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Samstag, 21. Januar 2017

Hollywood - Das Erfolgskonzept einer Ethnie wurde Weltethik (2)

Teil 2)  ... und erfanden ein völlig neues Amerika





Aber die Filme der Protestanten, die als Unterhaltung und Zeitvertreib für die arbeitende Klasse angesehen wurden und die niemand als Kunstmedium ansah, waren technisch unzulänglich, kurz, und spiegelten nur die gegenwärtigen Verhältnisse wieder, wo jeder auf seinem Platz zu verharren hatte, einzementiert mit allen Vorurteilen und Urteilen, die sie angeblich oder wirklich charakterisierten. Die Juden waren die, die mit Geld und Korruption zu tun hatten, die Schwarzen die, die sich primitiv aufführten. Das noble, edle Amerika blieb beiden Gruppen vorenthalten, darin kamen sie nicht vor. Und vor allem sollten diese Immigrantengruppen strikt von den übrigen Gruppen getrennt bleiben. Ironischerweise wurden diese Filme von den vorwiegend schtedtl-jüdischen Kinobetreibern gezeigt.

Als Kinobetreiber sahen und spürten sie als erste, daß sich beim Film etwas ändern mußte. Ein Kinoabend mußte zu einem Event werden. Dazu brauchte es längere Filme, um die immer prächtigeren Kinosäle, die um nun auch Mittelschichtpublikum anzuziehen (die mehr zahlen konnten) gebaut wurden, die aber in den USA damals nicht hergestellt wurden. Gleichzeitig begriffen sie etwas, was zuvor noch niemand begriffen hatte: Mit dieser neuen Branche waren Chancen verbunden, aufzusteigen. Endlich als Amerikaner akzeptiert zu werden, durch Erfolg. Dazu begriffen sie, daß es vor allem auch darum ging, seine Herkunft und die Traditionen zu neutralisieren, auszulöschen. Nur in einem Amerika, dem es egal war, ob jemand Jude oder Nicht-Jude war, und was er glaubte, konnten sie sich behaupten. Sie mußten das lukrative Filmgeschäft heben, nach oben heben, denn es war eine Sache der Unterschichte. Sie mußten es zu einer Angelegenheit der weißen Mittelschichte machen.
Unabhängig von einander begannen Anfang der 1920er Jahre jüdische Unternehmer (mit einer Ausnahme: die Disney-Brüder, die sich dem Zeichentrick widmeten) in Los Angeles an einem Film zu arbeiten, der anders war, der sich vor allem auf die Mittelschichte ausrichten und ganz neuen, hohen Ansprüchen genügen sollte, künstlerisch wie in der Machart.

Gleichzeitig machte sich in den USA der 1920er eine Strömung breit, die Unterschichte zu idealisieren. Damit war wie durch Fügung das perfekte Produkt gemixt - aus einer Kombination von allen Versatzstücken, die hohe Kultur hatten, und hoher Popularität des ehedem Unterschichtenmediums Film, auf dem diese Kulturinszenierung beruhte, das vor allem einem Zweck dienen konnte: Daß es ein lukratives Geschäft wurde und den Aufstieg ermöglichte. Dann war sogar Kunst erlaubt.

Dazu brauchte es gute, bekannte Schauspieler, denn deretwegen gingen die Leute ins Kino - der Stargedanke war geboren - und dazu brauchte es gute, am besten bekannte Stoffe.

Sie gingen nach Kalifornien, um den starren sozialen Klasseneinteilungen der Ostküste zu entkommen. Außerdem war dort das Wetter besser, was für einen Film ja oft nicht ganz unwichtig ist. Joseph Schenck und Daryll Zanuck (20th Century Fox), Adolph Zukor und Jesse Lasky (Paramount), Marcus Loew und Louis Mayer (MetroGoldwynMayer), die vier Brüder Warner (Warner Bros.), Carl Laemmle (Universal), David Sarnoff und Joseph Kennedy (RKO; gibt es heute nicht mehr) und die Brüder Cohn (Columbia) taten sich mit den einzigen Nicht-Juden dabei, Walt und Roy Disney (Disney), zusammen, und bauten schließlich eine eigene Stadt mit einer kompletten Infrastruktur nur für ihre Filmproduktionen - Hollywood.

