund führen und bereits geführt haben und pausenlos nur eines betreiben: Mißbrauch der Begriffe. Alles, was man Erdogan und der Türkei aktuell vorwirft vollzieht die Linke in Europa seit Jahrzehnten! Und zwar: ausnahmslos. Sie vertuscht es nur perfide.

Die heute den "Kampf gegen den Islam(ismus)" auf eine Art zum Schicksalskampf Europas stilisiert, der nur einem Ziel dient: Ihrem ganz genuinen Machterhalt, dem Erhalt der Diskurshoheit. Wer meint, eine Queerparade zuzulassen wäre Ausdruck von Freiheit, der gehört psychiatriert, und nicht in die Riege der Verteidiger Europas gestellt. Die gegenwärtigen Reaktionen des "Entsetzens" über die Türkei sind selbst schon Ausweis der Dekadenz einer im wehleidig-reflexiven Liberalismus abgesoffenen Gesellschaft, der schon die Kategorien der Wirklichkeit abhanden gekommen sind und sich in einer sentimentalen, aber unerträglichen Verlogenheit so etwas wie Heiligkeit zu simulieren zu berufen fühlt, die umgewendeter Hand millionenfachen Mord begeht, ohne mit der Wimper zu zucken, Hauptsache man sieht ihn nicht. Sie sind nicht weniger Feinde Europas wie Erdogan, aber sie sind es auf eine unerträglich verlogene, perfide Weise.

Houillebecq hat mit "Unterwerfung" weit mehr Recht, als vielen lieb ist. Europa braucht eine religiöse Renaissance. Sonst hat es keine Zukunft, sondern verfällt endgültig in Lächerlichkeit. Das momentane Geschehen um Erdogan könnte die Aufforderung sein, die wir in der Türkei zu begreifen hätten. Denn das scheint der (milde formuliert) pschische Ausnahmefall eines Orientalen - zumindest so irgendwie, und auf unvollkommene Weise - begriffen zu haben.




*120816*