Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 1. April 2017

Von Libyen zum Weltklima und zurück (1)

Man kommt bei dem am Schluß angefügten Film mehrfach ins Grübeln. Er befaßt sich mit der geologischen Forschung im Süden Libyens, das unter Gadhafi in mehrfacher Hinsicht eine beachtliche zivilisatorische Entwicklung genommen hat. Der pöhse Diktator hat mit dem Geld aus dem Öl sein Land in die Neuzeit katapultiert. Oder das zumindest begonnen. Wie es in Libyen nach der Zerstörung durch USA und NATO weitergeht, die auch jene sozialen Strukturen zerstört hat, die wie eine Klammer alles zusammenhielt und halten sollte, wird sich nun freilich zeigen. Zurückgeworfen auf die Stammesstrukturen, fehlt Libyen das, was es zum Staat machte: die Klammer eines Zusammenhalts. 

Wobei die Geschichte arabischer Staatsgebilde zeigt, daß vom Zweistromland bis nach Marokko - also für sämtliche arabischen Völker, nicht nur die mit dem Schwerpunkt Mittelmeer geltend - nur eine diktatorische Staatenbildung erfolgreich sein konnte. Schon Friedrich II.,der Staufer, hat deshalb das muslimische Staatenmodell genau studiert und mit Sehnsucht betrachtet, sogar überlegt, überhaupt in den Orient zu gehen. Weil die Gegebenheiten dort seiner Vorstellung von Herrschaft und Volk am nächsten kamen. Einer Vorstellung, die er ja auch in Europa durchzuzsetzen versuchte, und zwar vordergründig damit scheiterte, dennoch aber Strukturen einleiten konnte, die in Europa über Renaissance und Absolutismus (wo das Volk, Wirtschaft, Staat bereits als "Objekt", als Mechanismus, als Maschine betrachtet wurde) und Demokratismus schnurstracks in den als Symbiose von Finanzkapitalismus und Staat manifestierten Zentralismus der westlichen Staaten der Gegenwart führte.

Das hat mit der Religion zu tun, dazu ein andermal noch  mehr. Aber die islamische Religion ist - anders als der Katholizismus - auf der Basis der Religiösität der Menschen alleine nie die Klammer gewesen, die diesen geographischen Raum zu einem Kulturganzen durchgestalten hätte können. Sie brauchte immer die politische Stütze zentraler weltlicher Macht. Und es war politische Macht, die im 9. Jhd. über eine Reform der in zahllose Richtungen auseinandergehenden, sehr stark je regional variierenden Religion die Grundlage legte, daß man überhaupt von einer "islamischen Welt" mit islamischen Staaten sprechen kann. Was Libyen also nach Gadhafi fehlt ist - ein neuer Gadhafi, wie immer man darüber denken mag. Alles andere ist unrealistisch.

Und das Land hätte Perspektiven. Daß es im Süden Libyens noch riesige Ölvorkommen gibt, gilt  als sicher. Die Frage ist nur wann es gelingt, an sie heranzukommen um sie auszubeuten. Denn die geologischen Verhältnisse in den südlichen Landbecken des Landes sind komlex, durch tektonische Verschiebungen vielfach fragmentiert. 

Und werden auch von etwas anderem gestört - Wasser. Denn unter der Sahara gibt es einen riesigen Grundwassersee, der unter Gadhafi auch bereits angebohrt wurde. Womit beeindruckende Versuche betrieben wurden, die Wüste wieder zu begrünen. Beim Bohren nach Öl störtr dieses Wasser allerdings, das von höher gelegenen Tiefenschichten in Algerien her befüllt wird.

Noch vor 5000 Jahren (dann ging die letzte der Grünperioden der Sahara zu Ende) gab es in diesem Teil der Sahara einen Süßwassersee, der etwa 360.000 km2 umfaßt hat. Das Land war grün und fruchtbar, wie die zahlreichen Funde, aber auch Höhlenmalereien beweisen. Der Grund war der größte bekannte Süßwassersee der Erde, zumindest in jener Zeit. Amerikanische Forscher meinen nun allen Grund zur Annahme zu haben, daß es in diesem Raum einen gewissen Rhythmus von 21.000 Jahren gibt, denn diese Wechsel von Wüste zu Gründland und umgekehrt dürften sich mehrmals schon wiederholt haben. 