Sie erfanden sich damit ihre Chance, von Antagonisten eines protestantisch-christichen Amerika zu Protagonisten, ja zu deren Leitfiguren zu werden. Mit dem Film schaffte sich eine ehedem bedrückte Minderheit binnen kürzester Zeit ein Einfluß, der ganz Amerika, ja eine ganze Kultur bestimmen sollte. Und mit der geschichtlichen Entwicklung der USA im 20. Jhd. griff dieser Einfluß auf die ganze Welt über. Mit einer Filmproduktion, die nicht die Reaktion auf kulturelle Strömungen war, sondern diese selbst schuf. Und zwar gemäß eines Traumes, den ihre Gründer, die Juden des Schtedtl Osteuropas, schufen. Als einen neuen Traum, einen Traum von Amerika der anders war, als ihn die bisherige Elite verstand. Wer in bestehenden Kriterien nicht akzeptiert wird, muß neue Kriterien schaffen.

Das Konzept dazu war von ihren eigenen, persönlichen Bedingungen geprägt: Als Verleugnung von allem, was Identität ausmachte. Die Gründer Hollywoods verbargen ihre Herkunft, und taten alles, um als Muster-Amerikaner anerkannt zu werden. Damit trafen sie die Befindlichkeit vieler, ja der meisten Menschen, sogar weltweit. Denn wer war nicht ein Außenseiter, wer war nicht ein Verlierer, wer litt in einer Welt des überbordenden Kapitalismus nicht an dessen Unterdrückungsmechanismen?

Sie schufen damit das moderne Amerika, mit einer Vorstellung von perfektem Leben, die neu war: Der neu verpackte jüdische Überlebens- und Selbstbehauptungswille, ja die Weltsicht einer Minderheit, die gelernt hatte, daß sie nur akzeptiert wurde, wenn alle auf ihre Identitäten verzichteten, wurde zum bestimmenden Mythos einer ganzen Kultur.

Und mit ihm völlig neue Lebens- und Rollenbilder, wie die von idealisierten Müttern und Frauen, von aufsässigen, eigenwilligen Jugendlichen, von Männern und Vätern denen widerstanden werden muß, ja insgesamt mit einer völlig neuen Rolle des Revoluzzers, des Rebellen, des Außenseiters, der sich um des Guten willen über Gsetze hinwegsetzt. Deren Happy End zeigte, daß diese neue Auffassung auch richtig war.. Wer würde darin nicht das bis heute bestehende Grundkonzept der Filme Hollywoods erkennen? In diesen Filmen konnte jeder OUTsider - selbst ein Monster wie King Kong, die Botschaft eines der größten Kassenschlagers - in einen INsider verwandelt werden. Die Erfinder Hollywoods nahmen zwar alte Geschichten, aber sie interpretierten sie um, machten sie zu Trägern der Sehnsüchte und Ängste der osteuropäischen Juden, und aller Unterschichten, aller die sich bedroht fühlten.

Hollywood wurde zu einer neuen Religion, mit einem eigenen Kult und neuen Göttern, mit Heiligen in den Schauspielern, und mit einer neuen Elite mit einem Himmel aus selbstgeschaffenen Oscars. Mit neuen Werten - interrassisch, interreligiös, interkulturell, vor allem aber: antitraditionell - die dieser ehedem verachteten Minderheit die Wege nach oben öffneten, weil vorhandene Wertewelten aufbrachen. Und weitere Welten mitzogen, die sich hervorragend einsetzen ließ: die der Schwarzen, und vor allem deren Musik, die die emotionale Landschaft bereitete.


Morgen Teil 3) Sie blieben dennoch Juden. Aber ihr Konzept wurde global.
Ein Geschäftskonzept, eine Marketingstrategie wurde zu einer neuen Weltethik
+ Der Dokumentarfilm




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