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Sonntag, 2. Juli 2017

Das subjektivistische Gut als Relativismus

Wenn man die Rolle der Metaphysik im Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Gemeinwohl (dem Guten selbst) für belanglos erklärt, wird man gegenüber dem Relativismus wehrlos. Wenn das Gute des Menschen lediglich für ihn selbst und seine Person gilt, besonders als geistiger oder religiöser Mensch, dann gelangen wir schnurstracks unter Bedingungen, wo der Einzelne zum Maß aller Dinge wird. Der Dinge die einfach sind was sie sind genauso wie der, die eben nicht sind was sie nicht sind. 

Der Mensch ist aber immer Teil des Ganzen. Und das Gemeinwohl ist das Gute des Ganzen. Der persönliche Gut ist das Gut eines Teiles. Wenn ich die Möglichkeit, um das Gute des Ganzen zu wissen zurückweise, oder überhaupt aufhöre das Gute des Ganzen anzustreben, bleibt nur noch das Gute des Einzelnen als einziger Maßstab für das Verhalten jedes Einzelnen. Damit bin ich selbst der Maßstab für Moral, und zwar weit eher als das Gut des Ganzen, des universale Gut überhaupt, und erst recht eher als Gott.


J. Langan, in Culture Wars, 2016

Weil es damit keinen allen gleichermaßen einsehbaren, über die Vernunft und Wahrheit erreichbares "Naturbild" einer Gesellschaftsordnung gibt (dieses wird, wie die Aufklärung zeigt, durch sentimentale "Träume", Utopien versucht zu ersetzen), dem alle aus sich heraus verpflichtet sind, treibt jeder Relativismus unausbleiblich zum Totalitarismus. Denn nur noch ein übermächtiger Staat vermag dann überhaupt zwischenmenschliche Interesssenskonflikte - und das Gut wird im Relativismus zum bloßen Interesse - zu moderieren. 

Zwar wird umso mehr davon geredet, um eines Friedens willen Kompromisse zu finden, aber diese lassen sich nicht im Absoluten verankern. Sie müssen damit scheitern, denn letztendlich kommt jeder Mensch irgendwann einmal und unausweichlich mit absoluten Werten in Berührung, hinter die er nicht (mehr) zurückgehen kann. Nun fehlt aber eine Ebene, und zwar eine Vernunftebene, die allen einmal verbindlich genug ist, und zum anderen eine Klärung möglich macht, in der niemand um seine absoluen Werte fürchten muß.

Die Folge ist ein staatlich implementiertes Zwangssystem. Wer die Geschichte Europas speziell seit der Aufklärung (ja schon zuvor, seit der Reformation) ansieht wird sie ganz genau als Geschichte von Zwangssystemen erkennen. Die zwar immer wieder abgelehnt wurden, aber die letzten 500 Jahre sind eine einzige allmähliche Abzeptanzgeschichte solcher Totalsysteme. Die in unserer Zeit über Ersatz-Universalismen, über ein Ersatz-Gemeinwohl - man denke nur an die "globalen Bedrohungsbilder" als ultimative, "auswegslose" Moralgebote, WEIL ES UMS GANZE GEHT - ein neues Stadium erreicht haben: Sie werden nämlich bereits vielfach "freiwillig" akzeptiert. Die nächste Stufe, als Totalitäres System nie gekannten Ausmaßes, ist damit mehr als absehbar, denn sie ist vielfach sogar bereits erreicht.

Hobbes hat es deshalb sehr genau und richtig gesehen (und gefordert), wenn er an einer Stelle schreibt: 

"Liberalismus ist in sich instabil. Er braucht deshalb den Rückhalt in der Furcht vor dem Staat. Der Staat erfüllt die Rolle des allmächtigen Tyrannen und setzt durch Gewalt liberale Toleranz auch bei chronisch intoleranten Individuen durch. Das muß in jedem Fall passieren, denn der Staat muß sich jede Theorie, jede Vision eines Guten unterwerfen, und zwar gleichgültig ob sie ausdrücklich religiös sind oder nicht, sonst bekommen diese Visionen Oberhand über ihn. Er hat deshalb immer die Oberherrschaft über die Theorie, und muß sie mit all seiner Exekutivmacht einfordern."

Locke hat das noch verfeinert, indem er die Illusion aufgab, daß der "Naturzustand" des Menschen friedlich wäre. Das ist er nicht. Sondern es wird immer zum Kampf unter Menschen kommen, wo es um ein Gut geht. Deshalb braucht es den Staat, den einzigen Garanten für zwischenmenschlichen Frieden.

Religion kann also zwar toleriert werden, aber nur, wenn sie keine Ansprüche auf Öffentlichkeit stellt. Sie muß letztlich völlig privat bleiben (und damit ihren eigentlichen Anspruch aufgeben). Der Staat darf nämlich keinen Rivalen neben sich tolerieren. Er muß damit nicht nur die legislative und exekutive Macht besitzen, sondern er muß auch die Oberhoheit über die Lehre beanspruchen.





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