Schließen wir mit einer Spekulation, daß einer der Gründe, warum dieses Land nun wieder Wüste wurde (wobei das Potential zum Grünland in den Seen der Tiefe ruht) der war, daß es den Menschen nicht gelungen ist, eine höhere Kulturstufe zu erreichen. Ihr Leben blieb von den Zufällen aus Wetter und Gegebenheiten abhängig. Erst menschlich-planende, vernünftige Tätigkeit vermag in einem in Besitz genommenen Raum jene Bedingungen zu schaffen, in denen das Wetter mehr oder weniger gebändigt und auf relativ gleichbleibendem Niveau gehalten wird. So, wie es seit 1000 Jahren in Mittel- und Nordeuropa der Fall ist, das vor 1500 Jahren den Römern noch als unwirtliche Landschaft galt, in der Besiedelung nahezu unmöglich war.  

Doch die katholischen Mönche haben die hier genauso von Zufälligkeiten lebenden Menschen (also v. a. die Germanen und Slawen) gelehrt, wie durch vernünftige Arbeit auch diese Welt unter vernünftige Lebensbedingungen gestellt und auf eine Weise bewohnbar werden kann, die sich zuvor niemand hatte vorstellen können. So wurde der Boden für eine Hochkultur geschaffen, wie sie die Erde noch nie gesehen hatte. Ausschlagebend dafür war, daß im Katholizismus der menschlichen Arbeit einen neuen Wert beigemessen wurde. Arbeit war nicht mehr das Gehaßte, das man möglichst anderen auszwingen mußte um sie dann auszubeuten, das man den Sklaven überließ, sondern Teil einer sinnerfüllten, ja heiligmachenden menschlichen Tätigkeit. Das hatte es noch in keiner Kultur zuvor gegeben. Unter dieser Voraussetzung schufen die Europäer eine Lebenswelt, die oft bis in den letzten Winkel unter das Gesetz der Schönheit weil Vernunft gestellt und durchgestaltet war. Wer ältere Siedlungen und Städte durchwandert kann deshalb nur staunen, wie jeder Quadratmeter Boden dazu beiträgt. Wo jeder Weg, jedes Haus, jede Gasse, jeder Blickwinkel unter einem Laubengang ein weiterer Beitrag zu einem gesteigerten Leben leistet. Nichts, das deshalb reinen "technischen Nutzen" bedeutete. Alles war ein Ineinander von Zweckhaftigkeit, Sinn und Ästhetik.

Und so hat man auch Lebensbedingungen geschaffen, als Fülle lauter mehr oder weniger stabiler - durch menschliches Tun stabiler - kleinklimatischer Räume, die mit der Zeit jenen großen geographischen Raum umfaßt, nein, geschaffen haben, den wir heute als Europa bezeichnen. Erst mit der Neuzeit begann ein Prozeß, der diese Ganzheit zu zerstören begann. Erst mit der Neuzeit wurde technischer Nutzen nicht mehr im Rahmen eines Dings gesehen, das eine Beziehung zu erfüllen hat, sondern als Ausfluß einer bloßen Mechanik, zu der die Welt mehr und mehr degradiert wurde. 

Genau das ist aber auch der Weg, wie man eine Kulturlandschaft wieder verlieren kann. Das ist auch das tragische Geheimnis vieler Landschaften der Erde, die einmal blühende Kulturlandschaften waren, und heute verödet sind oder Wüste, wie in der Sahara. Das war mit hoher Sicherheit kein Ergebnis einer "Klimaveränderung", ein Wort aus einer Terminologie, die "Klima" wie ein schicksalshaftes Ereignis betrachtet, das über die Menschheit hereinbricht. Vielmehr ist es eine Resultante aus zahllosen kleinen Wetterereignissen, die mit menschlichem Tun sehr direkt zu tun haben.




Morgen Teil 2) Nur ein Gadhafi II wird das Klima verändern






*180317*